Wir wissen nicht, wie es um den Bartwuchs von Walter Setzepfandt bestellt war, vermuten aber, dass der „kicker“-Redakteur über einen ein Jahre lang gepflegten Oberlippenflaum nicht hinausgekommen ist. Wie sonst lässt sich erklären, dass Journalist Setzepfandt seine Berichte über das erste Pflichtspiel deutscher Nationalspieler auf türkischem Boden quasi haarklein mit Beschreibungen von großem und kleinem Lippenschmuck aufgehübscht hat?
Vorgeschichte: Am 17. Oktober 1970 empfängt die BRD-Auswahl von Helmut Schön in Köln die Türkei zum EM-Qualifikationsspiel. Der WM-Dritte von 1970 blamiert sich gegen die Jungs mit dem Halbmond auf dem Trikot bis auf die Knochen: 1:1 endet das Spiel und in der Domstadt machen Tausende von Türken die Nacht zum Tag. Ob es an den schönen Schnauzern lag, dass Beckenbauer und Kollegen den Gast aus der Türkei so unterschätzt haben? Vermutlich, mag man sich denken, wenn man im April 1971 den Vorbericht zum Rückspiel im „kicker“ liest. Autor Walter Setzepfandt textet stilsicher: „Die Männer mit den Schnurrbärten imponierten übrigens am 17. Oktober in Köln beim 1:1 dem Franz Beckenbauer und Gerd Müller so gewaltig, dass die beiden Münchner während des Rückflugs nach München beschlossen: ´Wir lassen uns auch beide einen solchen Bart stehen.´“
Horst Köppel trifft zum 3:0 – zum Glück für den „kicker“
Am 25. April 1971 kommt es schließlich im Istanbuler Mithat-Pasha-Stadion zur „Revanche am Bospurus“ („kicker“). Der Favorit aus Deutschland gewinnt locker-leicht mit 3:0, die Tore schießen Gerd Müller (bartlos) und – zum Glück für Autor Setzepfandt – der Gladbacher Horst Köppel. Genüßlich bewertet der Journalist im zwei Tage später erscheinenden „kicker“: „Der Mann mit dem Schnurrbart spielte mit einem Schlage so mit, als hätte er schon zwanzigmal das Trikot der Nationalmannschaft getragen.“
Die Verhältnisse sind aus deutscher Sicht wieder hergestellt. Prompt zeigen die Monate zuvor noch wie begossene Pudel vom Platz geschlichenen Spieler wieder die breite Brust. „Die hätten heute auch zehn Stück kriegen können“, prahlt nach dem Spiel Verteidiger Wolfgang Weber. Unser Freund Setzepfandt verkneift sich derweil die großen Töne. Er hat seine Gründe: Es gibt Bart, Baby! „Die glücklichsten Menschen im Stadion saßen nur fünf Schritte vom ´kicker-sportmagazin´ entfernt. Hartmut Kluge, Student aus Freiburg, und seine Frau hatten vor genau neun Wochen in Istanbul Halt gemacht. Hartmut Kluge wurden zwar nachts die Turnschuhe aus dem VW-Bus geklaut, aber dafür erhielt er von DFB-Sekretär Hermann Joch drei Stunden vor dem Spiel zwei Karten. ´Bravo, Bravo´, rief der Student mit dem Bart immer wieder. Und seine Frau, die noch nie ein Fußballspiel gesehen hatte, gestand: ´So schön kann also Fußball sein.“
Ein Schnurrbart würde dem Spiel jetzt gut tun
Bärte, überall. Eigentlich schade, dass es heute Abend deutlich haarloser zugehen wird, wenn sich die glattgesichtigen Profis aus Deutschland und der Türkei zum nächsten Vergleich treffen. Wie heißt es doch so schön: „Ein Schnurrbart würde dem Spiel jetzt gut tun.“