Ein heimlicher Held ist Aytac Sulu in Darmstadt schon lange nicht mehr. Auch wegen seiner Kopfballstärke hat das Team vom Böllenfalltor gute Chancen im Abstiegskampf.
„Ich habe gerade meinen Vertrag verlängert, bis 2018“, sagte Aytac Sulu vor ziemlich genau einem Jahr in einem hessischen Sportstudio. Und das Beste an dem neuen Schriftstück: „Es gilt von der ersten bis zur dritten Liga.“ Der SV Darmstadt 98 war gerade auf dem Weg in die Bundesliga, aber Sulu weiß woher er kommt.
Im Sommer 2013 setzte Sulu zum letzten Versuch an. 15 Spiele hatte er in der vergangenen Saison gemacht. Für den SC Rheindorf Altach – in der zweiten Liga Österreichs. Immerhin, hatte er sich doch im Jahr davor „einen Kindheitstraum“ erfüllt und für Genclerbirligi Ankara in der Heimat seiner türkischen Eltern gespielt – zwei Minuten lang. Und jetzt, im Sommer 2013, lag vor Sulu der ausgehandelte Vertrag in Darmstadt.
Im Schatten des Böllenfalltors spielte sich zu diesem Zeitpunkt keine Fußballromantik ab. Ganz im Gegenteil, denn die Darmstädter belegten den letzten Platz der 3. Liga und hatten Sorge, schon bald ins Niemandsland des deutschen Fußballs zu fallen. Ein Angebot für Sulu, so reizvoll, dass dieser sich ernsthaft überlegte, stattdessen seinen erlernten Beruf als Automobilkaufmann wiederaufzunehmen und nur noch gelegentlich durch Strafräume zu grätschen.
SV Sandhausen, Hoffenheim II, VfR Aalen
Über zahlreiche Stationen hatte der gebürtige Heidelberger versucht, in den Profifußball zu gelangen. Erst beim SV Sandhausen in der Verbandsliga, dann als hoffnungsvolles Talent in der Reserve der TSG Hoffenheim – ohne nennenswerten Erfolg. Immerhin reichte es für ein Engagement beim VfR Aalen in der Regionalliga. Dann Türkei und Österreich. 27 Jahre alt war Sulu, er wirkte wie einer der zahlreichen semiprofessionellen Spieler, für die der Sprung in den hochbezahlten Fußball zu groß schien.
Drei Jahre später wird der Innenverteidiger seine Mannschaft als Kapitän aufs Feld führen, wenn am Mittwochabend Borussia Dortmund zu Gast ist. 24. Spieltag in der Bundesliga. Wie Sulu und der SV Darmstadt dort gelandet sind? Weil sie etwas Glück am „grünen Tisch“ hatten (Nicht-Abstieg 2013). Weil sie auch bis zur letzten Sekunde nicht aufgaben (Relegation gegen Bielefeld 2014). Und weil sie sich alle über sich hinauswuchsen (Aufstieg in die Bundesliga 2015). „Peu a peu weiterentwickelt“, nennt es der Spieler Sulu. Ein Fußballmärchen.
Brüche in der Biografie
Wenn man ihn fragt, lobt der seine Mitspieler: „Wenn ich in die Kabine komme, sehe ich da nicht einen schlechten Menschen, nur gute Typen.“ Woran das liegt? „Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass die meisten von uns schon ordentliche Brüche in der sportlichen Biografie zu verzeichnen haben.“ Ein Grund, weshalb sich der Innenverteidiger und Trainer Schuster von Beginn an sympathisch waren. Bei jeder Trainingseinheit würden beide stets die volle Leistung abrufen, sagt Aytac Sulu. Egal, was Schuster verlangte: Sulu hielt den Kopf hin.