Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Artikel 19
Ron-Robert Zieler war 16 Jahre alt, als er nach Eng­land ging, zu Man­chester United. Serge Gnabry war eben­falls 16, als er im Sommer 2011 von der Jugend­ab­tei­lung des VfB Stutt­gart zu Arsenal wech­selte. Im selben Jahr ver­pflich­tete Arsenal dazu noch einen jungen Ver­tei­diger von Hertha BSC namens Leander Sie­mann. Fast müßig zu erwähnen, dass auch Sie­mann 16-jährig war.

Es ist natür­lich kein Zufall, dass so viele junge Talente – nicht nur aus Deutsch­land, son­dern aus ganz Europa – kurz nach ihrem 16. Geburtstag zu einem der großen eng­li­schen Ver­eine wech­seln. Es hat mit einem spe­zi­ellen Passus in den Trans­fer­re­geln der Fifa zu tun, der als Artikel 19 bekannt ist.

Artikel 19 ver­bietet den Transfer von Min­der­jäh­rigen über Län­der­grenzen hinweg. Es gibt nur wenige Aus­nahmen von dieser strengen Bestim­mung – die wich­tigste davon betrifft Bürger der Euro­päi­schen Union. Sobald sie 16 sind, können sie unter bestimmten Umständen in ein anderes EU-Land wech­seln.

Die Fifa achtet stark auf die Ein­hal­tung

Um das zu ver­an­schau­li­chen, lohnt ein kurzer Blick auf den 1993 in Kamerun gebo­renen Ste­phen Sama. Er wuchs im Ruhr­ge­biet auf und kam mit 14 Jahren in die Jugend­aka­demie von Borussia Dort­mund. Meh­rere eng­li­sche Klubs inter­es­sierten sich für ihn, doch solange er noch keine 16 Jahre alt war, gab es wegen Artikel 19 keine Chance, ihn auf die Insel zu holen.

Und auch im März 2009, als Sama seinen 16. Geburtstag fei­erte, war noch nichts zu machen – denn er besaß keinen deut­schen Pass, war also offi­ziell kein EU-Bürger. So bean­tragte Sama die deut­sche Staats­bür­ger­schaft. Am 14. Juni 2009 wurde sie ihm gewährt, fünf Wochen später wech­selte der Spieler zum FC Liver­pool.

In der Zukunft werden solche Trans­fers viel­leicht nicht mehr mög­lich sein. Die Fifa achtet sehr stark auf die Ein­hal­tung von Artikel 19 (ein Ver­stoß gegen diese Bestim­mung war der Grund, aus dem der FC Bar­ce­lona vor einigen Jahren mit einer Trans­fer­sperre belegt wurde). Das würde für die bri­ti­schen Verein ein wei­teres Pro­blem nach sich ziehen.

Schlupf­loch Frei­han­dels­zone

Seit 2008 müssen Teil­nehmer an der Cham­pions League und Europa League min­des­tens acht soge­nannte lokal aus­ge­bil­dete Spieler„ im Kader haben. Bis­lang war das keine Hürde für die rei­chen Pre­mier-League-Ver­eine, eben weil sie viele aus­län­di­sche Talente schon in jungen Jahren auf die Insel lockten.

Mög­lich­weise gibt es aber noch ein Schlupf­loch für den bri­ti­schen Fuß­ball. In Artikel 19 heißt es, dass der Wechsel eines Min­der­jäh­rigen (16−18 Jahre) mög­lich ist, wenn der Transfer inner­halb der Euro­päi­schen Union (EU) oder des Euro­päi­schen Wirt­schafts­raums (EWR)“ statt­findet.

Beim EWR han­delt es sich um eine Frei­han­dels­zone, die alle EU-Staaten umfasst. Sie hat aber auch drei Mit­glieder, die nicht in der EU sind: Island, Liech­ten­stein und Nor­wegen. Sollten die Mit­glied­staaten des EWR das Ver­ei­nigte König­reich nach dessen Aus­tritt aus der EU bei sich auf­nehmen, könnte die Pre­mier League Artikel 19 weiter umgehen.

Doch ob die Briten das über­haupt wollen, ist nicht sicher. Die Schweiz ent­schied sich zum Bei­spiel Ende 1992 gegen eine Teil­nahme am EWR. Natür­lich per Refe­rendum. 

Arbeits­er­laubnis
Für Spieler, die nicht aus der EU oder dem EWR (neben der Schweiz z.B. Island, Nor­wegen oder Fuß­ball­groß­macht Liech­ten­stein) stammen und in eine der eng­li­schen Ligen wech­seln wollten, galt bisher: Arbeits­er­laubnis nur für Natio­nal­spieler.

Und mit einem Gnaden-Län­der­spiel ist es auch nicht getan. So müssen Spieler, die laut Fifa-Rang­liste aus einem der zehn besten Fuß­ball-Länder der Welt stammen, 30 Pro­zent aller Län­der­spiele der ver­gan­genen zwei Jahre absol­viert haben. Für die Nationen auf den Rängen elf bis 20 gelten 45, für die Plätze 21 bis 30 schon 60 Pro­zent; ab Fifa-Rang­liste 31 ein­heit­lich 75 Pro­zent.

Wie eine Schei­dung

Mit einem EU-Aus­tritt würde diese Regel nach der­zei­tigem Stand für sämt­liche aus­län­di­sche Spieler gelten. Der­zeit wären dem­nach allein in der Pre­mier League 100 Spieler ohne gül­tige Arbeits­er­laubnis unter­wegs. Dar­unter allein die fran­zö­si­schen Natio­nal­spieler Dimitri Payet, Anthony Mar­tial und N’Golo Kanté.

Aller­dings ist davon aus­zu­gehen, dass der eng­li­sche Fuß­ball­ver­band diese Regu­la­rien im Laufe der kom­menden Jahre dem­entspre­chend anpassen wird. Schließ­lich geschieht der Brexit“ nicht von heute auf morgen, son­dern wird nach Mei­nung von Experten min­des­tens zwei Jahre andauern. Oder wie es unlängst der Eco­no­mist“ schrieb: Es ist, als würde nur ein Ehe-Partner die Schei­dung ein­rei­chen. Ein Pro­zess, der weder zügig noch har­mo­nisch ver­läuft.“

Mög­lich aller­dings, dass die FA alte Über­le­gungen aus der Schub­lade holt und eine Aus­län­der­be­schrän­kung ein­führt. Denkbar ist etwa das ehedem von Sepp Blatter ange­regte Sechs plus fünf“ — sechs eng­li­sche Spieler und maximal fünf aus­län­di­sche Spieler gleich­zeitig auf dem Feld.

Bosman-Urteil
Das Bosman-Urteil ver­än­derte den Fuß­ball — und gilt nur für die EU. Würde der Brexit ab sofort gelten, würden also inner­halb Eng­lands wieder Ablö­se­summen anfallen für wech­sel­wil­lige Spieler. Abge­lau­fener Ver­trag hin oder her. Schwierig würde es werden, sollte ein Spieler aus Eng­land nach Ablauf seines Ver­trages zu einem Klub inner­halb der EU wech­seln wollen. Auf der einen Seite würde die Bosman-Regel schließ­lich gelten, auf der anderen nicht.

Arbei­ter­kämpfer“: Hier geht’s zum Artikel über Jean-Marc Bosman »>

Aber auch hier gilt: Kommt Zeit, kommt Rat. Schwer vor­stellbar, dass der eng­li­sche Ver­band nicht eine ähn­liche Ver­fah­rens­form eta­bliert.