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Wenn ein Viert­li­gist seinen ohnehin kom­for­ta­blen Vor­sprung an der Tabel­len­spitze noch mal um drei Punkte aus­baut, dann macht das selten bun­des­weit Schlag­zeilen. Doch ges­tern war das anders. Ges­tern fuhr Waldhof Mann­heim näm­lich einen Sieg ein, für den es zwar auch nur drei Punkte gibt, der aber wegen des Geg­ners trotzdem auf­hor­chen lässt. Denn der Gegner ist der DFB.

Das Duell zwi­schen den unglei­chen Kon­tra­henten begann vor zehn Monaten. Im zweiten Rele­ga­ti­ons­spiel um den Auf­stieg zwi­schen Mann­heim und Uer­dingen kam es zu so schweren Aus­schrei­tungen, für die Waldhof-Fans ver­ant­wort­lich waren, dass die Partie abge­bro­chen wurde. Im Juni for­derte der DFB-Kon­troll­aus­schuss eine sehr harte Strafe – den Abzug von neun Punkten zur neuen Saison.

Im Juli fand eine münd­liche Ver­hand­lung vor dem DFB-Sport­ge­richt statt. Dort wurde der Punkt­abzug zwar redu­ziert, doch wegen des schuld­haften Her­bei­füh­rens eines Spiel­ab­bruchs in Tat­ein­heit mit nicht aus­rei­chendem Ord­nungs­dienst, in wei­terer Tat­ein­heit mit einem fort­ge­setzten unsport­li­chen Ver­halten seiner Anhänger sowie wegen eines wei­teren Falles eines unsport­li­chen Ver­hal­tens seiner Anhänger“ sollte der SV Waldhof mit einem Minus von drei Zäh­lern in die Saison starten. Dagegen wehrte sich der Klub und zog vor ein ordent­li­ches Gericht.

Nur der Schul­dige soll büßen

Und dort – genauer: vor dem Land­ge­richt Frankfurt/​Main – bekam der Verein nun von Richter Richard Kästner recht. Die 6. Zivil­kammer erklärte den Punkt­abzug für unwirksam. Zwar ist dieses Urteil noch nicht rechts­kräftig, weil der DFB Beru­fung ein­legen kann und wohl auch wird, doch höchst bemer­kens­wert ist der Vor­gang auch jetzt schon. Und zwar wegen Käst­ners Begrün­dung. Oder besser: wegen der zwei Begrün­dungen.

Da ist zum einen der simple Grund­satz, dass für eine Tat nur der Schul­dige zu büßen hat. Kästner drückte das ein wenig alt­ba­cken, aber trotzdem ein­leuch­tend aus, indem er auf die Spieler ver­wies, die nach hartem Trai­ning in einem fairen Spiel alles daran setzen, einen Sieg zu erringen, die um den Auf­stieg in eine höhere Liga kämpfen, und die unmit­telbar für die Vor­fälle nicht ver­ant­wort­lich sind.“ Anders gesagt: Warum soll ein Fuß­baller in seiner Berufs­aus­übung Nach­teile erleiden, weil ein ihm unbe­kannter Fan sich daneben benommen hat?

Auf diesen Aspekt des Urteils kon­zen­trierten sich die meisten Kom­men­tare. Das ist ver­ständ­lich, denn das Thema Kol­lek­tiv­strafen sorgt schon seit Jahren für hit­zige Dis­kus­sionen. Das Rhein-Neckar Fern­sehen sprach des­wegen von einer Signal­wir­kung“ und sagte, das Urteil könnte an den Grund­festen der Sport­ge­richts­bar­keit rüt­teln“. Das stimmt zwar, hat aber vor allem mit der zweiten Argu­men­ta­ti­ons­kette zu tun, die Richter Kästner auf­baute. Er sagte: Punkt­abzug ver­fälscht den sport­li­chen Wett­be­werb. Diesen in fairer Weise zu för­dern, ist oberster Sat­zungs­zweck des DFB. Ein Punkt­abzug ist daher in aller Regel nur gerecht­fer­tigt, wenn er dazu dient, einen unbe­rech­tigt oder in sons­tiger Weise unfair erlangten Vor­teil wieder rück­gängig zu machen.“

Soll heißen: Punkte darf man nur dann abziehen, wenn sie ergau­nert wurden. Hier betrat der Richter ein Ter­rain, auf dem der DFB schon seit län­gerem ver­zwei­felte Rück­zugs­ge­fechte führt, näm­lich das The­men­ge­biet der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit. Man wirft dem DFB ja gerne vor, dass er will­kür­lich und oft auch arro­gant han­delt oder urteilt. (Letz­teren Vor­wurf muss sich ein Ver­band wahr­schein­lich gefallen lassen, der ohne Rechts­ver­treter zur Urteils­ver­kün­dung in Frank­furt erscheint.) Nun hat das ein Gericht bestä­tigt.

Auch Wil­helms­haven kämpft weiter

Und es ist ja nicht das erste Mal. Der SV Wil­helms­haven kämpft wei­terhin mit erstaun­li­cher Beharr­lich­keit gegen seinen Zwangs­ab­stieg aus dem Jahre 2014. Das war damals die Strafe dafür, dass der Klub sich wei­gerte, eine Aus­bil­dungs­ent­schä­di­gung für einen Argen­ti­nier mit ita­lie­ni­schem Pass zu zahlen. Der SVW gewann sowohl vor dem Ober­lan­des­ge­richt Bremen als auch vor dem Bun­des­ge­richtshof. Bei diesen beiden schweren Nie­der­lagen hatte der DFB sogar noch Glück, denn das erste Urteil wurde damit begründet, dass eine solche Ent­schä­di­gung gegen EU-Recht ver­stößt, das zweite damit, dass die Regeln des Nord­deut­schen Fuß­ball-Ver­bandes einen Zwangs­ab­stieg gar nicht vor­sahen. 

Doch auch in diesem Fall hätte die Ver­hält­nis­mä­ßig­keit schon zum Thema werden können. Denn selbst wenn Wil­helms­haven schuldig gewesen wäre, durfte man damals schon bezwei­feln, um es mit den Worten von Richter Richard Kästner aus­zu­drü­cken, dass der Klub sich einen solch großen unfairen Vor­teil ver­schafft hatte, dass die größt­mög­liche Ver­fäl­schung des sport­li­chen Wett­be­werbs eine ange­mes­sene Strafe dar­stellte. Aber auf­ge­schoben ist nicht auf­ge­hoben. Spä­tes­tens jetzt, so scheint es, muss der DFB sich end­lich mal selbst fragen, ob er in seiner Gerichts­bar­keit wirk­lich all­ge­mein gül­tigen Grund­sätzen folgt – oder immer nur aus dem Bauch heraus ent­scheidet.

Aber viel­leicht sitzt er die Sache auch ein­fach wieder aus. Als Michael Morsch von der DFB-Pres­se­stelle nach dem Urteil um eine Stel­lung­nahme gebeten wurde, sagte er ledig­lich: Das Urteil gibt nicht unsere Rechts­auf­fass­sung wieder.“ Eben sie scheint ja das Pro­blem zu sein.