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Seite 2: Wie ein Streitgespräch zwischen Friedrich Nietzsche und Mario Barth

Nach dem Abpfiff der obli­ga­to­ri­sche Wett­be­werb, wer als erster Wo ist hier der Puff?“ brüllen kann. Meis­tens mit nur einem Teil­nehmer, der hält sich dann aber für den ori­gi­nellsten Witz­bold des Pla­neten. Ein letzter ver­ächt­li­cher Blick in das Scheiß­sta­dion“. Nur für das finale Tri­umph­ge­fühl der Über­le­gen­heit. Dann geht es auf den Heimweg.

Die ganz große Magie einer Aus­wärts­fahrt liegt in der Rück­fahrt. Der Mensch erreicht nir­gendwo sonst einen so merk­wür­digen Aggre­gat­zu­stand wie auf einer Aus­wärts-Rück­fahrt. Das Bier ist alle, die Stimm­bänder stra­pa­ziert, die Endor­phine aus­ge­schüttet, der Geist leer, aber der Tag noch nicht vorbei. Jeder nor­male Säufer würde zu Bett gehen, für den Aus­wärts­fahrer kommt das erst in ein paar Stunden in Frage. Das stun­den­lange Auf­ein­an­d­er­ho­cken im gleich­zeitig ver­ka­tert und besof­fenen Zustand führt zu den absur­desten Gesprächs­kon­stel­la­tionen und Themen. Dumm­ge­sof­fene Teen­ager unter­halten sich mit kan­ten­ar­tigen Schlä­ger­typen über Salat­dres­sing, halb­starke Jog­ging­ho­sen­träger spre­chen über die Vor­züge von Fiel­mann-Brillen und Alt­hauer nutzen jede Vor­bei­fahrt an Regio­nal­bahn­höfen, um von Backen­futter“ zu berichten, das sie dort einst wahl­weise ver­teilten oder kas­sierten. Ob das ihre Zuhörer inter­es­siert oder über­haupt Zuhörer exis­tieren ist ihnen völlig egal. Aus­wärts­fahrten sind wie ein Streit­ge­spräch zwi­schen Fried­rich Nietz­sche und Mario Barth. Das Niveau ist ambi­va­lent. Ein Typ mit selbst-gestrickten Schal lallt stun­den­lang Wer hat am Ende nichts zu feiern? FC Bayern!“ durch den Zug. Zwei Jugend­liche ver­su­chen sich im Schnupf­ta­bak­konsum. 

Aus­wärts­fahrten sind wie ein Streit­ge­spräch zwi­schen Fried­rich Nietz­sche und Mario Barth. Das Niveau ist ambi­va­lent.“

Am hei­mi­schen Bahnhof noch ein letztes Mal auf­bäumen. Auch die Daheim­ge­blie­benen müssen schließ­lich erfahren, wel­chem Verein man Leb­lo­sig­keit wünscht und starke Gefühle der Ableh­nung ent­ge­gen­bringt. Dann hat auch der Fuß­ballfan seine Ruhe­pause.

Am 8. März wussten die meisten Fans noch nicht, dass ihre Ruhe­pause nicht die übli­chen 14 Tage, son­dern eher ein Jahr dauern würde. Das mag der Leber des einen oder der anderen zu Gute kommen, der Seele aber nicht. Für letz­tere bleibt nur der Aus­blick. Denn irgend­wann werden die Gäs­te­blöcke wieder öffnen.

Dann werden wir die gast­ge­benden Land­wirte auf­for­dern, sich auf Grund der eigenen Ankunft auf die Knie zu begeben, dann werden wir der Heim­mann­schaft beim Ein­rufen der Mann­schafts­auf­stel­lung unter­stellen, dass sie alle den selben Rektal-Fami­li­en­namen tragen. Dann werden wir die eigene Anwe­sen­heit wieder mit lauten Aus­rufen der Freude an die Beton­wände der Bahn­höfe der Repu­blik brüllen. Wir werden unseren Hass auf der Heim­seite aus­kü­beln und die Heim­seite wird Hass über uns aus­kü­beln. Und para­do­xer­weise werden sich alle dar­über freuen. Es ist wun­derbar, dass ihr wieder da seid. Wir lieben unseren Feind. Wir haben Gäste so schmerz­lich ver­misst!