30.000 Tote und Spiele unter Raketenbeschuss: 1994 verlor Qarabag Agdam im Krieg seine Heimat, die Stadt gleicht seither einer Geisterstadt. Aslan Kerimow war mittendrin.
1994 etwa siedelte ihn der Fußballverband in Ali Bayramli an, einer Stadt in Zentral-Aserbaidschan. „Das war ein großer Fehler, die Leute dort wollten uns nicht“, sagt Kerimow. „Sie haben uns als Flüchtlinge abschätzig behandelt und gesagt, dass wir verschwinden sollten. Einige haben uns sogar als Verräter bezeichnet, weil wir Karabach den Armeniern überlassen hätten. Vor allem für meine Mannschaftskameraden, die aus Agdam kamen, war das die schlimmste Beleidigung, die man sich vorstellen kann.“
Ihr Leben bleibt provisorisch
So war es eine Erlösung für den Klub, als er über den Umweg Baku nach Sumgait weiterziehen durfte, wo einige Tausend Flüchtlinge lebten. Noch heute, fast zwei Jahrzehnte nach dem Waffenstillstand, warten fast eine halbe Million Vertriebene aus Nagorny Karabach in behelfsmäßigen Baracken auf einen offiziellen Friedensschluss. Und weil es diesen noch nicht gibt, muss ihr Leben provisorisch bleiben. Denn würden sie sich fest einrichten, so behauptet die Politik ihres Landes, würde man seine Ansprüche in Nagorny Karabach aufgeben.
Fußballfans auf der ganzen Welt lieben die Kämpfer auf dem Rasen, und Aslan Kerimow war einer, der seine Zweikämpfe so entschlossen führte, dass die auf den Tribünen ihn „den Löwen“ nannten. Aus dem scheuen Jungen war längst einer dieser unauffällig verlässlichen Anführer auf dem Platz geworden, einer wie Paolo Maldini oder Phillip Cocu. 1997 kam er mit seiner Mannschaft dem Titel wieder ganz nahe, doch letztlich schloss Kerimows Mannschaft die Meisterschaftsrunde nur als Zweiter ab.
„Der FK Qarabag war Teil meines Lebens geworden“
Dafür durfte die Mannschaft erstmals international spielen, und ihr gelang sogar der erste Sieg einer Mannschaft aus Aserbaidschan im Europapokal, auch wenn sie schließlich im Elfmeterschießen gegen die Finnen von MyPa ausschied.
Doch da hatte Kerimow seinen Klub bereits verlassen. „Der FK Qarabag war zwar Teil meines Lebens geworden, aber ich musste gehen, weil es damals keinen Sponsor und kein Geld mehr gab“, sagt er. So gewann er bei drei anderen Klubs in Aserbaidschan fünf Titel, versuchte sich kurz in der russischen Profiliga, kehrte 2003 aber schließlich zu seinem Klub zurück, nachdem er dort eine Meisterfeier verpasst hatte.
Der zweite Titelgewinn wurde offiziell nie anerkannt
Obwohl, eine richtige Meisterschaft war das nicht. Der FK Qarabag hatte aus Protest gegen die weitverbreitete Korruption im Fußballverband von Aserbaidschan gemeinsam mit den anderen Klubs der ersten Liga eine selbstorganisierte Runde gespielt und als Sieger beendet. Der zweite Titelgewinn nach 1993 wurde offiziell nie anerkannt.
Auch nach seiner Rückkehr ging Kerimows Karriere im Nationalteam weiter, bei seinem Abschied 2008 war er mit 74 Spielen Rekordnationalspieler. Im Januar des gleichen Jahres hatte Aserbaidschans Präsident Ilham Aliyev, Kopf eines autoritären Regimes, ein neues Stadion in Guzanli eröffnet.