Wir bauen unsere Seite für dich um. Klicke hier für mehr Informationen.

Seite 2: Der Kampf um die Deutungshoheit

Wollte der Verein also durch eine eigene Ver­öf­fent­li­chung etwa­igen schlechten Schlag­zeilen zuvor­kommen? In den Kom­men­tar­spalten jeden­falls äußern sich viele Fans der Eisernen, schreiben Sätze wie Super Ant­wort von Union. Es gibt halt auch dre­ckigen Jour­na­lismus und Neider… wir Unioner sind eine Familie“, Riesen Sauerei was sich manche Schrei­ber­linge so heraus nehmen“, Nicht ver­ste­cken, klar ent­gegen treten! So werden auch die letzten Neider abge­wehrt“. Gäbe es einen Kampf um die Deu­tungs­ho­heit, Union Berlin hätte die erste Schlacht gewonnen.

Neid? Dre­ckiger Jour­na­lismus? Sind Buzzfeed und MAZ im schlimmsten Fall einer Gruppe von aus­sor­tieren Spie­lern auf den Leim gegangen, die nun den Verein beschul­digen, ein Ras­sis­mus­pro­blem zu haben, das es gar nicht gibt, das aber auch nur schwer zu wider­legen ist? Daniel Drepper, Chef­re­dak­teur von Buzzfeed, ist sich der Gefahr bewusst und anderer Mei­nung. Wir haben ganz lange über diesen Aspekt gespro­chen. Weil zu Anfang nicht klar war, ob das nur eine Hand­voll frus­trierter Leute ist oder ob sich ein wie­der­keh­rendes Muster erkennen lässt.“ Doch nach den Gesprä­chen ist für ihn und die Redak­tion klar, dass sich der Vor­wurf halten lässt. Auch wenn wir keine schrift­li­chen Belege für beson­dere Ver­hal­tens­weisen haben, sind mehr als 30 Gesprächs­per­sonen, die immer wieder sehr ähn­liche Vor­gänge und sehr ähn­liche Erleb­nisse schil­dern – die das sehr glaub­würdig und unab­hängig von­ein­ander tun – die sich teil­weise gar nicht kennen und keine homo­gene Gruppe sind, ein klares Zei­chen für uns, dass sich hier eine dif­fe­ren­zierte Geschichte auf­schreiben lässt.“

Imago0033037148h

Früher war André Hof­schneider (links) Chef­trainer bei Union. Seit er Chef­coach im NLZ ist, ist der Anteil von Jugend­spie­lern mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund dras­tisch zurück­ge­gangen. Zufall?

Imago Images

Das ist mög­li­cher­weise die span­nendste Frage: Wann ist ein Vor­wurf so hart, dass es keine wei­teren Belege braucht, um damit an die Öffent­lich­keit zu gehen? Anders als im Fall der ras­sis­ti­schen Vor­fälle am Campus des FC Bayern, liegen den Jour­na­listen von BuzzFeed und MAZ zum Bei­spiel keine ein­deu­tigen Chat­nach­richten vor. Keine Beweise, die schwarz auf weiß belegen würden, dass ein sol­ches Pro­blem auch bei Union Berlin exis­tiere. Pres­se­spre­cher Chris­tian Arbeit sagt: Am Ende der Recherche reicht es aus, Vor­würfe zu erheben, ohne kon­krete Beweise vor­zu­legen? Das finde ich per­fide.“

Was aber ist mit der dras­tisch gefal­lenen Quote von tür­kisch- und ara­bisch­stäm­migen Spie­lern in den Jugend­ka­dern von Union Berlin? Im Sommer 2018, vor dem Amts­an­tritt von André Hof­schneider, ver­fügten 19 von 45 Jugend­li­chen der Jahr­gänge 2003/04 über einen sol­chen Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Im Sommer 2020 sind es nur noch 3 von 30 Spie­lern. Die Quote ist von über 40 auf zehn Pro­zent gefallen. Zufall oder Beleg? Nur wenn ich davon aus­gehe, dass das eine rele­vante Größe ist“, sagt Chris­tian Arbeit. Abge­sehen davon wird hier nur ein sehr kurzer Zeit­raum betrachtet.“ Es ließe sich dagegen halten, dass hierbei ja eben genau die Amts­zeit von André Hof­schneider betrachtet wird. Und dass eine Ver­än­de­rung von 40 auf zehn Pro­zent in zwei Jahren sogar bei der SPD für Dis­kus­si­ons­be­darf sorgen würde – bei Union Berlin sieht man das aber offenbar anders.

Ein sol­ches Vor­gehen ist jedoch bereits durch die Ver­eins­sat­zung aus­ge­schlossen“

Hat Horst Seehofer nicht gesagt

Für Ver­wun­de­rung sorgte die Argu­men­ta­tion von Union Berlin: Ein sol­ches Vor­gehen ist jedoch bereits durch die Ver­eins­sat­zung aus­ge­schlossen, gemäß derer der Verein demo­kra­ti­schen und huma­nis­ti­schen Grund­werten ver­pflichtet‘ ist.“ So steht es in der ersten Pres­se­mit­tei­lung. Ras­sismus unmög­lich, weil Ras­sismus schon in der Sat­zung aus­ge­schlossen wird? Eine Argu­men­ta­ti­ons­weise, die schon bei Innen­mi­nister Horst See­hofer, als der eine Ras­sis­mus­studie bei der Polizei ablehnte, für reich­lich Kopf­schüt­teln gesorgt hatte.

Chris­tian Arbeit argu­men­tiert: Man kann ja durch­gehen, welche Spieler in den letzten Jahren den Pro­fi­be­reich erreicht haben: Dar­unter waren Mau­rice Opfer­mann Arcones, Deutsch-Spa­nier. Berkan Taz und Cihan Kahr­aman, beide tür­ki­scher Abstam­mung, Fisnik Asllani ist Koso­vare. Mit Len­nard Mal­oney hat ein Deutsch-Ame­ri­kaner sein Profi-Debüt bei uns gegeben.“ Auch das erin­nert an die beliebte Aus­flucht, man könne kein Ras­sist sein, einige der besten Freunde seien schließ­lich Aus­länder. Zumal Opfer­mann Arcones, Asllani oder Mal­oney auf­grund ihrer Her­kunft nicht in die Recherche ein­be­zogen worden wären. Und als Deutsch-Spa­nier, Koso­varen oder Deutsch-Ame­ri­kaner ohnehin weitaus sel­tener mit Ras­sismus kon­fron­tiert werden dürften.

Ist das noch nicht nett oder schon Dis­kri­mi­nie­rung?

Warum also weist Union Berlin den Ver­dacht so scharf von sich? Daniel Drepper sagt: Uns war wichtig, dass wir den dis­kri­mi­nie­renden und den schwie­rigen Umgang in den Vor­der­grund stellen und nicht durch­gängig die Ras­sis­mus­keule schwingen.“ Wie also wird in einem Verein mit­ein­ander gespro­chen? Wie sen­sibel sollte mit Kin­dern und Jugend­li­chen in einem leis­tungs­ori­en­tierten Umfeld umge­gangen werden? Chris­tian Arbeit sagt: Leis­tungs­fuß­ball bedeutet, sich durch­zu­setzen gegen andere. Da kann es auch mal rau oder weniger nett zugehen.“ Ein Satz, den ver­mut­lich viele Akteure im deut­schen Jugend­leis­tungs­fuß­ball unter­schrieben würden.

Drepper jeden­falls ist von der Recherche seiner Redak­tion über­zeugt. Er meint, viele Ant­worten des Bun­des­li­gisten im Fra­gen­ka­talog würden vom Thema ablenken. Eine Frage, ob sich der Umgangston mit der Instal­la­tion von André Hof­schneider als NLZ-Chef­trainer ver­än­dert habe – die Redak­tion nennt an dieser Stelle meh­rere Bei­spiele – beant­wortet der Klub wie folgt: Zu einem per­sön­li­chen Gespräch über die vor­ge­tra­genen Themen mit Per­sonen, die diese Anschul­di­gungen erheben, stehen der ver­ant­wort­liche Geschäfts­führer, Lutz Munack, und der Leiter des Nach­wuchs­leis­tungs­zen­trums, Janek Kampa jeder­zeit zur Ver­fü­gung.“

Wer muss hier wem was beweisen?

Drepper sagt: Es waren genug Hin­weise, um zu sagen: Es war nicht ein­fach in den letzten drei Jahren für Kinder mit Migra­ti­ons­hin­ter­grund. Und dass das auf die eh schon harte Umgangs­weise oben­drauf gekommen ist.“ Ob das stimmt? Es scheint, als stünde aktuell zumin­dest Aus­sage gegen Aus­sage. Wich­tiger sei der Buzzfeed-Redak­tion ohnehin, die Dis­kre­panz zwi­schen den hohen Erwar­tungen hoff­nungs­voller Jugend­spieler, der päd­ago­gi­schen Betreuung und dem harten Aus­siebungs­pro­zess der Bun­des­li­gisten zu the­ma­ti­sieren.

Chris­tian Arbeit, als Spre­cher des Ver­eins, wehrt sich gegen Vor­würfe dieser Art. Er betont, es sei unmög­lich, zu beweisen, dass etwas nicht gesagt wurde und er stellt klar: Wir sind ver­ant­wort­lich dafür, wie es unseren Mit­ar­bei­tern und den uns anver­trauten Kin­dern und Jugend­li­chen geht.“ Die Frage ist nur, ob das auch für die Kinder und Jugend­li­chen gilt, die schon aus­sor­tiert wurden.

-