Sammer findet das Haar in der Suppe, Simmons zimmert sich zum Tor des Jahres, Adler ist der traurigste Mensch in der Allianz-Arena. Unsere Elf des Spieltags.
René Adler
René Adler, soviel ist sicher, spielt eine Bombensaison. Nach der verpassten WM 2010, langwierigen Verletzungssorgen und der Ausbootung bei Leverkusen scheint der Torwart sein Glück in Hamburg wiedergefunden zu haben. Am Samstag lief es allerdings nicht so gut, 2:9 hieß es am Ende gegen gnadenlose Bayern. Ein eher ungewöhnliches Ergebnis, spielt man oberhalb der Kreisklasse C. Adler war allerdings an keinem der Gegentore Schuld, mit einem weniger fähigen HSV-Keeper wäre es wahrscheinlich noch hässlicher geworden. Seine Nominierung für die Elf des Spieltags ist daher, wir sind ja Menschenfreunde, durchaus ein Zeichen des Mitgefühls. Adler war am Samstag sicherlich der bedauernswerteste und einsamste Mensch in der Allianz Arena – sieht man mal von den traurigen Gestalten ab, die sich weiße Capes anziehen, um auf der Haupttribüne der Arena ein Sponsoren-Logo formen. Aber um die geht es hier ja nicht. Also, René: Das war nicht deine Schuld. Wir glauben an dich.
Georg Niedermeier
Der Award für die gestrecktesten Beine des Spieltags geht diesmal an Georg Niedermeier, der beharrlich und mit der Körperspannung einer Stihl-Kettensäge durch die Reihen der Dortmunder senste. Damit brach Niedermäher, äh, Niedermeier zwar keine Beine, immerhin aber die Regeln, weshalb er erst ermahnt, dann verwarnt und schließlich vom Platz gestellt wurde. Besonders das dritte Foul gilt es zu erwähnen, bei dem Niedermeier versuchte, Mario Götze in zweizuteilen, um dann, als Götze hochgesprungen und Niedermeier vor Empörung an die Backe gelangt hatte, eine Pirouette am Boden zu drehen, sich das schwer verletzte Gesicht zu halten und zu schreien, als haben die Dortmunder ihn gerade auf dem DFB-Pokal gepfählt. Half alles nichts, der kernige Bayer musste vom Platz, trat schimpfend gegen eine Werbebande, schubste Coach Labbadia zur Seite und grätschte in den Katakomben wahrscheinlich den ein oder anderen Ordner um. Später vor den Kameras war er dann wieder völlig gesammelt. And the Oscar goes to…
Assani Lukimya
Eigentlich sollte hier Adam Szalai stehen, denn schließlich war er es, der nach handgestoppten zwölf Sekunden das drittschnellste Tor der Ligageschichte schoss. Ein Treffer, der allerdings niemals gefallen wäre, wenn der im Körper eines Türstehers gefangene Bremer Innenverteidiger Assani Lukimya den harmlosen Rückpass nach dem Anstoß seiner Mannschaft irgendwo anders hingeschossen, hingepasst oder von uns aus auch einfach in die Hand genommen und vom Platz gegangen wäre. Lukimya aber verdaddelte den Ball an Andreas Ivanschitz, der nur noch in den Sechzehner querlegen musste, wo Szalai freundlich Danke sagte und sich kurz in die Geschichtsbücher eintrug.
Max Kruse
Kommen wir zu den Geschichten, wo nur der Fußball schreibt und die in der Regel mit „ausgerechnet xy…“ eingeleitet werden: Ausgerechnet Max Kruse. Augerechnet Kruse schoss nämlich am Samstag beide Tore zum 2:0 Sieg seiner Freiburger über Borussia Mönchengladbach und damit ausgerechnet gegen den Klub, bei dem ausgerechnet Kruse ab Sommer unter Vertrag steht. Ausgerechnet Kruse, heißt es seither so beharrlich in der Berichterstattung, dass man meinen könnte, Kruse hieße mit Vornamen so. Mit seinem Doppelpack hat Ausgerechnet Kruse übrigens die Chancen geschmälert, mit seinem neuen Verein international zu spielen, sein baldiger Ex-Klub ist hingegen auf dem besten Wege in den Europacup. Ausgerechnet Kruse, verrückt. Das sind Geschichten, wo nur… ach, lassen wir das.
Konstantin Rausch
Wer wissen möchte, wie man Spiele gewinnt, obwohl der Gegner in allen Bereichen überlegen ist, der sollte mal bei Hannovers Konstantin Rausch nachfragen. Dem glückte nämlich das Kunststück, in einem Spiel, in dem 96 absolut überhaupt kein Land sah, seinen ersten Doppelpack zu schnüren und das Spiel so quasi alleine nach Hause zu fahren. Eine lobende Erwähnung ist uns vor allem das zweite Tor wert, bei dem Rausch den herauseilenden Augsburger Keeper geschmeidig überlupfte.
Stefan Kießling
Ob Stefan Kießling ab und an mit Martin Max telefoniert? Ob sie ein wenig quatschen und Max nach einer Weile fragt: „Du, Stefan, ist etwas nicht in Ordnung?“ Und Kießling dann ein wenig stockt und schließlich sagt: „Ach, Martin, diese ganze Nationalmannschaftssache…“. Und ob Max dann väterliche Worte des Trostes findet? Dass man nicht aufgeben darf? Dass man einfach versuchen muss, immer sein Bestes zu geben? Das man bestimmt irgendwann gerecht belohnt wird? So Sachen? Und ob beiden dann ein wenig weinen? Wahrscheinlich nicht. Wir wissen es nicht. Aber was wir wissen: Wir nominieren Stefan Kießling. Wieder und wieder. Er hat es verdient.
Claudio Pizarro
Was soll man zu den Bayern im Jahr 2013 noch schreiben? Wie sehr sie überlegen sind, sieht man auch daran, dass sie Leute wie Claudio Pizarro im Kader haben aber quasi nie spielen lassen. Darf der Peruaner dann doch ran, immerhin der beste ausländische Torschütze der Ligageschichte, bombt er, als hätte er nie was anderes getan. Was ja streng genommen auch der Fall ist. Und während in Bremen das Trikot mir dem Pizarro-Schriftzug wahrscheinlich immer noch der Top-Seller im Fanshop ist und sich die Führungsriege in die Werder-Sweater weint, gibt Pizarro den entspannten Trainings-Sparringspartner und Feierabendfußballer, der vierfach trifft. Wenn man ihn mal lässt.
Timmy Simmons
Nürnbergs Timmy Simmons ist die Art Fußballer, deren Spiel man gemeinhin mit Attributen wie „solide“ oder „verlässlich“ versieht. Durch seine Erfahrung von über 400 Profispielen könnte man noch ein „Haudegen“ anfügen und so mit Fug und Recht behaupten: Timmy Simmons ist ein solider und verlässlicher Haudegen. Manchen reicht das, Nürnbergs Mittelfeldmann anscheinend nicht. Nach einer abgewehrten Ecke gab der Belgier kurz seine Bewerbung zum Tor des Jahres ab, als er den Abpraller aus gefühlten 35 Metern spektakulär in den Winkel zimmerte. Der Mann kann also auch anders.
Alexander Meier
„Torflauten-Meier“, spöttelte der „Sky“-Kommentator und wurde nicht müde, Alexander Meiers Torflaute minütlich zu erwähnen. Vielleicht hat auch Meier die steten Sticheleien im kleine Fürther Stadion hören können oder es wurde ihm in der Kabine davon erzählt, in jedem Falle reichte es Meier irgendwann und er beendete die Torflaute nach über 700 Minuten mit einem satten Fernschuss. Woraufhin Torflauten-Meier in Rekrodzeit wieder zu Tor-Meier wurde und Eintracht Frankfurt mal wieder ein Spiel gewann. Während bei „Sky“ wahrscheinlich schon wieder die Minuten gezählt werden.
Matthias Sammer
So langsam dämmert uns, warum die Bayern dieses Jahr so eklig dominant sind. Es liegt an Matthias Sammer. Seit Monaten spaziert der FCB durch die Liga und demütigt seine Nicht-Gegner, Sammer scheint trotzdem latent unzufrieden und ja, oft auch ein wenig wütend zu sein. Nachdem der Rekordmeister am Samstag den HSV mit rekordverdächtigen 9:2 vermöbelt hatte, stellte sich Sammer vor die Kameras und meckerte mit starrem Blick und der fahlen Haut des Wutbürgers über die kassierten Gegentore. Da war das Spiel schon eine Weile vorbei und man kann sich nur ausmalen, was sich die Abwehrspieler nach Abpfiff anhören mussten. Wahrscheinlich sind die Spieler schon morgens beim Frühstück hochkonzentriert, immer in Sorge, dass ein strafender Sammer hinter ihnen auftaucht und seinen kalten Zorn über ihnen ausgießt, wenn sie den Kaffee verschütten oder das Marmeladenglas nicht zudrehen. Andererseits: Sammers Motzkihaftigkeit trägt Früchte, denn wann waren die Bayern schon mal ähnlich dominant?
Christian Streich
Freiburgs Trainer ist mittlerweile Dauergast in unserer Liste, was in erster Linie an seiner liebenswerten Kauzigkeit liegt und an der Tatsache, dass Streich über einen feinsinnigen Humor verfügt. Der drohende Ausverkauf seiner Freiburger Erfolgself scheint den Coach aber zu nerven, weshalb er sich vor dem Spiel gegen Gladbach genötigt sah, die Vorzüge des SCF zu benennen. „Seggsi“, sei man. Also nicht er selber, aber der Verein. „E bissle seggsi“, zumindest. Duftkerzenaroma und Barry-White-Hits erfüllen die Redaktion, die Tigerfelle werden ausgerollt. Niemals wurde sexy so sexy ausgesprochen.