„Ich musste eine Entscheidung treffen. Will ich in den letzten fünf Jahren meiner Karriere nochmal Geld verdienen oder folge ich meinem Herzen?“
Shay Aharon entschied sich für das Herz. Das war zum Ende der Saison 2009/2010. Er war der Top-Scorer der zweiten israelischen Liga, ehe er zum Spielertrainer seines damaligen Vereins Hapoel Jerusalem berufen wurde. Die Fans verehrten ihn als Legende, der Weg schien vorgezeichnet. Und doch wechselte Shay Aharon zu Hapoel Katamon Jerusalem in die vierte Liga. Und folgte damit einem eingeschworenen Haufen enttäuschter Fans.
Drei Jahre zuvor, 2007. Nach einer katastrophalen Saison steigt Hapoel Jerusalem als Vorletzter in die dritte Liga ab. Schlimmer als die sportlichen Leistungen war nur noch das Verhältnis zwischen den Fans und der Vereinsführung. Und auch die beiden Klubbesitzer, Yossi Sassi und Victor Yona, zerstritten sich untereinander, stoppten deshalb alle Investitionen. Der Schuldenberg wuchs, die Nachwuchsarbeit wurde quasi eingestellt, die Fans ignoriert.
Etwas Besseres verdient
So blieben bei einem der wichtigsten Spiele über 2.000 Fans vor den verschlossenen Toren des Stadions stehen. Der Verein hatte die Sicherheitsfirma nicht bezahlt, die Polizei ließ die Fans daraufhin nicht passieren. Für den Journalisten Uri Sheradski war das zu viel: „Der Fußball, Jerusalem und auch meine Kinder – sie hatten alle etwas Besseres verdient.“
Gemeinsam mit anderen Fans versuchte er zunächst, Hapoel Katamon zu kaufen. Als die Besitzer dies ablehnten, kauften sie stattdessen den Viertligisten Hapoel Mevasseret Zion/Abu Ghosh – quasi als Übergangslösung. Aber auch dort wurden sie nicht glücklich, weshalb sie 2009 schließlich Hapoel Katamon Jerusalem gründeten. Es war der erste von Fans geführte Verein Israels.
Frauenfußball und Sprachkurse
In den nächsten Jahren zeigten diese Fans, dass sie in Sachen Vereinsführung deutlich besser waren als die Geschäftsleute bei Hapoel Jerusalem. Ihr Verein stieg dreimal hintereinander auf und spielte bereits in der Saison 2013/14 mit Hapoel Jerusalem zusammen in der zweiten Liga.
Spieler wie Shay Aharon überzeugte damals aber nicht nur die sportliche Perspektive – es ging auch um die Werte, für die Hapoel Katamon steht. „Ich wollte etwas Bedeutendes machen. Für meine Kinder, für die Stadt Jerusalem und für die Fans von Hapoel. Es war keine einfache Entscheidung, aber ich schloss mich diesen Träumern an. Ich wollte meinen Kindern ein besseres Jerusalem hinterlassen.“
Auch wenn Hapoel Katamon Jerusalem inzwischen um den Aufstieg in die erste Liga kämpft, ist der Profifußball nicht das Wichtigste im Verein. Mindestens genauso viel Kraft steckt der Klub in sein soziales Engagement. So veranstaltet Hapoel Katamon regelmäßig Spiele mit geistig behinderten Kindern, gründete die erste Mädchen- und Frauenfußballmannschaft Jerusalems und bietet Sprachkurse an, damit sich Araber und Juden auf dem Platz besser verstehen. Und auch die Spieler der ersten Mannschaft sind aufgefordert, sich zu engagieren. Mehr noch, es steht sogar in ihren Profi-Verträgen.