Sie pflegen eine tiefe Rivalität, aber dieses Thema eint sie: Fanszenen im Osten wehren sich gegen die Reduzierung von Gästekontingenten. Am Samstag demonstrieren sie in Magdeburg.
Als sich Dynamo Dresden 2014 aus der zweiten Liga verabschiedete, boten sich Bilder, die das ganze Elend eines Abstiegs zeigten.
Stürmer Robert Koch stammelte noch „bitterster Moment meiner Karriere“ ins Mikrofon, ehe Tränen sein Gesicht überzogen. Andere lagen nach dem 2:3 gegen Arminia Bielefeld auf dem Rasen und weinten, während um sie herum Böller explodierten. Schon während des Spiels zeigten die Dynamo-Fans ihren Spielern das Plakat „Ihr habt eine Stunde unsere Stadt zu verlassen“. Es war ein hässlicher Nachmittag.
Nach zwei Spielzeiten in der dritten Liga steht Dynamo gerade kurz davor, wieder aufzusteigen. Zehn Punkte Vorsprung hat Dresden auf den Tabellenzweiten, perfekt werden könnte der Aufstieg beim Erzrivalen Magdeburg Mitte April. Womöglich aber ohne diejenigen, die jeden Aufstieg zu einem prägenden Moment der Vereinschronik machen: den eigenen Anhang.
Bisher fehlt die Zusage, dass Dynamo Dresden bei diesem Spiel sein Gästekontingent erhalten wird. „Dynamo steigt auf und wir sollen nicht dabei sein“, schrieben die Ultras auf ihrer Website. Vom „Raub des Glücks“ war die Rede.
Gastvereine von der ersten bis zur dritten Liga haben ein Anrecht auf zehn Prozent der Plätze im fremden Stadion. Doch in dieser Saison zeigt sich, wie dieses Recht immer häufiger von der Polizei, den Vereinen oder dem DFB eingeschränkt wird.
Besonders häufig betroffen: Vereine der dritten Liga. Wegen der vielen Ostduelle jagt ein Derby das nächste. In den meisten Fällen Risikospiele, die unter besonderer Beobachtung der Polizei stehen.
Aber die organisierten Fanszenen lehnen sich gegen Ausschlüsse auf. Am kommenden Wochenende wäre es fast zu einem historischen Tag gekommen. Verfeindete Fans von Dynamo Dresden, Hansa Rostock und dem 1. FC Magdeburg wollten am gleichen Tag in Magdeburg für die Einhaltung der Zehn-Prozent-Regel auf die Straße gehen.
Der 1. FC Magdeburg hatte für die Duelle gegen Dresden und gegen Rostock, das am Samstag stattfindet, zuerst alle Gästekarten gestrichen. Die Polizei habe darauf gedrängt, schrieb der Verein. Nach massiven Protesten wollte Magdeburg den Rostockern 700 personalisierte Gäste-Tickets erlauben. Offenbar ohne mit dem Gast aus Rostock Rücksprache zu halten, der weiterhin auf das volle Kontingent von 2200 Tickets drängte.
„Es ist in dieser Saison ein Trend zu beobachten“
Eilige Stellungnahmen folgten auf offene Briefe, der Gästekontingent-Streit wurde zum peinlichen Theater. Auch Magdeburger Fans setzten sich in mehreren offenen Briefen für die Rostocker ein und kritisierten den eigenen Verein scharf. Schließlich wurde das Kontingent auf 2000 Karten erhöht.
Der fade Beigeschmack bleibt. Unter dem Titel „Es gibt hier nichts zu feiern“ kündigte Rostocks Fanszene trotzdem für den Samstag in Magdeburg eine Demonstration an. Auch die Magdeburger werden in einem separaten Fanmarsch zum Stadion für die Einhaltung der Zehn-Prozent-Regel protestieren. Nur die Ultras von Dynamo Dresden haben ihre ebenfalls in Magdeburg angekündigte Demonstration auf ihr Gastspiel im April verschoben.
„Es ist in dieser Saison ein Trend zu beobachten“, sagt Johannes Mäling, der das Fanportal „Faszination Fankurve“ betreibt. Auch bei den Spielen Gladbach gegen Köln, Dortmund gegen Schalke und Münster gegen Osnabrück wurden in dieser Saison Gästefans teilweise oder komplett ausgeschlossen.
Möglich wurde die Reduzierung der Gästekontingente bei Risikospielen durch das umstrittene DFL-Sicherheitskonzept „Sicheres Stadionerlebnis“, das am 12. Dezember 2012 verabschiedet wurde. „Doch erst in dieser Saison wird diese Maßnahme intensiv genutzt“, sagt Mäling, der im Dezember eine Petition gegen die Gästekarten-Reduzierung startete.
Fans reisen auch ohne Tickets zu Derbys
Der Hauptgrund für seine Initiative: Er befürchtete eine weitere Verschärfung. Anfang Dezember 2015 trafen sich die Innenminister der Bundesländer in Koblenz, um auf ihrer Konferenz erneut die Gästekontingente zu beraten. Die Anschläge in Paris waren da gerade erst verarbeitet. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger brachte den Vorschlag ein, auch bei Spielen, die nicht als Risikospiel eingestuft sind, Gästekontingente zu kürzen. Das sollte die Polizei entlasten.
„Ein Trugschluss“, sagt Mäling. Fans würden dennoch zu Derbys oder wichtigen Spielen reisen, ob mit oder ohne Ticket. Das zeigten vergangene Demonstrationen wie die der Hannover-Fans 2014 in Braunschweig oder der Marsch von Hansa-Rostock-Fans durch den Hamburger Stadtteil St. Pauli im April 2012, als zum ersten Mal Gästefans verboten wurden. Das bindet zusätzliches Polizei-Personal.