Paul Stalteri, den Namen hatte man in Deutschland fast vergessen. Acht Jahre spielte der inzwischen 31-Jährige für Werder Bremen, knapp zweieinhalb davon in der Reservemannschaft. Sein Trainer dort: Thomas Schaaf. Schaaf hatte den Wechsel des talentierten Stürmers, der seine erste fußballerische Grundausbildung auf der US-amerikanischen Clemson University erhalten hatte, forciert.
Sein Debüt gab Stalteri am ersten Spieltag der Saison 2000/01 gegen Energie Cottbus, sein Freund und Zimmerkollege auf Auswärtsfahrten, der exzentrische Ailton, hatte sich verletzt. Stalteri gelang an der Seite des Peruaners Claudio Pizarro ein historisches Debüt: Nicht nur, dass er zusammen mit dem auf der gegnerischen Seite grätschenden Kevin McKenna der erste Kanadier in der Fußball-Bundesliga war – nach 34 Minuten traf er mit einem satten Rechtsschuss zum 1:1. Das erste Tor eines Kanadiers in 37 Jahren Bundesligageschichte. Ausgerechnet sein Landsmann verhinderte später noch ein zweites Tor. Stalteris Treffer wurde nicht gegeben, Schiedsrichter Wolfgang Stark hatte nach einem Foul von McKenna den Vorteil übersehen.
Schaaf modellierte den einsatzfreudigen Offensivspieler um, versetzte ihn auf die Rechtsverteidigerposition, ließ ihn häufig sogar auf der linken Seite spielen. Unter seinem Mentor aus Bremen wurde Stalteri zum dauerlaufenden Publikumsliebling: bis zu seinem Wechsel 2005 verpasste der agile Rechtsfuß nicht mehr als ein Dutzend Pflichtspiele. Selbst im Meisterjahr 2003/04 verteidigte Stalteri seinen Stammplatz auf der rechten Abwehrseite. Neben dem fulminanten Innenverteidiger-Duo Kristajic/Ismael absolvierte er eine souveräne Saison und überzeugte mit Konstanz, Gradlinigkeit und Zuverlässigkeit. Eigenschaften, die im Bundesliga-Fußball hoch eingeschätzt werden.
»Ein komplett andere Art von Stress«
2005 verlängerte der Kanadier seinen Vertrag in Bremen nicht und wechselte stattdessen in die englische Premier League, zu den Tottenham Hotspurs. Einer durchaus passablen Saison (33 Spiele) folgten zwei schwere Jahre. Erst warf ihn eine hartnäckige Verletzung zurück, dann verpflichtete die Vereinsführung den frisch zum besten Rechtsverteidiger der Premier League gewählten Franzosen Pascal Chimbonda. Stalteris Tage bei den Hotspurs waren gezählt. Auf Leihbasis wechselte er im Winter 2008 zum Abstiegskandidaten Fulham. »Noch nie kämpfte ich gegen den Abstieg – ein komplett andere Art von Stress«, erzählte der erfolgsverwöhnte Verteidiger nach seiner Ankunft. »Wenn du im die Existenz des Klubs kämpfst, nimmst Du den Stress und die Anspannung jeden Tag mit nach Hause. Das ist sehr anstrengend.«
Ein 1:0‑Erfolg gegen den FC Portsmouth am letzten Spieltag der Saison sicherte Fulham den Klassenerhalt. »Gerne wäre ich geblieben«, sagt Stalteri rückblickend, seit seinen Spielen in Fulham trägt er zusätzlich die Kapitänsbinde der kanadischen Nationalmannschaft, »die Verantwortung übernehme ich gerne.« Bei Tottenham saß Stalteri in der laufenden Saison nur auf der Bank, ein frustriertes Dasein, von dem ihn Gladbachs Trainer Hans Meyer jetzt befreit hat.
Sein Neuzugang, dass weiß auch Meyer, kann keine Spiele gewinnen. Aber er kann helfen, sie nicht zu verlieren. Mit Stalteri gewinnen die abstiegsbedrohten Gladbacher einen international gereiften und erfahrenen Stammspieler, dessen Fähigkeiten sie gut gebrauchen können. Der 31-Jährige lebt von seiner Sicherheit und Konstanz. Eigenschaften, die Gladbach in der Hinrunde fehlten. Dass Meyer mit Thomas Galasak einen weiteren Spieler mit gleichen Merkmalen verpflichtete, spricht für sich.
Stalteri soll die verwaiste rechte Seite beackern, der unkonzentrierten Hintermannschaft die nötige Sicherheit verleihen. Der gelernte Stürmer kann auch mit schnellen Vorstößen auf seiner Seite gefallen, dem leblosen Offensivspiel der Gladbacher kann das nur gut tun. Zudem hat die Zeit in Englands Eliteklasse aus dem bissigen Kanadier einen noch besseren Zweikämpfer gemacht, er ist noch robuster geworden, kann seinen Körper noch besser einsetzen. Ein weiteres Plus: Dank der Ausbildung von Thomas Schaaf ist Stalteri quasi auf jeder Position einsetzbar. Ob rechts oder links, zentral, oder im defensiven Mittelfeld: Meyer hat nun einen flexiblen Alleskönner zur Verfügung, der die Bundesliga kennt.
Und noch etwas: beim FC Fulham hat Paul Stalteri schon einmal mitgeholfen, den Klassenerhalt zu sichern. Wenn der Kanadier auch in Mönchengladbach entscheidend zum Nichtabstieg beitragen kann, müssen sie sich bei der Borussia etwas einfallen lassen. Als er 2005 das Weserstadion ein letztes Mal im Bremer Trikot betrat, schwenkten die Fans große Pappschilder mit dem markanten rot-weißen Ahornblatt. Auf denen stand dick und fett: »Danke, Paul!«