Manuel Neuer wurde nach der WM 2018 schon abgeschrieben. In diesem Jahr ist er der beste Torwart dieser Welt – wie macht er das?
Als sich Oliver Bierhoff und Oliver Kahn im Sommer 2018 in einem ZDF-Studio gegenüber saßen, herrschte eine angespannte Atmosphäre. Natürlich, denn gerade eben erst war die Deutsche Nationalmannschaft in der WM-Gruppenphase ausgeschieden und also lag es an Kahn, den Experten, den Finger in die Wunden zu legen. Er fragte Bierhoff nach Spielern, die nicht spielen durften, er fragte nach Sané. Und er fragte, warum Manuel Neuer, dessen Zeit vorüber schien, statt des gerade so starken Marc-André ter Stegen im Tor gestanden hatte. Zwei Jahre danach scheint die damals so berechtigte Frage nach der Nummer Eins im Tor wie aus der Zeit gefallen.
Denn kaum ein Spieler prägte die Pokalgewinne des FC Bayern in diesem Jahr so sehr wie Manuel Neuer. Das Champions-League-Finale von Lissabon wird man mit ihm und seinen Paraden gegen Kylian Mbappé und Konsorten stets in Verbindung bringen. Allenfalls kratzt Robert Lewandowski mit seinen bis dato 27 Treffern im Kalenderjahr 2020 teamintern an die Leistungen des Schlussmannes heran.
Doch die aktuelle Saisonphase des FC Bayern zeigt, wie wichtig ein Schlussmann auf Weltklasseniveau für einen Spitzenclub sein kann, wenn dieser einmal strauchelt.
Dass der deutsche Rekordmeister derzeit mit nur einem Remis und einer Niederlage an der Tabellenspitze steht und auch in der Königsklasse vermeintlich souverän durch die Gruppe marschiert, liegt zu großen Teilen an Manuel Neuer. Der konnte sein Team mit starken Paraden wie gegen Werder Bremen oder Salzburg quasi im Alleingang die Punkte sichern.
Seine Leistungen zeigen aber auch, dass viele Kritiker ihm in den Jahren vor und nach der Weltmeisterschaft 2018 Unrecht taten, als sie ihn bereits abschrieben. Er wäre zu alt, Verletzungen und kleinere Fehler häuften sich und überhaupt hatte Deutschland mit Marc-André ter Stegen einen damals mindestens ebenbürtigen Mann in der Hinterhand. Ein Blick auf die Zahlen genügt, um zu sehen, dass Manuel Neuer zwischen 2017 und 2019 nicht mehr auf der Höhe des Geschehens war. In der Bundesliga verpasste er in dieser Phase eine Reihe von Spielen aufgrund von Verletzungen. 2017/18 absolvierte er sogar nur drei Partien.
In den Spielen, in denen er im Tor stand, waren seine Leistungen teilweise durchwachsen oder er gab wie im Achtelfinalrückspiel gegen den FC Liverpool eine unglückliche Figur ab. Statistisch gesehen kassierte er laut Datenanbieter fbref.com in der Saison 2018/19 im Vergleich zum Bundesligadurchschnitt 5,66 Gegentreffer mehr als seine Kollegen.
Allein in dieser Saison aber verhinderte Neuer statistisch gesehen im Schnitt 4,00 Gegentreffer pro Spiel in der Bundesliga. Zum Vergleich: Hoffenheims Oliver Baumann konnte nur 2,4 Gegentore pro Partie für sein Team verhindern.
Was die Frage zulässt, wie Manuel Neuer wieder an die Spitze seines Fachs heraufklettern und den Rang als bester Torhüter der Welt zurückerobern konnte. Zur Begründung genügen dabei die genannten Zahlen nicht aus. Denn sowieso, und wie bereits mehrfach angesprochen, sind Torhüter nur schwer anhand bloßer Zahlen zu bewerten. Stattdessen sollten Bewegungsmuster betrachtet werden.