Heute wird Klaus Augenthaler 65 Jahre alt. Hier erinnert er sich an die WM 1990 in Italien – und daran, wie Genussmittel die Gier der Nationalelf auf den Titel steigerten.
Dieses Interview erschien erstmals im Sommer 2014 vor der WM in Brasilien.
Klaus Augenthaler, was ist der gravierende Unterschied zwischen den Vizeweltmeistern 1986 und den Weltmeistern 1990?
Diese Kader kann man nicht vergleichen.
Warum nicht?
Die Mannschaft in Mexiko bestand aus zerstrittenen Lagern, aus Kölnern, Münchnern und Stuttgartern. Da gab es viele Scharmützel. Beckenbauer legte sich bei der WM zudem mit den Journalisten an, die damals noch bei uns in der Hacienda lebten. Wir haben in Mexiko viele Fehler gemacht, die wir 1990 in Italien vermieden haben.
Zum Beispiel?
In Italien kamen die Journalisten nur noch zwei, drei Mal in der Woche zu abgesteckten Terminen zu uns ins Quartier. Ansonsten hatten wir unsere Ruhe. Und die Harmonie in der Mannschaft war sehr ausgeprägt.
Woran lag das?
Ein Vorteil war sicher, dass etliche Spieler damals in Italien spielten. Die Italiener mochten uns, wir wurden mit offenen Armen empfangen. Lothar hatte ein Boot auf dem Comer See, auf dem wir Ausflüge machen konnten. In Mexiko hatten sie uns in die Savanne verfrachtet, in Italien erlebten wir Lebensfreude. Und Franz ließ uns fast alle Freiheiten.
Wie müssen wir uns Ausflüge auf dem Boot von Matthäus vorstellen?
Wir schipperten entlang der Uferpromenade und sahen die Häuserfassaden vorm Sonnenuntergang. Das war romantisch. Weniger romantisch waren die Fahrten zur Anlegestelle. Lothar hatte einen Peugeot 205. Da bin ich nur ein einziges Mal mitgefahren, weil er so riskant die Küstenstraßen entlangbretterte.
„Es wurde auch schon am Tisch gequalmt“
Wurde im WM-Quartier in Erba viel gefeiert?
Nach den Spielen – die ja ausnahmslos erfolgreich für uns liefen – gab es immer ein Bankett. Die Räumlichkeiten waren herrlich. Gerhard Mayer-Vorfelder kam nach dem Essen immer zu mir und sagte: „Auge, jetzt rauchen wir mal eine richtige Zigarette!“
Eine richtige Zigarette?
MV rauchte damals ohne Filter, also bot er eine von seinen Reval oder Roth-Händle an.
Wie stand Teamchef Franz Beckenbauer zu rauchenden Profis?
Das war ihm im Prinzip wurscht, wie gesagt, er ließ uns sehr viel Freiheiten. Bis zu diesem Turnier hatte ich es nie erlebt, dass Spieler sich nach dem Essen im Restaurant eine anzündeten. Aber zur italienischen Lebensart passte es, und so wurde eben auch schon am Tisch gequalmt.