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Für einen Moment schien es, als habe das Gute gesiegt im eng­li­schen Fuß­ball: Spieler, Trainer, Fans, Funk­tio­näre, egal ob weiß oder schwarz – sie alle zeig(t)en sich soli­da­risch mit Black Lives Matter“, jener beein­dru­ckenden Bewe­gung, die seit dem mut­maß­li­chen Mord an dem dun­kel­häu­tigen US-Ame­ri­kaner George Floyd durch einen weißen Poli­zisten um die Welt geht. Selbst der sonst eher reser­vierte eng­li­sche Fuß­ball­ver­band FA und die Pre­mier League nahmen öffent­lich Anteil und gestat­teten den Spie­lern zum geplanten Liga-Restart das Hin­knien als stummes Zei­chen der Soli­da­rität.

Alle schienen sich einig in einer Zeit, in der Einig­keit doch so wichtig wäre. Und die häss­liche Fratze des Ras­sismus, die das Eng­li­sche Spiel“ zuletzt immer wieder geschockt hatte, schien ver­schwunden. Bis zum ver­gan­genen Wochen­ende: Bei einer poli­ti­schen Ver­samm­lung in London, offi­ziell zum Schutz von öffent­li­chen Denk­mä­lern vor mili­tanten Black-Lives-Matter-Akti­visten, ver­mischten sich Kriegs­ve­te­ranen, Natio­na­listen und lupen­reine Rechts­extre­misten zu einer min­des­tens hell­braunen Melange. Mit­ten­drin, gut sicht- und hörbar: die Demo­cratic Foot­ball Lads Alli­ance“ (DFLA), ein Zusam­men­schluss von Fans und (Alt-)Hooligans, vor­rangig aus der bri­ti­schen Haupt­stadt. Mit dabei: Viele bekannte Gesichter aus den Lon­doner Sta­dien bzw. aus den ein­schlä­gigen Pubs in deren Umfeld.

Ras­sis­ti­sche Äuße­rungen in Sta­dien sind nicht nur das Werk von ver­sprengten Wirr­köpfen

Mit einem Mal wurde klar, dass der Ras­sismus sich nicht etwa aus Eng­lands Fuß­ball ver­ab­schiedet hat. Er war nur eine Zeit lang in Deckung gegangen und ver­stummt – offen­sicht­lich, um tief Luft zu holen und seinen Hass noch viel lauter her­aus­zu­brüllen. Die Demo­cratic Foot­ball Lads Alli­ance ist so etwas wie der poli­ti­sche rechte Arm der eng­li­schen Fan- und Hoo­ligan-Szenen, eine stimm­ge­wal­tige Auf­marsch­truppe, uni­for­miert im klas­si­schen Casual-Look der bri­ti­schen Kate­gorie-C-Szene: Retro-Snea­kers, Lacoste-Polos, Stone-Island-Jacken. Tat­säch­lich aber ist diese Gruppe nicht so edel wie ihr Gewand und ihr demo­kra­ti­sches Label. Das machten zahl­reiche dis­kri­mi­nie­rende Aus­fälle aus ihren Reihen am ver­gan­genen Wochen­ende deut­lich.

Die Stra­ßen­pro­teste der Rechts­außen-Allianz zeigen auch, dass die immer wie­der­keh­renden ras­sis­ti­schen Kund­ge­bungen in eng­li­schen Sta­dien kei­nes­wegs nur die Werke von ver­sprengten Wirr­köpfen sind. Ras­sismus in Groß­bri­tan­nien genießt spä­tes­tens seit dem Sieg der Natio­na­listen in der Brexit-Frage eine breite Basis an mora­li­scher Unter­stüt­zung und ist gewis­ser­maßen Teil einer gewal­tigen gesell­schaft­li­chen Bewe­gung nach rechts. Immer mehr Köpfe dieser Bewe­gung wagen sich nun Schritt für Schritt aus der Anony­mität der Sta­dien und Pubs in die Öffent­lich­keit vor. Für das ver­gan­gene Wochen­ende riefen die DFLA und andere Orga­ni­sa­tionen demons­trativ zu patrio­ti­scher Ein­heit“ auf.

Die Demo­cratic Foot­ball Lads Alli­ance ist übri­gens eine Nach­folge-Orga­ni­sa­tion der 2017 nach einer Reihe von isla­mis­ti­schen Ter­ror­an­schlägen ins Leben geru­fenen Foot­ball Lads Alli­ance“ (FLA), die sich als anti-extre­mis­tisch“ bezeich­nete. Tat­säch­lich aber avan­cierte die FLA schon bald zum Sam­mel­be­cken für rechte und rechts­ra­di­kale Kräfte, ver­gleichbar mit der deut­schen HoGeSa“ (Hoo­li­gans gegen Sala­fisten), die im Oktober 2015 in der Kölner City ran­da­lierte. Auch die FLA demons­trierte wie­der­holt gegen isla­mis­ti­schen Extre­mismus, par­allel sam­melte man durch den Ver­kauf von Anste­ckern Spenden für die Vete­ranen-Orga­ni­sa­tion The Royal Bri­tish Legion“, die das Geld jedoch umge­hend ablehnte. Begrün­dung: Eine kleine Anzahl von FLA-Anhän­gern hat Ansichten und Mei­nungen geäu­ßert, die nicht mit den Werten der Royal Bri­tish Legion ver­einbar sind.“

Auch in Glasgow mar­schierten am ver­gan­genen Wochen­ende, gefeiert von der ein­schlä­gigen Face­book-Seite Grup­paof“, Fuß­truppen von zwei­fel­haftem Ruf auf. Die Ran­gers-Ultras Union Bears“ und die Hoo­ligan-Firma Ran­gers ICF“ wollten offi­ziell Monu­mente der Groß­ar­tig­keit des bri­ti­schen Empires“ vor dem Antifa-Mob“ schützen. In den Tagen zuvor hatten näm­lich überall in Groß­bri­tan­nien Black-Lives-Matter-Sym­pa­thi­santen Denk­mäler von geschicht­li­chen Größen gestürzt oder beschä­digt, weil die Abge­bil­deten in ihren Augen Ras­sisten waren. In Leeds wurde eine Statue von Queen Vic­toria schwer beschä­digt. In Edin­burgh wurde ein Denkmal des eins­tigen Skla­verei-Befür­worter Henrys Dundas mit den Worten George Floyd“ und BLM“ besprüht.

Monu­mente der Groß­ar­tig­keit des bri­ti­schen Empires vor dem Antifa-Mob schützen“

Nun kann man im Ein­zel­fall treff­lich dis­ku­tieren, ob und inwie­fern auch ein Sir Win­ston Chur­chill, ein Sir Cecil John Rhodes und all die anderen bron­zenen Gestalten auf ihren stei­nernen Sockeln zu Leb­zeiten Ras­sisten waren oder nicht. Eines aber ist unstrittig: Unter den Beschüt­zern“ ihrer Denk­mäler befanden sich viele mit einem höchst frag­wür­digen Men­schen­bild, wie zahl­reiche laut­starke Beschimp­fungen in Rich­tung der Black-Lives-Matter-Aki­ti­visten, aber auch an die Adresse der Polizei erahnen ließen. Zusätz­lich warfen die selbst ernannten Patrioten mit Fla­schen und Steinen auf die Ein­satz­kräfte und ver­suchten immer wieder, eine Spi­rale der Gewalt in Gang zu setzen. Groß­bri­tan­niens Pre­mier­mi­nister Boris Johnson per­sön­lich ver­ur­teilte die Umtriebe als ras­sis­ti­sches Schlä­gertum“.

Aber dann siegte doch noch das Gute über das Böse – zumin­dest für einen kurzen Moment: Als sich am Samstag unweit der Waterloo-Sta­tion“ Black-Lives-Matter-Akti­visten und die Gegen­seite feind­selig gegen­über­standen, kol­la­bierte plötz­lich ein mut­maß­lich rechts­extre­mis­ti­scher Demons­trant und blieb regungslos am Boden liegen. Dar­aufhin zögerte der dun­kel­häu­tige Patrick Hut­chinson keine Sekunde, beugte sich zu dem Mann hin­unter, zog ihn durch eine Trenn­bar­riere hin­durch, hob ihn auf seine Schul­tern und ver­an­lasste, dass dem Bewusst­losen medi­zi­ni­sche Hilfe zuteil wurde. In so einem Moment denkst du nicht groß nach“, sagte der Retter später in einem TV-Inter­view mit Channel 4“: Du tust ein­fach, was du tun musst.“