Mit Christian Heidel ist bei Schalke der Mann zurückgetreten, den viele für die Krise verantwortlich machen. Doch was ist eigentlich mit Clemens Tönnies und dem Aufsichtsrat?
Als Christian Heidel zur Saison 2016/17 seinen Job als Sportvorstand des FC Schalke 04 aufnahm, hatte er sich Großes vorgenommen. Nicht nur sportlich wollte er den Klub wieder voran bringen, nein, Christian Heidel war angetreten, aus dem hypernervösen Verein einen seriösen Bundesligisten zu formen. Rund zweieinhalb Jahre später ist der Klub davon wieder einmal so weit en tfernt wie vom Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Seinen Anteil daran hat auch der Aufsichtsratsvorsitzender Clemens Tönnies, der auf der diesjährigen Mitgliederversammlung zur Wiederwahl steht.
Immer wieder hatten Kritiker Tönnies vorgehalten, er würde sich trotz seiner angedachten Kontrollfunktion zu sehr in das operative Tagesgeschäft einmischen. Doch nach der Installation von Christian Heidel zog sich der 62-Jährige tatsächlich weitgehend aus der Öffentlichkeit zurück. Der „neue starke Mann“ sollte Heidel werden, Tönnies versprach, sich zurückzunehmen – und hielt sich lange daran. „Die machen das so gut, dass ich mich gar nicht groß einmischen muss“, lobte er Heidel und seine Vorstandskollegen sowie Sportdirektor Axel Schuster im 11FREUNDE-Interview (Ausgabe #201). Viel gelassener könne er nun sein, „weil wir auf den wichtigen Positionen gute Leute haben“.
Tönnies, Heidel und der Berater
Mit der neuen Gelassenheit war es jedoch schnell wieder vorbei, als Schalke zum Ende der Hinrunde sportlich tief in der Krise steckte. Nach der 1:2‑Niederlage im Derby gegen Borussia Dortmund sinnierte Clemens Tönnies in der „Bild“-Zeitung, ob es nicht besser wäre, Christian Heidel einen Berater zur Seite zu stellen. Beim Nachbarn aus Dortmund klappe das schließlich mit Matthias Sammer auch ganz hervorragend.
In aller Öffentlichkeit stellte Tönnies damit die Kompetenzen jenes Mannes infrage, von dem er ein halbes Jahr zuvor noch so geschwärmt hatte. Zumal Heidel laut eigener Aussage selbst versucht hatte, im vergangenen Sommer Jonas Boldt von Bayer Leverkusen als Verstärkung für Schalker auf einer ebensolchen Position zu gewinnen. Entsprechend brüskiert reagierte Heidel auf die Überlegungen seines Vorgesetzten. Zwar sei es „völlig legitim, dass ein Aufsichtsratsvorsitzender sich mal Gedanken macht, vielleicht auch eine Idee hat“, sagte Heidel damals. Man müsse jedoch „darüber nachdenken, ob es der richtige Weg ist, so etwas öffentlich zu machen. Ich dachte, dass diese Zeiten vorbei sind und wir nur intern darüber reden“.
Auch wenn sich Heidel anschließend alle Mühe gab, öffentlich zu betonen, wie eng und vertrauensvoll, ja sogar freundschaftlich das Verhältnis zu Clemens Tönnies nach wie vor sei: Es würde nicht verwundern, wenn er bei der Entscheidung zu seinem Rücktritt auch jene öffentlichen Überlegungen des Aufsichtsvorsitzenden im Kopf hatte.
Ohnehin wird spekuliert, dass Heidel mit seinem Rücktritt lediglich einem möglichen Rauswurf im Sommer zuvorgekommen sei. Zu massiv schien die Kritik an der Kerntätigkeit des Sportvorstands: der Zusammenstellung des Kaders. Teure Neuzugänge wie Yevhen Konoplyanka, Omar Mascarell und allen voran Sebastian Rudy sind bis heute vieles schuldig geblieben – alles übrigens Transfers, die gemäß Vereinssatzung vom Aufsichtsrat genehmigt werden müssen. Dennoch hatten sich in den vergangenen Wochen viele Fans auf den 55-Jährigen als Hauptverantwortlichen der Schalker Krise eingeschossen – befeuert von der Berichterstattung des Boulevards. „Heidel sollte sich schämen und gehen“, forderte etwa die „Sport Bild“ in einem Kommentar.
Gerade für Tönnies wäre es ein Leichtes gewesen, sich schützend vor seinen Sportvorstand zu stellen. Schließlich pflegt der Aussichtsratsvorsitzende beste Verbindungen zur Springer-Presse. So erschien der „Bild“-Artikel über einen möglichen Berater für Christian Heidel einen Tag, nachdem der langjährige „Sport Bild“–Chefredakteur Alfred Draxler in einer Schalker Loge gesichtet wurde – angeblich auf Tönnies’ Einladung.
Position der Stärke verloren
„Ich habe in meinem Leben immer aus der Position der Stärke gehandelt. Diese Position habe ich im Moment nicht mehr auf Schalke“, sagte Heidel nach der Partie in Mainz. Angesichts dieser Aussagen muss man den Plan, Christian Heidel zum neuen starken Mann zu machen, als gescheitert betrachten. Was die Frage aufwirft, ob es überhaupt eine Person geben mag, der es auf Dauer gelingen kann, Clemens Tönnies und das Schalker Umfeld im Zaum zu halten. Ob Müller, Magath, Heldt oder Heidel: Bislang schaffte es kein Manager unter Tönnies Ägide, ein langfristiges Konzept für Königsblau zu etablieren – von den zahlreichen Trainern ganz zu schweigen.
Einer dieser Trainer ist Domenico Tedesco, eine Entdeckung von Christian Heidel. Die 0:3‑Niederlage an dessen alter Wirkungsstätte am Samstag analysierte er mit den Worten „Mainz hat uns aufgefressen“. Ähnliches könnte Christian Heidel möglicherweise bald rückblickend über Schalke sagen.