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Die Anlei­tung zum Glück­lich­sein kam von Uli Stie­like. Seit die Maschine in Rom abge­hoben war, sang der schnauz­bär­tige Libero: Sie müssen nur den Nippel durch die Lasche ziehen und mit der kleinen Kurbel ganz nach oben drehen.“ Die letzten Team­kol­legen, die dem Schlaf an diesem Mon­tag­morgen noch trotzen konnten, stimmten müde mit ein.

Man­fred Kaltz kühlte seinen geschwol­lenen Knö­chel. Kein Resultat der umkämpften Final­partie gegen Bel­gien, son­dern die Folge eines Sprungs über die Hotel­mauer, als er mit sechs Mit­spie­lern nach dem Finale noch zu einem nächt­li­chen Streifzug durch die Straßen von Rom aus­ge­büxt war. Hansi Müller hatte bis zum Mor­gen­grauen gefeiert und war in einen traum­losen Schlaf gefallen. Nur Bernd Schuster strich sich unge­duldig durch die Mähne und sehnte sich der Lan­dung ent­gegen. Jetzt war es langsam auch gut mit dem Nummer-1-Hit von Mike Krüger, den der volks­lie­der­fah­rene Stie­like in End­los­schleife träl­lerte.

Aus­fälle von Klaus Fischer und Rainer Bonhof kom­pen­siert
 
Die deut­sche Mann­schaft kehrte nach knapp zwei Wochen in Ita­lien als Euro­pa­meister zurück. Dem 53-jäh­rigen Coach Jupp Der­wall war es gelungen, ein junges Team mit einem Durch­schnitts­alter von 24,2 Jahren zusam­men­zu­stellen, das für die triste Vor­stel­lung der DFB-Elf zwei Jahre zuvor bei der WM in Argen­ti­nien Wie­der­gut­ma­chung leis­tete.

Die Aus­fälle von Angreifer Klaus Fischer (Bein­bruch) und des Mit­tel­feld­stra­tegen Rainer Bonhof (Achil­les­sehne) waren kom­pen­siert worden. Der­wall benö­tigte für den Titel­ge­winn noch nicht einmal das bewährte Erfolgs­re­zept der Block­bil­dung in der Stammelf. Selten zuvor war ein deut­sches Team so facet­ten­reich gewesen.

Kopf­bal­lun­ge­heuer“ Horst Hru­besch hatte den Schalker Fischer stan­des­gemäß im Sturm­zen­trum ver­treten. Mit dem intro­ver­tierten Kölner Schuster war ein neuer Stern auf­ge­gangen, der die Grazie und Effek­ti­vität von Günter Netzer und Franz Becken­bauer auf sich zu ver­ei­nigen schien.

Auch sonst trug die cha­rak­ter­liche Viel­falt im Kader fast roman­hafte Züge: Ennatz“ Dietz aus Duis­burg war ein ein­fühl­samer Kapitän, der den Brauch ein­führte, bei dem sich die Spieler vor dem Anpfiff in der Kabine an den Händen fassten und gelobten: Alle für einen, einer für alle!“ Im Tor ersetzte Toni Schu­ma­cher den menis­kus­ge­schä­digten Nor­bert Nigbur – und ließ sich die Nummer eins auch nicht mehr streitig machen: Als ihm beim Abschluss­trai­ning ein Mit­spieler auf die Hand trat, ver­heim­lichte er die Ver­let­zung und lief im Finale mit gebro­chenem Mit­tel­dhand­kno­chen auf.

Im defen­siven Mit­tel­feld fei­erte der kan­tige Pfälzer Hans-Peter Briegel seinen Durch­bruch, den die ita­lie­ni­sche Presse zärt­lich Il Bisonte“ („Der Bison“) taufte und dessen ber­ser­ker­hafte Züge Bel­giens Trainer Guy Thys nach dem End­spiel zu fol­gender Aus­sage anstif­teten: Gegen diese deut­schen Panzer habe ich keinen Bunker.“ Und im offen­siven Mit­tel­feld kickte der mon­däne Lebe­mann Hansi Müller, der vor seiner Pro­fi­lauf­bahn mal den vierten Platz bei der Wahl zum Bravo-Boy des Jahres“ belegt hatte.

Eine große Fuß­ball­na­tion muss es sein“

So schil­lernd dieser Kader auch war, so trist waren die Begleit­um­stände, die ihn in Ita­lien erwar­teten. Die UEFA hatte sich ent­schieden, die End­runde von vier auf acht Mann­schaften auf­zu­sto­cken. Die Euro sollte mehr Bedeu­tung erlangen und sich wirt­schaft­lich besser aus­zahlen. Doch wel­ches Land sollte den Zuschlag für die Aus­rich­tung bekommen?

Der ita­lie­ni­sche UEFA-Prä­si­dent Artemio Franchi for­derte: Eine große Fuß­ball­na­tion muss es sein.“ Eng­land kam wegen seines Hoo­ligan-Pro­blems nicht in Frage. Grie­chen­land fehlte es an Wirt­schafts­kraft, die Nie­der­lande schienen flä­chen­mäßig zu klein und Deutsch­land war erst sechs Jahre zuvor Gast­geber der WM gewesen. Spa­nien stand bereits als Aus­richter der Titel­kämpfe 1982 fest. Übrig blieb Ita­lien.