Joe Enochs gehörte zu Osnabrück wie Mick Jagger zu den Rolling Stones. Dann verließ er nach 22 Jahren sein Idyll, um in Zwickau neu anzufangen. Heute trifft er auf seinen Ex-Verein.
„Wie seid ihr denn auf mich gekommen?“
Joe Enochs steht am Zwickauer Hauptbahnhof, und es ist wirklich alles genau so, wie man es sich vorgestellt hat: Enochs ist ein ganz gewöhnlicher Typ, Jeans, Winterjacke, Mütze, der jetzt auch mit einem Roman von Knausgard in einem Café sitzen könnte. Keine Allüren, kein Gehabe, eine Art Super Normal One. Was erwähnenswert ist, weil im heutigen Fußballzirkus sogar C‑Jugendliche ihre Berater vorschicken und Zweitligakicker Porsche fahren.
Die treue Seele
Schon diese Frage, ein bisschen kokett, klar, aber bei Enochs wirkt sie nicht aufgesetzt: Wie seid ihr auf mich gekommen? Als wäre es übertrieben, dass ein Fußballmagazin über einen Amerikaner berichtet, der mit 376 Partien Rekordspieler des VfL Osnabrück ist. Nach dem sie im Stadion an der Bremer Brücke die Kindertribüne benannt haben. Der dort zwölf Jahre der Mann fürs Grobe im Mittelfeld war und einmal, als er gegen die Bayern ein Tor des Monats schoss, sogar der Zauberer von Os. Der nach seiner Profikarriere zehn weitere Jahre beim Verein blieb, als Jugendtrainer, als Co-Trainer, als Trainer der zweiten Mannschaft, als treue Seele. Der in Osnabrück vermutlich bekannter ist als Lionel Messi und beliebter als der Weihnachtsmann. Einer, den sie Fußballgott nennen.
Wie seid ihr denn auf mich gekommen? Okay, zugegeben, es gibt für diese Geschichte noch einen Anlass, denn es ist etwas passiert, womit niemand gerechnet hätte: Enochs hat die Stadt Osnabrück, von der er einmal sagte, sie sei schöner als Kalifornien, im vorigen Sommer verlassen. Und das klingt so, als hätte Uwe Seeler seinen Abschied aus Hamburg verkündet oder Mick Jagger seinen Ausstieg bei den Rolling Stones. Aber es ist wahr. Seit Juli 2018 ist Enochs Trainer des FSV Zwickau. Wie konnte es dazu kommen? Und kann das gutgehen?
Wer bleibt schon ewig?
Enochs setzt sich ans Steuer seines Volkswagens und fährt durch seine neue Heimat. „Ich wusste, dass dieser Tag kommen würde“, sagt er über seinen Abschied. „Ich wusste es seit August 2015.“ Damals war Maik Walpurgis in Osnabrück entlassen worden, und Enochs nahm das Angebot als Cheftrainer an. Es war eine gut überlegte Entscheidung, denn nun stand fest, dass er irgendwann weiterziehen würde. Wer bleibt schon ewig Trainer bei einem Verein?