Die Dritte Liga ist das Vorzeigeprojekt des Deutschen Fußball-Bundes. Doch heute stehen viele Klubs vor dem Bankrott, sie wollen raus aus der Liga. Eine Bilanz.
In Aalen haben sie das erlebt, dort drohten vor genau einem Jahr die Lichter auszugehen. Nach drei kräftezehrenden Spielzeiten in der zweiten Bundesliga und dem Abstieg in die Dritte Liga stand der Klub vor dem Aus. In die Zweitklassigkeit geführt hatten den VfR vor allem zwei Personen: der Aufsichtsratsvorsitzende und Direktor des langjährigen Hauptsponsors Imtech, Johannes Moser, und Bernd-Ulrich Scholtz, Vorsitzender eines Schrott-Recycling-Unternehmens. Es waren schöne Jahre, mit dem jungen Ralph Hasenhüttl auf der Trainerbank und Spielern wie Kevin Kampl auf dem Platz. Doch bereits nach der Pleite von Imtech wurde der VfR Aalen schon 2013 vor erhebliche finanzielle Probleme gestellt. Bürgschaften von insgesamt 6,15 Millionen Euro musste kurzerhand Präsident Scholtz übernehmen. Die richtigen Probleme setzten jedoch 2016 nach dem Abstieg in die Drittklassigkeit ein. Zwar versprach Scholtz, den Verein im ersten Jahr zu führen und schuldenfrei zu übergeben, es kam allerdings anders.
Guten Tag, Durchsuchungsbefehl!
Nächtelang hatten Holger Hadek und die Vorstandsmitglieder des VfR Aalen kaum geschlafen, ehe sie am 14. Februar 2017 endlich zum Amtsgericht gingen. Mit einem Durchsuchungsbefehl hatte das Finanzamt einige Wochen zuvor vor der Geschäftsstelle gestanden, und Präsidiumssprecher Roland Vogt erinnert sich mit Grauen, was dann passierte: „Das Finanzamt hat die Jahre 2008 bis 2012 geprüft, danach wäre sicher eine Folgeprüfung erfolgt. Es zeichnete sich also ab, dass wir mit einer Nachzahlung von 500 000 Euro plus Verzugszinsen rechnen mussten. Dazu kam das bereits vorhandene negative Eigenkapital von 3,6 Millionen Euro. Da haben wir gesagt: Wir müssen jetzt die Reißleine ziehen.“
Wenige Monate zuvor hatte Vogt mit drei Kollegen das Präsidentenamt von Bernd-Ulrich Scholtz übernommen. Während sie davon ausgegangen waren, dass Scholtz das Konto ausgeglichen hätte, hatte der Ex-Präsident in Wirklichkeit nur eine weitere Bürgschaft übernommen. Dann kam die überraschende Steuernachprüfung und bei den nun Verantwortlichen brach verständliche Panik aus. „In dem Moment hätten wir uns sonst haftbar für Summen und Dinge gemacht, die wir nicht verursacht haben“, sagt Vogt. So gingen er, Hadek und ein weiterer Vorstand am Valentinstag 2017 mit dem Insolvenzantrag zum Gericht.
Wie ist das möglich?
Im Warteraum des Amtsgerichts von Aalen versuchte das Präsidium des VfR ein letztes Mal, auf ihren Vorgänger Scholtz einzuwirken. Gemeinsam würde die Möglichkeit bestehen, die drohende Insolvenz noch einmal abzuwenden. Um 9 Uhr hatten Vogt und Hadek zum ersten Mal das Büro der Richterin betreten, seitdem telefonierten sie immer wieder mit Scholtz, den Aktenordner fest umklammert. „Die Richterin hatte uns darauf aufmerksam gemacht, dass ein Abstellen des Ordners als Einreichen der Insolvenzunterlagen gewertet werden könnte“, erinnert sich Hadek. Doch auch bis kurz vor Feierabend wurden sich der VfR Aalen und Scholtz nicht einig. Also stellten Hadek und Vogt den Ordner schließlich auf dem Schreibtisch der Richterin ab, reichten damit Insolvenz ein und informierten den DFB.
Wie konnte ein Klub mit so windiger Finanzlage wie der VfR Aalen überhaupt eine Zulassung des DFB erhalten? Manuel Hartmann hat in der DFB-Zentrale eine einfache Antwort: „Für das Zulassungsverfahren ist es letztlich nicht entscheidend, auf welche Art die Liquidität dargestellt wird. Ob das nun durch Darlehen oder eigene Beträge geschieht.“ Der DFB prüft also nur, ob die Vereine für eine Saison, also bis zum 30. Juni eines Jahres, überleben können. Im Grunde heißt das aber auch: Leiht sich ein Verein Gelder, die er erst am 1. Juli zurückzahlen muss, ist die Zulassung kein Problem. Der DFB weist darauf hin, dass eine Prüfung über die Saison hinaus aus rechtlichen Gründen nicht möglich sei. „Das heißt aber nicht, dass es für uns als Verband egal ist. Wir wirken dann schon im Sinne der Vernunft auf die Vereine ein“, sagt Hartmann. Außerdem war man in Frankfurt über die Insolvenz des VfR, milde gesagt, überrascht. „Bei einer Steuerprüfung weiß man – gerade als außenstehende Partei – nie genau, was da noch zum Vorschein kommt. Das haben wir bei der Zulassung nicht absehen können“, sagt Hartmann.