Heute vor zwei Jahren stiegt der HSV zum ersten Mal in der Vereinsgeschichte ab. Mittendrin: Matti Steinmann. Der Hamburger über eine durchgeknallte Saison.
Der HSV taumelte damals dem ersten Abstieg entgegen, stand mit dem Rücken zur Wand – und plötzlich kam der neue Trainer mit einem Spieler aus der Dritten Liga um die Ecke. Wie groß war der Druck?
Ich habe zu dem Zeitpunkt überhaupt keinen Druck empfunden. Im Gegenteil, ich war nur dankbar für die Chance und habe mich auf dem Platz sofort richtig wohl gefühlt. Als ich dann gemerkt habe, dass ich auf diesem Level mithalten kann, wurde mein Selbstvertrauen immer größer. Außerdem waren ja auch die Mitspieler besser als in der zweiten Mannschaft. Das erleichterte vieles. Es war einfach schön für mich, doch noch Bundesliga zu spielen, konstant und über einen längeren Zeitraum als nur ein paar Minuten gegen die Bayern, wo ich kaum einen Ball am Fuß gehabt hatte. Der Klassenerhalt wäre die Krönung gewesen.
Wie wacht man am Tag nach einem Abstieg auf?
Ich hatte zumindest keine Angst, vor die Tür zu gehen. Aber ich hatte ja auch nur den Aufschwung miterlebt. Die Zeit davor, unter Hollerbach zum Beispiel, als die Stimmung wirklich negativ war, als viel auf die Spieler eingeprasselt ist, die habe ich ja nicht mitgemacht. Die Spieler, die die ganze Saison gespielt haben, haben den Tag nach dem Abstieg also vielleicht anders wahrgenommen.
Im Sommer 2018 wirkte es so, als wolle der HSV Sie zu einem der neuen Gesichter des Klubs aufbauen. Haben Sie das auch so empfunden?
Ich hatte auf jeden Fall das Gefühl, dass der HSV mir vertraut. Ich habe mich auf ein geiles Jahr gefreut.
Ein paar Wochen später wechselte Christian Titz Sie beim 0:5 gegen Regensburg noch vor der Pause aus. Danach haben Sie nie wieder für die Profis gespielt.
Das war extrem bitter für mich. Vor allem, weil ich danach keine Chance mehr bekam, die schlechte Leistung wieder gut zu machen.
Hat Christian Titz Sie fallen gelassen?
Auf gar keinen Fall. Er war nach wie vor mein Unterstützer. Aber in dem Spiel habe ich einfach scheiße gespielt. Das kann ich auch nicht schönreden. Trotzdem hat es geschmerzt, dass ich mich nicht mehr zeigen konnte.
Hat er Ihnen seine Entscheidung erklärt?
Zunächst mal ist er nach dem 0:5 selber unter Druck geraten – und war ein paar Spiele später traurigerweise seinen Job los. Und in der Öffentlichkeit galt ich als sein Spieler. Er hatte mich hochgezogen, meine schlechte Leistung wurde direkt auf ihn projiziert. Auch mir gegenüber hatte sich die Stimmung nach dem Regensburg-Spiel gedreht. Ich glaube, er wollte mich aus der Schusslinie nehmen.
War das Spiel die bitterste Niederlage Ihrer Karriere?
Das Viertelfinal-Aus gegen Mali bei der U20-WM 2015 war auch übel. Niemand hatte damit gerechnet, der DFB hatte schon alles fürs Halbfinale und Finale vorbereitet. Und im Spiel waren wir auch die deutlich bessere Mannschaft. Dann verschossen wir in der regulären Spielzeit einen Elfer, kurz darauf traf Mali mit der ersten Chance zum Ausgleich und rettete sich ins Elfmeterschießen. Ich bin noch heute der Meinung: Mit dem Kader hätten wir damals eigentlich Weltmeister werden müssen.
Sind Sie eigentlich ein guter Verlierer?
Es ist besser geworden. Bis vor wenigen Jahren war ich ein sehr schlechter Verlierer.
Nicht die besten Voraussetzungen für jemanden, der angeblich süchtig ist nach einem bestimmten Brettspiel…
Ich bin zwar seit längerer Zeit nicht dazu gekommen, aber ja, es gab Phasen, da haben wir in meiner WG in Hamburg fast jeden Abend Siedler von Catan gespielt.
Und da wurde dann das Spielbrett vom Tisch gepfeffert und der Tisch umgeschmissen, wenn es nicht lief?
Das war als Kind so. Aber mittlerweile habe ich mich echt im Griff, das hat sich im Alter zum Glück eingependelt. Sonst bekommt man als Fußballer auf Dauer auch Probleme. Niederlagen gehören ja zum Job dazu.