Der FC Schalke gewinnt mal wieder ein Spiel. Der Anfang einer großen Aufholjagd? Wohl kaum. Warum der Schalker Sieg trotzdem wichtig für die Zukunft ist.
Dimitrios Grammozis versuchte gar nicht erst, seine Erleichterung nach dem 1:0‑Sieg über den FC Augsburg zu verstecken. Überschwänglich feierte er seinen ersten Sieg als Schalker Trainer. „Dieses Gefühl nach dem Spiel war unbeschreiblich. Es war ein bisschen so, als wenn man das erste Mal verliebt ist.“
Grammozis‘ Euphorie mutet seltsam an. Ja, Schalke gewann zum zweiten Mal in dieser Saison ein Bundesliga-Spiel. Hoffnung auf den Klassenerhalt macht der Sieg indes nicht. Weiterhin beträgt der Abstand auf den Relegationsrang 13 Punkte; ein unmöglich aufzuholender Rückstand angesichts sechs verbleibender Spieltage.
Dennoch sind Erfolge wichtig, nicht nur für die Schalker Fanseele, sondern auch für den Trainer. Schalke möchte unbedingt vermeiden, mit einer „Lame Duck“ in die neue Saison zu starten. Jeder Erfolg stärkt den Trainer. Kann der 1:0‑Sieg der Beginn einer Trendwende sein? Was hat sich unter dem neuen Trainer verändert? Vier Thesen zum FC Schalke unter Grammozis.
„Kompaktheit“: So lautet das Zauberwort aller Trainer auf Schalke. David Wagner, Manuel Baum, Christian Groß und nun Grammozis: Sie suchten alle nach dem heiligen Gral der defensiven Stabilität. Gefunden hat ihn bisher niemand.
Auch Grammozis setzte zunächst an der Defensive an. Unter ihm kehrten die Schalker zur Fünferkette zurück. Nach einigen Experimenten mit einem 5 – 2‑3-System spielen sie nun zumeist in einem 5 – 3‑2-System. Sie wagen dabei nicht das höchste Pressing, sondern fokussieren sich auf die Verdichtung der Räume im Zentrum.
Mit jedem Spiel funktioniert dieser Stil besser: Bei der 1:2‑Niederlage gegen Leverkusen wie auch beim 1:0‑Erfolg gegen Augsburg standen die Schalker dichter, sie lenkten den Gegner geschickter nach Außen. Die lang gesuchte Kompaktheit – sie findet sich langsam, aber sicher.
Die größte Veränderung unter Grammozis betrifft jedoch nicht den Spielstil; schon seine Vorgänger haben versucht, Schalke das Verteidigen beizubringen. Im Vergleich zu seinen Vorgängern gibt der neue Coach jedoch der Jugend konsequent eine Chance.
Beim 0:0 gegen Mainz hatte er die jüngste Startelf dieser Schalker Saison aufgestellt, sie war im Schnitt keine 24 Jahre alt. Gegen Augsburg trieben Ralf Fährmann (32) und Klaas-Jan Huntelaar (37) den Schnitt nach oben.
Auch beim Sieg gegen Augsburg vertraute der neue Trainer der Jugend. Der 19-jährige Innenverteidiger Malick Thiaw ist gesetzt, ebenso der zentrale Mittelfeldspieler Can Bozdogan (20). Beide überzeugten gegen den FCA. Rechtsverteidiger Mehmet Can Aydin (19) blieb hingegen blass, jeder zweite Pass landete beim Gegner.
Dennoch: Grammozis stellt zukunftsorientiert auf. Sead Kolasinac und Skhodran Mustafi sitzen plötzlich auf der Bank. Beide haben nach Ablauf der Saison keine Zukunft auf Schalke. Die jungen Spieler hingegen schon.
Ein alter Haudegen hingegen hat die Chance, weiterhin auf Schalke zu bleiben. Nachdem Oldie Huntelaar in den ersten Wochen nicht fit war, findet er aktuell zu alter Form zurück. Gegen Leverkusen traf er und avancierte somit zu Schalkes ältestem Bundesliga-Torschütze.
Auch gegen Augsburg stellte er seinen Wert unter Beweis: Unermüdlich arbeitete er mit nach hinten, schloss Räume, lief als vorderster Spieler im Pressing an. Offensivaktionen hatte er kaum; dafür stand Schalke nach der frühen 1:0‑Führung zu tief. Mit seiner Defensivarbeit diente er der Mannschaft trotzdem als Vorbild.
Ob er eine Zukunft auf Schalke hat? Die Verantwortlichen wollen mit ihm zumindest verhandeln. Die Gespräche sollen jedoch erst beginnen, sobald der Kader für die neue Saison steht. Gut möglich, dass Huntelaar den Schalkern kommendes Jahr in der zweiten Liga aushilft.
Trotz einiger positiver Aspekte: Selbst der Sieg gegen Augsburg taugt nur bedingt als Mutmacher. Auch in dieser Partie hatte Schalkes Gegner die besseren Chancen. Am Ende stand es 7:12 nach Abschlüssen. Schalke kam nur zum frühen Tor, da Augsburgs Keeper Rafael Gikiewicz patzte.
Man kann sogar behaupten: Schalke traf an diesem Nachmittag auf einen dankbaren Gegner. Augsburg lebt in dieser Saison von der defensiven Stabilität. Spielerische Akzente setzen sie wenige. Nach dem frühen Rückstand waren sie mit der Rolle überfordert, selbst das Spiel zu gestalten. Lange Zeit nahmen sie die Rolle gar nicht erst an: Bis weit nach der Pause hatten die Schalker den höheren Ballbesitzwert, da sich Augsburg hinten reinstellte. Man hatte nicht das Gefühl, dass Augsburg sich der Aufgabe gegen Schalke bewusst war.
Auf solche Gegner wird Schalke in der zweiten Liga kaum treffen. Der Hamburger SV kann ein Lied davon singen: Gegen den ehemaligen Bundesliga-Dino setzen alle Teams auf ein kampfbetontes Mittelfeldpressing, niemand sucht den Ballbesitz. Schalke wird sich spielerisch steigern müssen.
Hundert Prozent sicher ist der Abstieg indes noch nicht. Grammozis hat erklärt, die restlichen Partien dieser Saison allesamt gewinnen zu wollen. Selbst das könnte mit dem Abstieg enden. Aber zumindest hätte er so nach einem Abstieg die Euphorie auf seiner Seite.