Pele Wollitz ist zurück in Cottbus. Wieder einmal. Es ist das nächste Kapitel einer Trilogie, in der beide Seiten nicht ohne einander können.
„Claus-Dieter Wollitz wird neuer Trainer bei Energie Cottbus.“ Ein kurzer Satz, eine simple Schlagzeile, für Außenstehende vermutlich nicht mehr als der Titel einer fünfzeiligen dpa-Meldung. Doch es ist ein Satz, der zeitlos ist, denn wer es nicht weiß, kann nicht erraten, ob die erwähnte dpa-Meldung von 2009, 2016 oder 2021 stammt. Es ist ein Satz, der viel aussagt über die Entwicklung und Strategie eines Fußballvereins, der seit zwölf Jahren offenbar nur unter einem einzigen Trainer erfolgreich sein kann. Einem Trainer, der im Laufe des vergangenen Jahrzehnts trotz (oder gerade wegen) kurzer, nicht wirklich vielversprechender Affären mit anderen Vereinen immer wieder festgestellt hat, dass es nirgendwo so schön ist wie zu Hause. Oder anders gesagt: Dass er ebenfalls nur bei einem bestimmten Klub funktioniert.
Zwei Partner also, die nicht ohne einander können. Die aber nach einer Weile stets feststellen, dass das Miteinander auch nicht wirklich harmonisch funktioniert. Wikipedia sagt dazu: „Wenn das Vertrauensverhältnis grundlegend gestört ist, kann es zu einer On-Off-Beziehung kommen, die durch periodische Zyklen von Trennungen und Versöhnungen charakterisiert ist.“ Besser kann man das Verhältnis zwischen Pele Wollitz und dem FC Energie wohl kaum beschreiben. Doch wie ist es im Laufe der Jahre dazu gekommen? Der Versuch einer Erklärung.
Sommer 2009. Energie Cottbus ist gerade aus der Bundesliga abgestiegen und verpflichtet Wollitz zum ersten Mal als Cheftrainer. Der damals 43-jährige will das verstaubte Image des Vereins modernisieren und am liebsten direkt wieder aufsteigen. Das gelingt zwar nicht, doch Wollitz lässt einen attraktiven Offensivfußball spielen und erobert durch sein emotionales Verhalten an der Seitenlinie schnell die Herzen der Fans. Spätestens in seiner zweiten Saison lässt er letzte Zweifler verstummen: Energie stürmt durch die Zweite Liga, torreiche Spiele sind die Regel, und bis heute erinnert man sich in der Lausitz an das legendäre 5:5 im Montagabendspiel gegen den Karlsruher SC. Dazu trumpft der FCE in der sportlich erfolgreichsten Saison der 2010er-Jahre im DFB-Pokal auf und wäre um ein Haar nach Berlin gefahren, doch im Halbfinale verlieren die Cottbuser unglücklich gegen den MSV Duisburg.
Erstmals zeigt sich in dieser Zeit auch Wollitz‘ herausragende Fähigkeit, junge Spieler zu entwickeln und zu gestandenen Profis zu machen. Der spätere Nationalspieler Nils Petersen wird unter ihm mit 22 Jahren Torschützenkönig der Zweiten Liga und wechselt nach der Saison zum FC Bayern München.
Doch Ende 2011 ist dann erstmals Schluss. Offiziell bittet der Coach von sich aus um Auflösung seines Vertrages, aber in der Stadt halten sich schon damals Gerüchte, dass das Ende der Zusammenarbeit nicht ganz so freiwillig gewesen sei. Nach Wollitz‘ Abgang stürzt Energie ab, 2014 folgt sogar der Gang in die Drittklassigkeit. Als sich der Verein im Frühjahr 2016 auch dort bis auf einen Abstiegsplatz manövriert hat, zieht die Führung die Reißleine und verpflichtetet in größter Verzweiflung zum zweiten Mal Wollitz, obwohl dieser zuvor beim VfL Osnabrück und bei Viktoria Köln vorzeitig beurlaubt worden war.
Unter gänzlich anderen Voraussetzungen als 2009 unterschreibt der Westfale diesmal in Brandenburg. Er soll im Saisonfinale eine völlig verunsicherte Mannschaft mit seiner emotionalen Ansprache vor dem Ärgsten bewahren, was ihm zunächst auch zu gelingen scheint. Aber in der 89. Minute des letzten Spieltages gibt Energie einen sicher geglaubten Sieg aus der Hand und steigt aus dem bezahlten Fußball ab. Schockstarre im Stadion der Freundschaft.
Doch für Pele Wollitz ist schnell klar: Er wird den Gang in die Regionalliga mit antreten und trotz arg limitierter finanzieller Mittel den Neuanfang anführen. Aus U19-Spielern, vertragslosen Akteuren und Neuzugängen, die von anderen Viertligisten nach Cottbus gelotst werden, formt er eine eingeschworene Truppe. Streli Mamba, vorher wenig erfolgreicher Stürmer in der zweiten Mannschaft des SV Sandhausen, entwickelt sich in Cottbus gar zum späteren Bundesligaspieler. Ein Karrieresprung, den er in einem Interview mit dem RBB maßgeblich mit dem Namen Wollitz verknüpft.
Kaum ein Spieler aus dem Kader hat vorher höherklassig gespielt, doch zwei Jahre nach dem Abstieg steigt der FC Energie nach einer überragenden Saison mit 89 Punkten in die Dritte Liga auf. Pele Wollitz ist es gelungen, einen Verein, der am Abgrund stand, souverän zurück in den Profifußball zu führen. Doch trotz seiner unbestrittenen sportlichen Expertise polarisiert er in der Lausitz und bundesweit. Aufgrund seiner regelmäßigen Ausraster an der Seitenlinie gilt er als Choleriker, und auch in Pressekonferenzen und Interviews schießt er häufig über das Ziel hinaus. Da ist sein misslungener Versuch, sich schützend vor den Verein zu stellen, eine Wutrede in Richtung Verband aufgrund der komplizierten Aufstiegsregelung oder ein bemitleidenswerter MDR-Reporter, der sich nach einem Spiel bei Lok Leipzig im Field-Interview anpöbeln lassen muss – der Energie-Trainer macht sich nicht nur Freunde.