Seit 1000 Tagen hat Pál Dárdai das Ruder der Hertha im Griff. Innerhalb von zwei Jahren führte er die Berliner aus dem Abstiegskampf nach Europa. Nun findet sich der Ungar in einer neuen, alten Situation wieder.
Abgesehen von der sportlichen Leistung, haben Mannschaft und Trainer in den letzten Wochen aber auch an anderer Front Einbußen hinnehmen müssen: Das Verhältnis zu den Fans ist so angespannt wie lange nicht. Als die treuesten Hertha-Anhänger die eigene Mannschaft nach der Niederlage in der Europa League gegen Luhansk am Flughafen in Lemberg kritisierten, ließ sich Mitchell Weiser zu der Bemerkung „Es zwingt Euch ja niemand, auswärts mitzufahren“ hinreißen. Herthas Pressesprecher dürfte bei dieser Aussage ordentlich ins Schwitzen gekommen sein – neue Sympathien der eigenen Fans konnte Weiser mit diesem Spruch sicherlich nicht gewinnen.
Wenn die Ultras den Support einstellen…
Nur eine knappe Woche später stand das Pokalspiel gegen Köln an. Mit einem Sieg hätte die Mannschaft dafür sorgen können, dass sich Fans und Umfeld beruhigen – vor allem hätten sie dafür gesorgt, dass der langersehnte Traum der Herthaner vom Finale im eigenen Stadion zumindest für den Moment lebt. Es sollte jedoch anders kommen. Die Ultras reagierten, indem sie in der 70. Minute den organisierten Support einstellten. Die Vorsänger schwiegen, Teile der Ostkurve nahmen sogar auf den Schalensitzen Platz: Ausgerechnet in der Ostkurve, in der die Sitze sonst nur während der Halbzeitpause zum Einsatz kommen. Die „Harlekins Berlin ’98“, die größte Ultra-Gruppierung der Hertha, erläuterte diesen Schritt im „Kurvenecho“, dem Spieltagsblatt, das vor jedem Bundesligaheimspiel von den Ultras verteilt wird, wie folgt: „Der Stachel saß tief und mit der Erinnerung an die Ergebnisse und Erlebnisse aus Mainz, Östersund, Lemberg und Freiburg war an einen organisierten Support nicht mehr zu denken.“
Die Mannschaft kam nach Abpfiff nicht in die Kurve. Stattdessen wurde sie von den eigenen Fans lautstark ausgepfiffen, ausgebuht und mit Gegenständen beworfen – es flogen Tetra Paks und Feuerzeuge. Einzelne Fans versuchten sogar, in den Innenraum des Olympiastadions zu gelangen, um Coach und Mannschaft zur Rede zu stellen – Indizien dafür, wie angespannt die Situation derzeit ist: In Berlin brennt der Baum.
Grund zur Hoffnung
Klar ist aber auch, dass in dieser Saison noch nichts verloren ist. Am vergangenen Samstag konnte der HSV mit 2:1 geschlagen werden; Team und Fans zeigten sich vor dem Anpfiff versöhnlich, die Mannschaft kam in die Kurve und wurde vom Berliner Anhang angefeuert. Und auch in der Europa League besteht vor dem heutigen Spiel noch eine Minimalchance aufs Weiterkommen.
Auf die nächsten 1000 Tage mit dem Ungarn an der Seitenlinie? „Ich wünsche es mir“, so Schwitzky. „Mit Dárdai und Preetz hast du den eigenen Rekordtorschützen als Manager und den Rekordspieler als Trainer – etwas Schöneres kann man sich als Herthaner doch gar nicht vorstellen!“