Seit 1000 Tagen hat Pál Dárdai das Ruder der Hertha im Griff. Innerhalb von zwei Jahren führte er die Berliner aus dem Abstiegskampf nach Europa. Nun findet sich der Ungar in einer neuen, alten Situation wieder.
373 Pflichtspieleinsätze für Hertha BSC, 286 allein in der Bundesliga: Als Spieler hat sich Pál Dárdai längst verewigt.
Seit bald drei Jahren ist Dárdai auch als Trainer auf bestem Wege, Argumente dafür zu liefern, dass man ihm eines Tages in Berlin ein Denkmal bauen wird. Seit 1000 Tagen sitzt Dárdai auf der Trainerbank der Hertha; nur Peter Stöger und Christian Streich sind unter den amtierenden Bundesligatrainern noch länger im Amt als der Ungar. Der wohl größte Verdienst seiner Amtszeit: „Er hat es geschafft, der Mannschaft eine Identität einzuimpfen und ihr eine unglaubliche Stabilität zu geben“, meint Marc Schwitzky, Chefredakteur des Fanzines „Hertha BASE 1892“.
Dárdai übernahm die Mannschaft, als sie im Winter 2015 kurz davor stand, zum dritten Mal innerhalb von sechs Jahren in die 2. Bundesliga abzusteigen. Er konnte das Ruder herumreißen, die Mannschaft schaffte am letzten Spieltag den Klassenerhalt und seitdem wurde in Berlin vieles richtig gemacht: Die Hertha spielt in dieser Saison erstmals seit 2009/2010 wieder in der Europa League und hat in Gestalt von Marvin Plattenhardt den ersten A‑Nationalspieler seit Arne Friedrich, der von 2002 bis 2010 für den Verein auflief, hervorgebracht. Dárdai und die „Alte Dame“ – das passte nach wie vor.
Auf jedes Hoch folgt ein Tief
Doch in den letzten Wochen und Monaten stagniert die Leistung der Hertha. In der Liga steht man auf dem 11. Tabellenplatz, das Pokalendspiel im eigenen Wohnzimmer wird auch im Jahr 2018 ohne die Hertha stattfinden und es sieht danach aus, dass sich der Berliner an Weihnachten über alles mögliche freuen wird – nicht aber darüber, dass die eigene Mannschaft endlich mal wieder auf dem europäischen Parkett überwintert. Denn: Hertha steht bereits vor dem 4. Spieltag der Gruppenphase vor dem Aus.
Alles beim Alten?
Zuletzt präsentierte sich Dárdais Team in Liga, Pokal und Europa League erschreckend ideenlos und ohne Kampfgeist – in einem Ausmaß, das man in der „Ära Dárdai“ noch nicht gesehen hatte. Die Hertha verfiel in alte Muster und zeigte sich wieder von der Seite, die ihr in der Vergangenheit das Image einer grauen Maus eingebracht hat. Vor allem steht die Defensive nicht mehr so sicher, wie man es von dem Team gewohnt ist.
Der Tiefpunkt war das Aus im Pokal gegen der 1. FC Köln, als man sang- und klanglos mit 1:3 ausschied. Die Kölner hatten zu diesem Zeitpunkt, abgesehen von der 1. Pokalrunde, nicht ein einziges Pflichtspiel gewonnen und in neun Ligaspielen zusammengenommen so oft ins gegnerische Tor getroffen wie an jenem Abend in Berlin. Ist es da angebracht, Dárdai in Frage zu stellen? „Man sollte so fair sein, Dárdai Zeit zu geben, auf die aktuellen Entwicklungen zu reagieren; zumal er sich in den letzten Jahren definitiv einen Kredit erarbeitet hat. Mit der diesjährigen Doppelbelastung sieht er sich einer neuen Herausforderung ausgesetzt“, so Schwitzky.