Heute vor 16 Jahren wurde die EM in Belgien angepfiffen. Mittendrin: Nico van Kerckhoven. Hier spricht er über EM-Druck und einen folgenschweren Zweikampf mit Francesco Totti.
Nico van Kerckhoven. Erinnern Sie sich an den 10.06.2000?
Der Tag des Eröffnungsspiels gegen Schweden. Da hatten wir eine Menge Druck. Wir mussten für eine Chance auf den zweiten Platz gegen die Schweden unbedingt gewinnen, weil wir mit Italien noch einen der großen Favoriten in unserer Gruppe hatten.
Wie haben Sie den Tag vor dem Spiel verbracht?
Das war wie im Klub auch zunächst der normale Tagesablauf. Aufstehen, gemeinsam frühstücken, dann ein Spaziergang, dann Taktikbesprechung. Danach aufs Zimmer, der eine liest ein Buch, andere spielen Karten. Ich habe mich dann noch ein bisschen auf die Couch gelegt. Ein kleines Schläfchen vor den Spielen tat mir immer gut.
Sie konnten vor dem EM-Eröffnungsspiel im eigenen Land schlafen?
Ja, klar. Eine Stunde habe ich bestimmt geschlafen. Erst beim Aufwärmen auf dem Platz kam die Aufregung. Aber als Profi muss man damit umgehen können.
Dank Toren von Emile Mpenza und Bart Goor gewannen sie das Spiel.
Ich saß allerdings wegen einer kleineren Verletzung zunächst auf der Bank. Erst gegen Italien habe ich von Anfang an gespielt.
Wo sie gleich zu Beginn in der Luft einen Zweikampf gegen Francesco Totti verloren, der den Ball zur Führung einköpfte.
Das kann schon sein. Ich weiß aber nicht mehr genau, ob es nach einem Standard war oder aus dem Spiel.
Nach dem Italien-Spiel verloren Sie auch gegen die Türkei und flogen raus. Waren die Fans richtig sauer?
Die Enttäuschung war riesengroß. Wenn du das erste Spiel gewinnst, ist automatisch Euphorie da. Gegen Italien haben wir gut gekämpft und dann hätte uns gegen die Türkei ein Unentschieden gereicht. Das hat nicht geklappt und war sehr, sehr bitter. Ich bin dann ziemlich fix in den Urlaub und habe einfach keine Zeitungen angerührt. Ich wollte raus aus dem Turniermodus.
Was würden Sie den französischen Spielern raten, die jetzt in einer ähnlichen Situation sind wie Sie damals?
Der Kader der Franzosen hat so viel mehr Qualität als unser damals. Die spielen alle in Top-Mannschaften und von daher wissen die genau, wie sie mit den Erwartungen umzugehen haben. Deshalb glaube ich auch, dass sie gegen Rumänien gewinnen werden, wenn auch nicht total locker. Sie werden die ganze Nation hinter sich haben und haben eine gute Vorbereitung gespielt. ich glaube nicht, dass da negativer Druck ist.
Und was wird von dem belgischen Team in ihrer Heimat erwartet?
Mindestens das Halbfinale. In der Gruppenphase müssen wir weiterkommen, aber da mache ich mir keine großen Sorgen. Danach sind es K.O.-Spiele und da kann alles passieren. Vielleicht erwischt man früh Deutschland oder Spanien und dann kann es auch schnell vorbei sein. Aber bei der Qualität, die wir haben, da wäre alles andere als das Halbfinale eine Enttäuschung. Das ist anders als vor 16 Jahren.
Auf wen kommt es bei den Belgiern besonders an?
Eden Hazard und Kevin de Bruyne sind unsere zwei Schlüsselspieler. Allerdings mache ich mir ein wenig Sorgen um unsere Defensive. Vincent Kompany fällt verletzt aus, er ist unser Kapitän und ein sehr wertvoller Spieler. Um so wichtiger wird auch unser Torwart sein, Thibaut Courtois.
Auf welches Team außer Belgien freuen Sie sich besonders?
Ich erwarte sehr viel von Frankreich. Sie sind für mich der klare Favorit auf den Titel. Sie haben die Fans im Rücken und so extrem viel Talent, dazu erhoffe ich mir von Paul Pogba eine großartige EM.
Gibt es denn einen Spieler, der sie an sie selbst erinnert?
Ja, sogar bei uns im belgischen Team: Jan Verthongen von Tottenham. Ich weiß nicht, ob Marc Wilmots ihn innen oder links spielen lassen wird, aber wenn er links spielt, ist er mir schon ähnlich. Der Drang nach vorne, dazu die Schnelligkeit und die ähnliche Statur. Nur sein linker Fuß ist vielleicht noch ein bisschen besser als meiner früher.
Wo schauen Sie heute das Eröffnungsspiel?
Das gucke ich zu Hause. Aber beim Spiel Deutschland gegen Polen bin ich dann auch im Stadion, da hat mich ein Freund nach Paris eingeladen.
Machen Sie sich Sorgen um die Sicherheit, wenn Sie selber im Stadion sind?
Ich denke schon schon darüber nach. Aber ich hoffe, dass nichts passieren wird. Hoffentlich geht einfach alles gut.