Weihnachten steht vor der Tür. Also die Zeit im Jahr, in der uns im Kreise der vermeintlich Liebsten oft die richtigen Worte fehlen. Wie viel leichter doch alles wäre, wenn wir einfach auf Fußballfloskeln zurückgreifen könnten!
Frau (packt Geschenk aus): Eine Packung Merci? Echt jetzt?
Mann: Ja gut, wie gesagt, wir haben uns von Anfang an sehr um diese Packung Merci bemüht und sind umso glücklicher, dass wir die Verpflichtung letzten Endes realisieren konnten. Der Kontakt zum Supermarkt ist nie ganz abgerissen, und das kam uns jetzt in den Gesprächen zugute. Ich glaube, wir werden viel Freude an dieser leckeren Schokolade haben.
Frau (enttäuscht): Ich hab mir einen Kaffeeautomaten gewünscht.
Mann: Wir haben hier eben andere wirtschaftliche Rahmenbedingungen als an anderen Ehestandorten. Deswegen müssen wir auf dem Geschenkemarkt cleverer agieren und kreativer sein als andere. Der Markt ist völlig überhitzt. Es ist schon Wahnsinn, was teilweise für Summen gezahlt werden. Wenn sich da dann eine Gelegenheit beitet, müssen wir da sein.
Frau: Das nennst du kreativ?
Mann: Die Merci sind als Verstärkung in der Breite gedacht. Wir haben eine lange Saison vor uns, da werden wir jedes Stückchen Schokolade gut gebrauchen können.
Frau: Ich mag gar keine Schokolade.
Mann: Klar, die Automatismen können ja noch gar nicht da sein. Eine gewisse Eingewöhnungszeit muss man der Schokolade auch zugestehen. Aber dann wird sie die erhoffter Verstärkung sein. Wir sind von ihrem Potential absolut überzeugt. Und im Januar hast du Geburtstag. Die Merci sind also auch ein Vorgriff auf die Zukunft.
Frau: Ich hab dir ein Wochenende in einem Bungalow an der Ostsee geschenkt.
Mann: Ja gut, aber das ist letzten Endes ja nur ein Leihgeschäft. Du hast, wenn ich das richtig verstanden habe, ja nicht einmal eine Kaufoption für den Bungalow vereinbart. Das kann nicht unser Weg sein. Denn so laufen wir Gefahr, dass wir anschließend ohne… Schatz? Wo gehst du hin? Schatz? Mh.
Kinder (fröhlich): Guck mal, Papa. Haben wir dir gemalt.
Vater (schulterzuckend): Mh, ja. Naja.
Mutter: Mensch, jetzt freu dich doch mal.
Vater: Also, die Jungs bemühen sich ja. Aber aktuell reicht es einfach nicht. Das ist zu wenig.
Kind 1: *heult*
Vater: Es ist keine Grundordnung zu erkennen. Und die Abstände zwischen den Linien stimmen nicht. Das sieht man dann auch am Weihnachtsbaum, schau hier, total schief. Daran müssen wir arbeiten.
Kind 2: *heult*
Mutter: Herbert!!!
Vater: Wir müssen einfach zurück zu unseren Grundtugenden finden. Kompakter malen. Die farbliche Disziplin an den Tag legen, die uns in der Vergangenheit stark gemacht hat. Und auch mal ein richtiges Zeichen setzen. Schau hier, der Stern sieht gar nicht aus wie ein echter Stern.
Kind 1: *heult Rotz und Wasser*
Vater: Jammern bringt jetzt aber auch nichts. Wir müssen einfach weiter hart arbeiten und dann werden sich die Jungs auch wieder belohnen, da bin ich ganz sicher. Hast du gehört, Luca? Ihr werdet euch sicher wieder belohnen.
Kinder: *rennen heulend in ihr Zimmer*
Vater (zur Mutter): Und in den Zwischenräumen fehlt komplett die Präsenz. Schau hier, gar nicht ausgemalt. Schau! Darüber müssen wir reden.
Mutter: Mann, Herbert.
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Freund 1 (abwinkend): Die spielen schon wieder genau die gleiche Scheiße wie letztes Jahr.
Freund 2: Wahnsinn. Was trainieren die eigentlich in den Proben?
Freund 1: Tja, Schauspiel bestimmt nicht. *Gelächter*
Freund 2: Da passt nix. Gar nix. Guck dir das an, das Jesuskind liegt nur auf dem Boden. In einer Tour. (Ruft rein) Steh auf, Mann!
Umsitzende: Psssssscht!!!
Freund 2: Ja is doch wahr.
Freund 1: Verstehe nicht, warum der Pastor den überhaupt auf so einer zentralen Position einsetzt? Der ist da doch völlig überfordert.
Freund 2: Der war letztes Jahr noch ein Schaf. Und soll jetzt hier die Kohlen aus dem Feuer holen, oder was? In 2000 Jahren Kirchengeschichte habe ich noch nicht so eine verfehlte Kaderplanung gesehen. Da müssen sich alle hinterfragen, in der ganzen Diözese. Meine Meinung.
Freund 1: Kommt aus der Kirchenjugend ja auch nichts nach. Da brauchste dich nicht wundern. Guck dir den Josef doch an, wie er da rumsteht. Hauptsache keine Verantwortung übernehmen.
Freund 2: Du sagst es. Keiner traut sich was zu, keiner hat mal ‚ne Idee. Immer alles nach Schema F‑Dur.
Freund 1: Tss. Aber Hauptsache, die heiligen Könige wieder in ‚ner Dreierkette auflaufen lassen. Sieht doch ‚n Blinder, dass da die Abstände nicht stimmen. (Ruft rein): Ey, Balthasar, dat soll ‚n anständiger Psalm sein? Dat kann meine Omma ja besser.
Umsitzende: Pssssscht!
Balthasar auf der Bühne: *heult*
Freund 1: Ja is doch wahr.
Pastor (kommt wütend zum Platz): Ruhe jetzt hier. Lassen Sie die Kinder in Frieden.
Freund 2: Hömma, ich komm‘ seit 30 Jahren zum Krippenspiel, bei Wind und Wetter. Du hast mir gar nix zu sagen, du Hafensänger.
Pastor: Ist das Dosenbier?! RAUS!
* Handgemenge *
Mann: Prost, Schatz, auf uns. Und auf das vergangene Jahr. Ich hoffe, dass wir in der Rückrunde an die größtenteils guten Leistungen anknüpfen können.
Frau: Ja gut, wie gesagt, das war eine sehr intensive Saison. Ich denke, wir werden uns im Winter zusammensetzen und dann in Ruhe über die zukünftige Ausrichtung sprechen.
Mann (irritiert): Was soll das denn heißen?
Frau: Klar, ich habe hier bei dir einen gültigen Ehevertrag, und den respektiere ich. Aber es kann immer was passieren. In meiner derzeitigen Form bin ich sicherlich auch für andere interessant. Und wenn ein junger, dynamischer Zahnarzt kommt und ernsthaftes Interesse signalisiert, werde ich mir das natürlich anhören. Das ist ja auch ein Stück weit eine Wertschätzung. Natürlich macht mich das auch stolz.
Mann: Was denn für ein Zahnarzt? Etwa Dr. Müller von nebenan?
Frau: Das möchte ich weder bestätigen noch dementieren. Aber klar ist: Es gab bereits in der Vergangenheit immer mal wieder Interessenten. Das hat sich zwar nicht realisieren lassen, aber der Kontakt ist nie ganz abgerissen. Sollte das Interesse jetzt noch einmal konkret werden, müssen wir uns zusammensetzen. Vielleicht will ich auch den nächsten Schritt machen. Ich muss schauen, was für meine Entwicklung das beste ist.
Mann: Ohgott, du willst mich verlassen?
Frau: Das habe ich nicht gesagt. Ich fühle mich hier sehr wohl und spüre das Vertrauen. Aber ich kann auch nichts ausschließen, es ist alles offen. Am Ende des Tages müssen wir eine Lösung finden, mit der alle zufrieden sind und nach der wir uns noch in die Augen schauen können. Aber es ist noch zu früh, Wasserstandsmeldungen abzugeben. Wenn es eine Entscheidung gibt, erfährst du es als erstes, versprochen. Noch Sekt?
Mann: *weint*
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