Ohne Einbindung von Sportdirektor Gerhard Zuber verpflichtet Hannovers Geschäftsführer Martin Kind den Trainer für die neue Saison. Nun steht auch Zuber vor dem Aus – und der Klub vor den Scherben seiner Führungskultur.
Gerhard Zuber macht bei Hannover 96 keine einfache Zeit durch. Seit April 2017 arbeitet der Österreicher für die Roten. Er kam gemeinsam mit Ex-Sportdirektor Horst Heldt an die Leine und arbeitete zunächst als Assistent an dessen Seite. Als Heldt zwei Jahre später entlassen wurde, sollte auch Zuber gehen. Der 45-Jährige klagte jedoch gegen die Entlassung und bekam vor Gericht recht. In die Kaderplanungen von Neu-Manager Jan Schlaudraff wurde er allerdings nicht eingeweiht. Stattdessen musste er mit einem unbefristeten Vertrag ausgestattet in einem Kellerraum Jugendspieler scouten. Nach Schlaudraffs Entlassung im Januar 2020 folgte der Turnaround: Zuber wurde über Nacht zum Sportdirektor befördert und wenige Monate später mit einem Vertrag bis Sommer 2023 ausgestattet.
Nach dem enttäuschenden Verlauf der aktuellen Saison folgte jedoch kürzlich die nächste weitreichende Personalentscheidung: Trainer Kenan Kocak und Hannover 96 einigten sich auf eine Beendigung der Zusammenarbeit zum Saisonende. Nach rund zweiwöchiger Trainersuche gab der Zweitligist am vergangenen Montag die Verpflichtung von Jan Zimmermann als neuen Trainer für die kommende Saison bekannt. Normalerweise eine Kernaufgabe des Sportdirektors. Nicht so bei Hannover 96. Geschäftsführer Martin Kind hat Zuber offenbar erneut das Vertrauen entzogen und eigenständig mit den Trainer-Kandidaten verhandelt. Erst als sich Kind mit Zimmermann geeinigt hatte, informierte er auch Zuber über die Verpflichtung. Kind habe ihm mitgeteilt, er sei zuversichtlich, dass er mit Zimmermann gut zusammenarbeiten werde, berichtete Zuber dem Kicker.
Nun soll also ein Sportdirektor zusammen mit einem Trainer, den er weder persönlich kennt, noch ausgesucht hat, eine aufstiegsfähige Mannschaft für die kommende Saison planen. Kann das funktionieren?
Fest steht: Kind ist unzufrieden mit der noch laufenden Saison und macht neben Trainer Kocak auch Sportdirektor Zuber für die schwachen Ergebnisse verantwortlich. Langfristig scheint Kind nicht mehr mit dem Österreicher zu planen, sonst hätte er ihn bei der Trainersuche nicht übergangen.
Folgt nach der Trennung von Kocak also bald die von Zuber? Vorstellbar, schließlich beschäftigt sich 96 laut Kicker mit Jan Schindelmeiser sowie mit dem Schweizer Fredy Bickel als Zubers Nachfolger. Auch Ex-Trainer Mirko Slomka soll für den Posten im Gespräch sein. Anderseits könnten finanzielle Aspekte gegen eine vorzeitige Trennung sprechen: Zuber hat bei 96 noch einen Vertrag bis 2023, eine Trennung würde also kostspielig werden.
Zudem ist die sportliche Verantwortung in Hannover auf wenigen Schultern verteilt. Beschlüsse werden von Kind, Trainer und Sportdirektor gefällt. Die Entscheidungswege sind kurz, umso wichtiger ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Trainer und Sportdirektor. Kind betont häufig, sich aus sportlichen Entscheidungen heraus halten und Trainer und Sportdirektor die Zusammenstellung der Mannschaft überlassen zu wollen. Dennoch mischt sich der 77-Jährige Unternehmer immer wieder ins sportliche Tagesgeschäft ein und sorgt damit nicht selten für Unruhe im Umfeld. Gerade Fingerspitzengefühl lässt Hannovers langjähriger Geschäftsführer häufig vermissen.
Da Hannover außerdem über keine ausgeprägte Scouting-Abteilung verfügt, sind Zubers Fachwissen und Netzwerk gerade jetzt eigentlich essentiell für die Verpflichtung neuer Spieler. Zimmermann ist zur Zeit noch als Trainer bei Nord-Regionalligist TSV Havelse tätig, mit dem er um den Aufstieg in die 3. Liga kämpft. Um sportlich nicht komplett ohne Führung dazustehen, muss der von Kind ins Abseits katapultierte Sportdirektor also die Planung der neuen Mannschaft übernehmen.
Dass er diese Aufgabe voller Herzblut angeht, darf auf Seiten Zubers bei seinen vielen unguten Erfahrungen aber wohl bezweifelt werden. Vor wenigen Tagen legte auch noch Dieter Schatzschneider, 96-Legende und Scout bei den Roten, gegen Zuber nach: „Es muss ein starker Sportdirektor kommen. Einer, der den Weg vorgibt“, äußerte sich der 63-Jährige Freund und Berater von Kind in einem Talk der Neuen Presse. Selbst von einem ihm formal untergeordneten Scout muss sich Zuber mittlerweile Kritik gefallen lassen.
Die Situation geht auch an ihm nicht spurlos vorbei. Der Noch-Sportdirektor möchte endlich Klarheit, wie er gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung deutlich machte: „Ich würde mir eine zeitnahe Entscheidung wünschen. Davon würde auch 96 profitieren, unabhängig davon, wie sie ausfällt.“
Es scheint auf eine Trennung von Zuber und 96 hinauszulaufen, schließlich spricht die Verpflichtung des neuen Trainers ohne Absprache mit dem gebürtigen Wolfsberger Bände. Auch die Verhandlungen über eine Vertragsverlängerung mit Abwehrchef Timo Hübers führt Kind ohne Zuber. Vielleicht spekuliert Kind auf eine beidseitige Vertragsauflösung, wie sie bei Trainer Kocak zum Saisonende erfolgen wird. Dann würde sich 96 die Abfindung sparen. Doch auch sein potentieller Nachfolger wird es unter Martin Kind wohl nicht einfach haben.