Mit 0:5 ging Borussia Dortmund in München unter. Eine Demütigung! Dabei sollte längst klar sein, dass der BVB keine Spitzenmannschaft ist – und genau darin die Leistung liegt.
Tja, da standen sie also in den Katakomben und gaben sich und sich selbst die Schuld an dieser Niederlage gegen die Bayern. Eine Blamage. Eine Schande. Isoliert betrachtet, meinte Sky-Experte Dietmar Hamann, habe der Auftritt Dortmunds „an Peinlichkeit gegrenzt“. BVB-Trainer Lucien Favre verschob die Perspektive und nannte es „eine Lehrstunde“, denn: „Bayern war viel besser“. Marco Reus kritisierte Einstellung und Aufstellung.
Irgendeine Erklärung müsse es ja geben für das scheinbar Unerklärliche. Dafür, dass der BVB in München unterging. Dabei ist es ganz einfach: Dortmund ist noch keine Spitzenmannschaft.
Einige Ausfälle reichen schon
Drei kurzfristige Ausfälle hatte Lucien Favre zu kompensieren. Paco Alcacer, der den Borussen bereits fünfmal in dieser Saison einen Punktgewinn in der Nachspielzeit bescherte, Achraf Hakimi und Raphael Guerreiro fehlten. Christian Pulisic ebenso. Weshalb der 20-jährige Jacob Bruun Larsen, der bis dato sporadisch zum Einsatz gekommene Mo Dahoud und Abdou Diallo – oder der völlig überforderte Dan-Axel Zagadou, wie man es eben dreht – spielten.
Und so standen schließlich auf dem Platz: Eine Viererkette aus drei U23-Spielern und einem angeschlagenen Lukasz Piszczek. Zwei Flügelstürmer, die kürzlich noch in der A‑Jugend kickten. Ein Mo Dahoud, der sonst nie spielt. Und das alles angeführt von Marco Reus, der sich in seiner Rolle sichtlich unwohl fühlte. Und diese Mannschaft soll nun vor einem Millionenpublikum mal eben mit den Bayern auf Augenhöhe spielen? Wohl eher nicht.
Wie wichtig war Favres Entscheidung überhaupt?
Nun aber wird Favre vorgeworfen, weil man es im Nachhinein immer besser weiß und auf der Suche nach den Gründen sehr schnell zum „eben anders“ gelangt, dass er Mario Götze und Julian Weigl nicht spielen ließ. Und ihre Einwechslungen sehen Kritiker als Bestätigung ihrer These. Viel wahrscheinlicher ist jedoch, dass diese Bayern, jene Bayern, die am Samstagabend über Dortmund hinwegfegten, wohl auch gewonnen hätten, wenn Mario Götze im Zentrum fleißig angelaufen wäre.
Schließlich standen Götze und Weigl in aller Regelmäßigkeit auch auf dem Platz, als Dortmund die übrigen großen Spiele in dieser Saison verlor. Beim 0:3 in London gegen Tottenham, beim 0:1 im Rückspiel und auch im verlorenen DFB-Pokalachtelfinale gegen Werder Bremen. Sie verloren in der Champions League auch auswärts in Madrid und waren dabei vor dem Tor (nur vier Torschüsse in einem CL-Spiel) so harmlos wie seit Beginn der Datenerfassung nicht – ein generelles Problem, das gegen Tottenham und eben gegen die Bayern auch zum Tragen kam.
Noch im Umbruch
Nach all diesen Spielen hatte die Vereinsführung im Anschluss gute Argumente, warum die Mannschaft nicht gewann. Mal waren es fehlende Spieler, mal war es Unerfahrenheit, mal war der Gegner einfach besser. Doch den größten Sportlern wird nachgesagt, dass sie die „Big Points“ holen, wenn die Umstände widrig sind. Selbst dann konnte sich der BVB entschuldigen, schließlich befinde sich der Verein aktuell im Umbruch.
Im Sommertrainingslager in Bad Ragaz erzählte Lucien Favre die Geschichte, Fans hätten ihn euphorisch angesprochen: „Jetzt jagt der BVB wieder die Bayern.“ Er aber habe nur gelächelt und besänftigt: „So schnell geht das nicht.“ Doch trotz der 0:5‑Niederlage gegen die Bayern, trotz der Blamage, der Schande, der „Peinlichkeit“, fehlt aktuell nur ein einziger Punkt. Der BVB jagt jetzt die Bayern, die Meisterschaft ist noch immer nicht entschieden. Gar nicht so schlecht, für eine Truppe, die in München nicht einmal auf Augenhöhe mitspielen kann.
Last-Minute-Winner
Dass dem so ist, das ist wohl die größte Leistung in dieser Saison. Weil Dortmund – abgesehen von den genannten großen Spielen – nur ganz selten Punkte ließ. Schon gegen Fürth, im Pokal, erlöste Axel Witsel seine Mannschaft in letzter Minute. In Berlin netzte Reus. Gegen Leverkusen, gegen Augsburg und gegen Wolfsburg traf Alcacer in der Nachspielzeit zum Sieg. Alcacer fehlte am Samstag.
Aber nun gut, ein Tor in letzter Minute hätte der Borussia – zumindest am Samstag – wohl sowieso nicht mehr genutzt.