Daniel Thioune ist der einzige schwarze Trainer im deutschen Profifußball. Nun übernimmt er beim HSV. Wie geht er mit dem Rassismus hierzulande um, wie mit schlechten Berufschancen? Und was hat er sich von Jürgen Klopp abgeschaut?
Was haben Sie gedacht, als Sie von den Äußerungen des Schalker Aufsichtsratsvorsitzenden Clemens Tönnies erfuhren, der den Bau von mehr Kraftwerken in Afrika nahegelegt hat, damit im Dunkeln nicht so viele Kinder gezeugt werden?
Darin offenbart sich ein antiquiertes Bild, das man an manchen Stammtischen hört, wenn das Kaltgetränk zu intensiv geflossen ist.
Ihr Freund Gerald Asamoah hat gesagt, er sei „sprachlos, geschockt und verletzt“ gewesen. Sie auch?
Ja. Aber ich glaube, dass es für ihn noch einmal schlimmer war, weil es jemand gesagt hat, der eigentlich zu seinem Kreis zählt. Das geht einem viel näher, als wenn das irgendwer sagt. Außerdem hat Gerald eine wesentlich intensivere Beziehung zu Afrika, als ich das habe. Ich bin in diesem Jahr zum ersten Mal dort gewesen, nachdem mein Vater gestorben ist.
Hätte Tönnies zurücktreten müssen?
Diese Entscheidung kann man niemandem abnehmen, das musste er allein für sich entscheiden. Möglicherweise wird er das Thema aber nicht so schnell
loswerden.
Haben Sie in der Frage des Antirassismus ein klares Sendungsbewusstsein?
Ich habe mich kürzlich relativ deutlich zum Fall Bakery Jatta geäußert …
… dessen Identität und dessen Flüchtlingsgeschichte angezweifelt wurden und der beim Spiel des Hamburger SV in Karlsruhe massiv ausgepfiffen worden ist.
Ich habe gesagt, dass es dem Jungen sicherlich nicht guttut, dass er ständig an seine Odyssee der Flucht erinnert wird, und dem Fußball auch nicht. Ich würde solche Pfiffe in Osnabrück nicht tolerieren. Daraufhin habe ich von unseren Fans das Feedback bekommen, dass es das bei uns nicht geben würde. Es war einerseits natürlich gut, die eigenen Jungs hinter sich stehen zu haben, wenn man sich so weit aus dem Fenster hängt. Mir war aber auch nicht klar, was ich mit meiner Aussage lostreten würde. Ich werde offenbar als Sprachrohr wahrgenommen, und meine Aussagen gewinnen an Bedeutung, habe ich festgestellt.
Erst dadurch?
Wenn ich im Supermarkt an der Kasse sitzen würde, könnte ich das jedem Kunden erzählen, aber niemanden würde es interessieren. Und auch nicht als Tabellensiebzehnter der Dritten Liga, wie vor zwei Jahren.
Sie haben sich ein sehr langes Zitat von Will Smith aus dem Film „Das Streben nach Glück“ auf den linken Unterarm tätowieren lassen: „Don’t ever let somebody tell you, you can’t do something. Not even me. You got a dream, you gotta protect
it. When people can’t do something themselves, they’re gonna tell you that you can’t do it. You want something? Go get it. Period.“ Was bedeutet das für Sie?
Ich habe den Film oft gesehen, und über diesen Spruch habe ich 2016 meine Abschlussarbeit zum Fußballlehrer geschrieben. Letztlich geht es darum, dass ich mir von niemandem sagen lasse, dass ich etwas nicht kann. Ich war in keinem Nachwuchsleistungszentrum und bin über die Kreisliga in den Profifußball gekommen. Meine erste Bewerbung zum Lehrgang für Fußballlehrer ist abgelehnt worden, und jetzt darf ich einen Zweitligisten trainieren.
Sie sind auch der einzige schwarze Cheftrainer im deutschen Profifußball. In den größeren europäischen Ligen gibt es
nur drei schwarze Trainer: Nuno Espirito Santo bei den Wolverhampton Wanderers, Patrick Vieira bei OGC Nizza und Vincent Kompany bei seinem Heimatverein RSC Anderlecht. Und hat-
ten wir in der Bundesliga überhaupt schon mal einen?
Zählen wir Valérien Ismaels Zeit in Wolfsburg nicht dazu? Aber wissen Sie: Ich kann in Problemen unterwegs sein oder in Lösungen.
Piara Powar, der Direktor von „Football Against Racism in Europe“, sagt: „Es besteht weiterhin das Vorurteil, dass schwarze Athleten zwar gute Performer sind, aber keine Leader.“
Das mag sein, aber darauf habe ich keinen Einfluss. Wenn ich mich aber mit Dingen beschäftige, auf die ich keinen Einfluss habe, bin ich nicht gut da, wo ich gerade bin. Und bislang habe ich funktioniert – unabhängig von meiner Hautfarbe. Aber klar, es gilt nach wie vor: Man muss als Schwarzer deutlich härter arbeiten, um zu leben wie ein Weißer.