Heute feiert der 1. FC Köln seinen 70. Geburtstag. Karl-Heinz Thielen, Wolfgang Weber und der bereits verstorbene Hannes Löhr waren dabei, als der Klub zum „Real Madrid des Westens“ wurde. 2011 haben wir sie auf ein Kölsch getroffen.
Das herausragende Spiel dieser Ära war das Viertelfinale im Landesmeistercup 1965 gegen den FC Liverpool, das nach drei ausgeglichenen Spielen – je 0:0 bei Heim- und Auswärtsspiel, die Entscheidung auf neutralem Platz in Rotterdam endete 2:2 – per Losentscheid die Engländer zum Sieger machte.
Weber: Wir hatten es geschafft, mit zehn Mann eine europäische Spitzenmannschaft an den Rand einer Niederlage zu bringen. Unser Beobachter hatte die vorher etwas überhöht dargestellt, so dass wir zu viel Respekt hatten. Wir waren selbstbewusst, aber nicht genug, um Liverpool zu schlagen.
Wolfgang Weber zog sich einen Wadenbeinbruch zu und konnte kaum noch laufen.
Thielen: Dadurch wurden wir hinterher plötzlich als sympathische Verlierer gesehen. Vorher waren wir immer die unsympathischen Gewinner gewesen. Als der Schiedsrichter nach dem Abpfiff beim Entscheidungsspiel in Rotterdam die Münze warf, war uns das natürlich noch nicht bewusst.
Wo haben Sie den Losentscheid erlebt, Wolfgang Weber?
Weber: Ich saß ungefähr auf der Höhe der Mittellinie, und nichts passierte. Ich habe gedacht: Hoffentlich springen die Weißen hoch! Mir ist erst später zugetragen worden, dass die Münze einmal im Morast steckengeblieben war. Und auf einmal sprangen die Roten hoch. Das war der absolute Tiefpunkt in meiner Fußballerkarriere.
Hat diese tragische Niederlage das weitere Schicksal des FC beeinflusst?
Löhr: Dieses Spiel war ein Knick in der Vereinsgeschichte. Das Los fällt, neigt sich etwas auf Weiß, aber es bleibt im Schlamm hängen. Der Schiedsrichter nimmt es wieder hoch, schmeißt, und es fällt auf Rot. Wenn der Hans Schäfer Kapitän gewesen wäre, hätten wir gewonnen, aber Hansi Sturm war halt ein Pechvogel.
Thielen: Das gilt ja auch für Trainer. Selbst gute Trainer brauchen Glück.
Löhr: Wir haben durch dieses Spiel unfassbar an Sympathie gewonnen, wir waren so was wie „Der Meister der Herzen“ … wenn ich so einen Driss schon höre!
Wie haben Sie das in den folgenden Monaten wahrgenommen?
Löhr: Ich war enttäuscht, aber dadurch, dass alle gesagt haben: ›Toll gespielt!‹, habe ich es überwunden. Aber es besteht immer die Gefahr, dass man in solchen Situationen genügsam wird. Alle Zuschauer sagen: ›Ihr seid die Besten.‹ Das ist immer schlecht, denn man verliert den Killerinstinkt.
Wurden Sie nach 1965 genügsamer?
Löhr: Wir waren plötzlich überall beliebt, und dann lässt man zwangsläufig ein bisschen nach. Und außerdem hatten wir keine gute Führung und keinen guten Trainer mehr. Und in der Mannschaft stimmte auch einiges nicht.
Warum ist es dem 1. FC Köln nicht gelungen, die herausragende Position zu konservieren? 1968 waren Sie noch Pokalsieger, im Jahr darauf wären Sie fast abgestiegen.
Weber: Meine Theorie ist, dass nach dem frühen Tod von Franz Kremer 1967 der Klub an der Spitze deutlich weniger prägnant geführt wurde. Das hat uns zurückgeworfen.
Löhr: Nachdem Kremer gestorben war, hatten wir ein Vakuum, das nicht ausgefüllt wurde. Dementsprechend strebte unser Verein nicht mehr nach dem Besten, sondern hat eigentlich nur noch überlebt.
Thielen: Wir gehörten aber immer noch zu den ersten fünf.
Weber: Es wurde auf höchstem Niveau geklagt. Cajkovski musste gehen, weil er das Endspiel um die Deutsche Meisterschaft nicht gewonnen hatte, Schorsch Knöpfle, weil er nur Zweiter in der Bundesliga geworden war.
Was stimmte Ende der sechziger Jahre in der Mannschaft nicht?
Thielen: Wir hatten damals einen Torwart, der mal Weltklasse gehalten hat und mal Kreisklasse: Paul Heyeres. Einmal haben wir im Europacup 2:0 gegen den FC Barcelona geführt. Endstand: 2:2 – weil er einen Ball von der Mittellinie reingekriegt hat und einen von der Außenlinie. Wenn du keinen guten Torwart hast, bist du immer in Abstiegsgefahr. Wir haben uns am Ende der Serie durch ein 3:0 gegen Nürnberg gerettet, mit einem A‑Jugendlichen im Tor. Dieselbe Mannschaft ist dann im nächsten Jahr Vierter geworden, weil wir einen anderen Torwart hatten: Manfred Manglitz. Diese Personalentscheidungen hatte auch mit der Klubführung zu tun.
Löhr: Die Maxime von Franz Kremer war: ›Immer das Beste für den 1. FC Köln!‹