Heute feiert der 1. FC Köln seinen 70. Geburtstag. Karl-Heinz Thielen, Wolfgang Weber und der bereits verstorbene Hannes Löhr waren dabei, als der Klub zum „Real Madrid des Westens“ wurde. 2011 haben wir sie auf ein Kölsch getroffen.
Der FC stilisierte sich unter dem Marketing experten Kremer zum piekfeinen „Real Madrid des Westens“. Wie fühlte es sich für Sie an, wenn Sie zum Auswärtsspiel nach, sagen wir, Braunschweig fuhren?
Löhr: Die Umkleiden waren in Braunschweig besser als anderswo, aber es war natürlich nicht so komfortabel wie am Geißbockheim.
Thielen: Baulich waren wir schon die Nummer eins, aber es ging auch um die sportliche Reputation. Wir waren in Deutschland, gelinde gesagt, nicht sehr beliebt. Es hieß immer: ›Da kommen die Eingebildeten.‹
Weber: Nur, weil du Student warst. (lacht)
Thielen: Uns eilte der Ruf voraus, dass wir hochnäsig seien. Wir traten bei den Auswärtsspielen auch immer picobello auf. Klubanzüge waren Pflicht. Franz Kremer achtete darauf, dass wir uns gut benahmen.
Einreiher oder Zweireiher?
Thielen: Graue Einreiher mit silber gesticktem ›1. FC Köln‹. Meinen habe ich immer noch im Schrank.
Auch eine Marketingidee von Kremer.
Thielen: Er hatte diesen frankophilen Einschlag, den er sich während seiner Zeit in Paris, wo er seine spätere Frau kennenlernte, angeeignet hatte. Er fuhr stets mit einem schicken Citroen-Cabriolet vor. Bei ihm spielten auch Dinge wie Tischmanieren eine Rolle.
Aber ein guter Fußballer ist ja nicht automatisch jemand, der mit Messer und Gabel umgehen kann.
Weber: Wenn Kremer etwas auffiel, nahm er sich einen schon mal zur Seite.
Thielen: Er machte das ganz unauffällig, sagte Sachen wie: ›Wenn Ihr Kinn in der Suppe ist, dann sagen Sie mir Bescheid.‹ Wir durften auch das Messer nicht an der Gabel saubermachen. Dann sagte er: ›Wir sind hier nicht beim Scherenschleifer.‹ Trotzdem hat er es hinbekommen, nie oberlehrerhaft zu wirken.
Löhr: Als ich zum FC kam, bin ich zu Kremer in die Franzstraße, da kam mir Hans Schäfer entgegen und der meinte: ›Na, du Eitorfer Bur, sieh zu, datt du den Vertrag unterschrievst.‹ Als wir uns einig waren, ging ich mit dem Mannschaftsbetreuer Neubauer, Kremers ausführendem Organ, zum Schneider Leo Hanf. Dann wurde der Klubanzug angepasst; ich bekam zwei Hemden, Socken, einen Smoking, einen Mantel und Schuhe.
Weber: Du hast einen Smoking bekommen? Das ist ja ein dickes Ding.
Löhr: Ich war ja auch ein guter Spieler! Mit dem Smoking gingen wir sogar zur Karnevalssitzung.
Woran merkten Sie, dass Sie außerhalb Kölns als arrogant wahrgenommen wurden?
Thielen: Es gab das Gerücht, wir hätten unsere Trikots bei Dior machen lassen. Dabei waren wir nur die Ersten in Deutschland, die ein diagonal gestreiftes Trikot trugen.
Löhr: Die Trikots kamen tatsächlich aus Frankreich.
Thielen: Aber wohl nicht vom Designer. Da wir aus finanziellen Gründen sehr viele Freundschaftsspiele machten, sind wir zu Spielen nach Holland, Frankreich und Belgien gereist. Da hat Franz Kremer diese diagonal gestreiften Jerseys entdeckt. In Deutschland waren einfarbige üblich. Aber das Gerücht war in der Welt.
Löhr: Und gegen den Ruf haben wir uns auch gar nicht so recht gewehrt.
Thielen: Stimmt. Egal, wo wir hinkamen, stellten wir etwas dar. Dabei hatten wir lediglich das Glück, 15 Spieler zu haben, die alle extrem viel Ehrgeiz und eine gute Qualität hatten. Und wer erfolgreich ist, wird auch immer ein bisschen als arrogant empfunden.
Weber: Noch vor der ersten Bundesligasaison war der FC zwischen 1959 und 1963 immer Westdeutscher Meister geworden. Mit großem Vorsprung. Und die westdeutsche Oberliga war die stärkste in ganz Deutschland. Bis 1965 waren wir immer auf einem der ersten beiden Plätze. So was ruft zwangsläufig bei anderen einen gewissen Neid hervor.
Löhr: Es wird nie jemand auf einen Verein neidisch sein, der Letzter ist.
Weber: Mitleid bekommst du geschenkt …
Thielen: und Neid musst du dir verdienen.