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Wolf­gang Weber, Hannes Löhr, Karl-Heinz Thielen, wir treffen uns im Geiß­bock­heim, dem ersten Trai­nings­zen­trum in der deut­schen Fuß­ball­ge­schichte. Ihre schönste Erin­ne­rung in Ver­bin­dung mit diesem Ort?
Wolf­gang Weber: Die erste Bun­des­liga-Meis­ter­schaft 1964. Nach dem Spiel sind wir mit einem Umzug durch Köln gezogen, anschlie­ßend fanden hier die Fei­er­lich­keiten statt. Auf dem Park­platz standen 30 000 Men­schen.

Hannes Löhr: Das Geiß­bock­heim war das Zen­trum meines sport­li­chen Wir­kens. Zwi­schen 1964 und 1986 war ich hier als Spieler, Co-Trainer, Trainer und Manager hei­misch. Wenn ich hierhin komme, fühle ich mich zu Hause.

Karl-Heinz Thielen: Als Stu­dent habe ich hier sogar gewohnt. Das war prak­tisch, weil wir zweimal am Tag trai­niert haben und ich mor­gens um sechs zum Repe­titor musste. Unser Prä­si­dent Franz Kremer hat für mich sein Büro geräumt. Statt­dessen wurde mir eine kleine Woh­nung ein­ge­richtet, was mir half, mein Stu­dium zu Ende zu bringen.

Was haben Sie stu­diert?
Thielen: BWL. Es war damals nicht ein­fach, als Profi gleich­zeitig zu stu­dieren. Ich habe vor dem Examen andert­halb Monate nicht gespielt. Franz Kremer hat gesagt: ›Es ist wich­tiger, dass Sie das Diplom schaffen.‹

Gibt es einen spe­zi­ellen Platz hier, der für Sie beson­dere Bedeu­tung hat?
Weber: Das Ent­mü­dungs­be­cken hatten wir damals als erster Verein in Deutsch­land. Aller­dings konnten wir nicht nach jedem Trai­ning damit rechnen, dass auch Wasser im Becken war.

FC-Prä­si­dent Kremer gilt als Urvater der Kom­mer­zia­li­sie­rung im deut­schen Fuß­ball und Erfinder der Bun­des­liga.
Thielen: Er hat als einer der Ersten erkannt, in welche öko­no­mi­schen Bereiche sich der Fuß­ball ent­wi­ckelt. Zur Meis­ter­feier traf er mit einer Brauerei ein Abkommen, damit sie dem FC das Bier umsonst zur Ver­fü­gung stellt. Die Mit­glieder konnten umsonst Bier trinken, aber sie mussten ein Glas mit unseren Namen kaufen. An diesem Tag wurden 15 000, 20 000 Gläser für zwei Mark das Stück ver­kauft. Da wurde mir bewusst, wie­viel Geld im Fuß­ball zu ver­dienen ist.

Hannes Löhr, Sie wech­selten als umwor­benes Talent aus Saar­brü­cken zum FC. Warum?
Löhr: Weil es der am besten geführte Klub war und weil man ordent­lich Geld ver­dienen konnte. Damals hatte ich die Aus­wahl zwi­schen 16 Ver­einen, weil ich im Süd­westen zweimal Tor­schüt­zen­könig geworden war. Sicher hätte ich irgendwo noch mehr ver­dienen können, aber der FC war das, was heute Bayern Mün­chen dar­stellt. Man musste ein­fach dahin. 

Und Sie, Wolf­gang Weber?
Weber: Ich war Jugend­na­tio­nal­spieler in Porz und bekam Ange­bote vom FC, von Vik­toria Köln und aus Lever­kusen. Die Grün­dung der Bun­des­liga stand bevor, und mir war klar, dass von diesen drei Ver­einen nur der FC die Chance haben würde, auf­ge­nommen zu werden. Und ich wollte natür­lich ganz oben mit dabei sein.

Welche Strahl­kraft ging damals von der Bun­des­liga aus? Wenn etwas neu ein­ge­führt wird, gibt es auch immer reich­lich Beden­ken­träger.
Thielen: Die Bun­des­liga wurde uni­sono positiv auf­ge­nommen. Dagegen waren nur die Ver­eine, die nicht auf­ge­nommen wurden, etwa Ale­mannia Aachen. Und es gab auch böse Stimmen, die behaup­teten, Kremer habe die Grün­dung absicht­lich vor­an­ge­trieben, um die unmit­tel­baren Kon­kur­renten aus­zu­schalten. Völ­liger Unsinn.

Löhr: Die Liga wurde auch von Sepp Her­berger gewünscht. Er wollte Kräfte bün­deln, um dadurch eine leis­tungs­stär­kere Natio­nal­mann­schaft zu bekommen.

Weber: Ein Grund war sicher auch, dass Deutsch­land bei der Welt­meis­ter­schaft 1958 nur Vierter geworden und 1962 sehr früh aus­ge­schieden war. Die anderen Ver­bände in Eng­land, Spa­nien und Ita­lien hatten das Pro­fitum bereits 1900 ein­ge­führt. Nur in Deutsch­land glaubte man noch, mit Halb­a­mateuren zurecht­zu­kommen. 1954 hatte das noch geklappt, aber auf Dauer war das kein Zustand.

Der FC sti­li­sierte sich unter dem Mar­ke­ting experten Kremer zum piek­feinen Real Madrid des Wes­tens“. Wie fühlte es sich für Sie an, wenn Sie zum Aus­wärts­spiel nach, sagen wir, Braun­schweig fuhren?

Löhr: Die Umkleiden waren in Braun­schweig besser als anderswo, aber es war natür­lich nicht so kom­for­tabel wie am Geiß­bock­heim.

Thielen: Bau­lich waren wir schon die Nummer eins, aber es ging auch um die sport­liche Repu­ta­tion. Wir waren in Deutsch­land, gelinde gesagt, nicht sehr beliebt. Es hieß immer: ›Da kommen die Ein­ge­bil­deten.‹

Weber: Nur, weil du Stu­dent warst. (lacht)

Thielen: Uns eilte der Ruf voraus, dass wir hoch­näsig seien. Wir traten bei den Aus­wärts­spielen auch immer pico­bello auf. Klub­an­züge waren Pflicht. Franz Kremer ach­tete darauf, dass wir uns gut benahmen.

Ein­reiher oder Zwei­reiher?
Thielen: Graue Ein­reiher mit silber gesticktem ›1. FC Köln‹. Meinen habe ich immer noch im Schrank.

Auch eine Mar­ke­ting­idee von Kremer.
Thielen: Er hatte diesen fran­ko­philen Ein­schlag, den er sich wäh­rend seiner Zeit in Paris, wo er seine spä­tere Frau ken­nen­lernte, ange­eignet hatte. Er fuhr stets mit einem schi­cken Citroen-Cabriolet vor. Bei ihm spielten auch Dinge wie Tisch­ma­nieren eine Rolle.

Aber ein guter Fuß­baller ist ja nicht auto­ma­tisch jemand, der mit Messer und Gabel umgehen kann.
Weber: Wenn Kremer etwas auf­fiel, nahm er sich einen schon mal zur Seite.

Thielen: Er machte das ganz unauf­fällig, sagte Sachen wie: ›Wenn Ihr Kinn in der Suppe ist, dann sagen Sie mir Bescheid.‹ Wir durften auch das Messer nicht an der Gabel sau­ber­ma­chen. Dann sagte er: ›Wir sind hier nicht beim Sche­ren­schleifer.‹ Trotzdem hat er es hin­be­kommen, nie ober­leh­rer­haft zu wirken.

Löhr: Als ich zum FC kam, bin ich zu Kremer in die Franz­straße, da kam mir Hans Schäfer ent­gegen und der meinte: ›Na, du Eitorfer Bur, sieh zu, datt du den Ver­trag unter­schrievst.‹ Als wir uns einig waren, ging ich mit dem Mann­schafts­be­treuer Neu­bauer, Kre­mers aus­füh­rendem Organ, zum Schneider Leo Hanf. Dann wurde der Klub­anzug ange­passt; ich bekam zwei Hemden, Socken, einen Smo­king, einen Mantel und Schuhe.

Weber: Du hast einen Smo­king bekommen? Das ist ja ein dickes Ding.

Löhr: Ich war ja auch ein guter Spieler! Mit dem Smo­king gingen wir sogar zur Kar­ne­vals­sit­zung.

Woran merkten Sie, dass Sie außer­halb Kölns als arro­gant wahr­ge­nommen wurden?
Thielen: Es gab das Gerücht, wir hätten unsere Tri­kots bei Dior machen lassen. Dabei waren wir nur die Ersten in Deutsch­land, die ein dia­gonal gestreiftes Trikot trugen.

Löhr: Die Tri­kots kamen tat­säch­lich aus Frank­reich.

Thielen: Aber wohl nicht vom Desi­gner. Da wir aus finan­zi­ellen Gründen sehr viele Freund­schafts­spiele machten, sind wir zu Spielen nach Hol­land, Frank­reich und Bel­gien gereist. Da hat Franz Kremer diese dia­gonal gestreiften Jer­seys ent­deckt. In Deutsch­land waren ein­far­bige üblich. Aber das Gerücht war in der Welt.

Löhr: Und gegen den Ruf haben wir uns auch gar nicht so recht gewehrt.

Thielen: Stimmt. Egal, wo wir hin­kamen, stellten wir etwas dar. Dabei hatten wir ledig­lich das Glück, 15 Spieler zu haben, die alle extrem viel Ehr­geiz und eine gute Qua­lität hatten. Und wer erfolg­reich ist, wird auch immer ein biss­chen als arro­gant emp­funden.

Weber: Noch vor der ersten Bun­des­li­ga­saison war der FC zwi­schen 1959 und 1963 immer West­deut­scher Meister geworden. Mit großem Vor­sprung. Und die west­deut­sche Ober­liga war die stärkste in ganz Deutsch­land. Bis 1965 waren wir immer auf einem der ersten beiden Plätze. So was ruft zwangs­läufig bei anderen einen gewissen Neid hervor.

Löhr: Es wird nie jemand auf einen Verein nei­disch sein, der Letzter ist.

Weber: Mit­leid bekommst du geschenkt …

Thielen: und Neid musst du dir ver­dienen.

Nach jedem Spiel gab es im Geiß­bock­heim ein gemein­sames Essen.
Löhr: Anfang der Sech­ziger haben wir sogar nach jedem Trai­ning zusammen gegessen. Wenn wir nach Mün­chen oder Ham­burg gefahren sind, haben wir immer in den besten Hotels gewohnt, nie in irgend­einer Absteige. Man konnte gar nicht anders, als sich gut zu benehmen.

In einem Film­bei­trag aus den Sech­zi­gern heißt es: ›Bei Kremer werden Cal­vados und harte Män­ner­ge­tränke getrunken.‹
Thielen: Dabei hat er den Verein erst vom Bier­theken-Image gelöst, das im Fuß­ball vor­herrschte.

Löhr: Er hatte hier im Geiß­bock­heim ein feu­dales Zimmer mit einem großen Tisch und Leder­stühlen, wo er die Leute zu sich kommen ließ. Wenn es mal nicht lief, kam Franz Kremer und sagte: ›Jetzt geht es nur um den Klub, und wer nicht mit­macht, der kann sehen, wo er bleibt.‹ Er war da nicht pin­gelig: Wer nicht in die Gruppe passte, von dem hat er sich schnell getrennt. Er konnte einen aber auch in den Arm nehmen. Kurz: Er war der Vater dieses Klubs.

Und er war auch immer greifbar?
Thielen: Er hat sich fast jede Trai­nings­ein­heit ange­schaut und gerne dabei zigar­re­rau­chend mit den Fans dis­ku­tiert. Es war sein Unter­nehmen. Je besser der Verein war, desto besser ließ er sich ver­markten. Fuß­ball war damals ein anderes Milieu. Franz Kremer musste sich auch erst gegen die Oppo­si­tion durch­setzen, denen passte das Welt­män­ni­sche nicht. Aber er hat es geschafft, die wirt­schaft­li­chen Größen an einen Tisch zu bringen und mit der Firma Mül­hens von 4711, dem Ger­ling-Kon­zern und Kaufhof ein Spon­so­ring auf die Beine zu stellen, das es noch gar nicht gab. Das Geiß­bock­heim ist nicht mit Ein­nahmen aus dem Fuß­ball gebaut worden, son­dern durch Spon­soren.

War Kremer ein Stück weit ein Son­nen­könig?
Löhr: Nein, Kremer war der Chef, und so nannten ihn auch alle: ›Boss‹.

Thielen: Er hat uns immer gesiezt, so wie wir ihn auch. Ich hab ihn mal gefragt: ›Warum machen Sie das eigent­lich?‹ Da meinte er: ›Das will ich Ihnen sagen. Ich habe schon oft ›Du Arsch­loch‹ gehört, aber ›Sie Arsch­loch‹ noch nie.‹

Weber: Kremer hatte keine Kinder, und ich glaube, dass er seine Spieler alle mehr oder weniger als seine Zög­linge ver­stand.

Löhr: Aber seine Trieb­feder war: Er wollte den besten Verein der Welt. Einen Klub wie Real Madrid, des­halb haben wir ja in Weiß gespielt.

Haben Sie beim FC auch im Ver­hältnis beson­ders gut ver­dient?
Thielen: Wir haben es jeden­falls ver­sucht. Franz Kremer hat trotz der Ver­eins­struktur eine Sat­zung ein­ge­führt, die einer Akti­en­ge­sell­schaft ent­sprach, mit Auf­sichtsrat und Vor­stand. Aber die Grö­ßen­ord­nungen waren natür­lich andere als in Spa­nien.

Über was für Summen spre­chen wir hier?
Thielen: 2000 Mark waren damals eine Summe, die deut­lich über dem lag, was man bei einer nor­malen Arbeit ver­dienen konnte. Aber es war den­noch nicht die Haupt­mo­ti­va­tion. Die bestand darin, in der Mann­schaft zu spielen, die zu dieser Zeit die beste in Deutsch­land war.

Weber: Wir durften damals nicht mehr als 1250 Mark ver­dienen.

Löhr: Das kam darauf an, ob man Natio­nal­spieler war oder nicht. Natio­nal­spieler durften mehr ver­dienen.

Kremer war in Geld­dingen sehr findig. Er soll mitt­wochs Freund­schafts­spiele durch­ge­führt haben, die Ihnen Son­der­prä­mien ein­brachten.
Löhr: Das Geld dafür gab es oben­drauf. Dadurch kamen manche Spieler auf zehn Spiele pro Monat.

Der ›Spiegel‹ schrieb damals, beim 1. FC Köln gebe es als zusätz­liche Bezah­lung Bau­spar­ver­träge und Grund­stücke. Hans Schäfer soll sogar eine Tank­stelle bekommen haben.
Thielen: Hans Schäfer war damals der wich­tigste Spieler des FC. Er lebte vor, was den Klub fuß­bal­le­risch aus­machte. Der Prä­si­dent zeigte den Spie­lern Wege auf, Kapital für später anzu­sam­meln. Franz Kremer hat sechs Fami­li­en­häuser für junge Spieler gebaut, die wir dann über unser Gehalt bezahlen mussten.

Weber: Kremer wollte die besten Spieler län­ger­fristig binden. Das war ein Mittel, um uns hier in Köln zu halten.

Sie drei haben also alle ein Haus gekauft?
Weber: Hannes war da noch gar nicht dabei, der hat später zwei Häuser bekommen, nicht nur eins. (lacht)

So ein Bau­spar­ver­trag war fester Bestand­teil der Ver­trags­ver­hand­lungen?
Thielen: Nein, er hat gesagt: ›Das Geld, das ihr jetzt ver­dient, ist leicht ver­dient, aber auch schnell wieder aus­ge­geben.‹ Davor wollte er uns bewahren.

Weber: Kremer hat die Häuser nicht selbst gebaut, er hat nur dafür gesorgt, dass Grund­stücke besorgt wurden.

Löhr: Zuerst wurde Richt­fest gefeiert, dann war das Haus fertig, und wir haben im Monat 500 Mark bezahlt. Den ganzen Stress, den so ein Hausbau mit sich bringt, hat er von uns fern­ge­halten. Schauen Sie sich nur Mann­schafts­fotos aus dieser Zeit an. Da finden Sie kaum einen, der heute von Hartz IV lebt.

Wer waren die wich­tigsten FC-Trainer der Sech­ziger?
Thielen: Der erste Trainer, der diesen Klub auf eine inter­na­tio­nale Ebene gebracht hat, war Tschik Caj­kovski. Er hatte vorher als Trainer den FC Utrecht über­nommen, die Letzter in der hol­län­di­schen Liga waren. Mit denen hat er kein Spiel ver­loren. Tschiks beson­dere Qua­lität war die Moti­va­tion. Er hat uns ange­steckt mit seinem Fuß­ball­wahn.

Er war also kein Schleifer? 
Thielen: Mit Schleifen hatte der rein gar nichts zu tun, im Gegen­teil. Er hat dich ein­fach begeis­tert.

Weber: Er war der rich­tige Trainer zum rich­tigen Zeit­punkt.

Jugo­sla­wi­sche Übungs­leiter waren gemeinhin für ihr hartes, kör­per­li­ches Trai­ning bekannt.
Thielen: Beim Tschik haben wir immer nur gespielt, wir haben alles mit dem Ball gemacht. In den Fünf­zi­gern hatten zwei Natio­nal­mann­schaften die Welt beherrscht: die Ungarn und die Jugo­slawen. Tschik kam aus dieser Gene­ra­tion, er hatte ein uner­schöpf­li­ches Wissen von Geschichten und Spielen.

Löhr: Das Pro­blem war, dass er nicht dis­zi­pli­niert war. Einmal hat er gesagt: ›Nikita (Caj­kovskis Spitz­name für Ove­rath, d. Red.) ich schmeißen raus.‹ Zwei Tage später gegen Bayern Mün­chen hat Ove­rath aber gespielt. Da wuss­test du als Spieler, der erzählt viel, wenn der Tag lang ist. So etwas nutzen Spieler ganz schnell aus. Und irgend­wann war er nicht mehr tragbar.

Auf Caj­kovski folgte Schorsch Knöpfle.
Thielen: Er war genau das Gegen­teil. Ein auf­rechter Mann, der wie ver­rückt auf Dis­zi­plin ach­tete. Mit ihm sind wir sofort wieder Deut­scher Meister geworden, weil er dieses Vakuum aus Dis­zi­plin­lo­sig­keiten aus­ge­füllt hat.

Knöpfle war der erfolg­reichste Bun­des­li­ga­trainer in den Sech­zi­gern. Was konnte er besser als jeder andere?
Löhr: Er war viel­leicht nicht der große Fuß­ball­stra­tege, aber er hat diese Mann­schaft, die ja von sehr guten Spie­lern geprägt war, wun­derbar geführt.

Weber: Er war der ideale Trainer, weil er auf junge Leute wie Wolf­gang Ove­rath und mich gesetzt hat. Uns hat er an eine Mann­schaft her­an­ge­führt, die mit erfah­renen Leuten wie Hans Schäfer, Hansi Sturm und Fritz Ewert durch­setzt war und auch über junge Wilde wie Karl-Heinz Thielen oder Helmut Bent­haus ver­fügte. Wir sind mit sechs, acht Punkten Vor­sprung Meister geworden.

Thielen: Wolf­gang Ove­rath hat als Neu­ling in den ersten sieben oder acht Spielen immer das 1:0 gemacht. Unglaub­lich. Hans Schäfer hat ihn ein­fach nach vorne geschickt, und die anderen haben hinten dicht­ge­macht.

Weber: Dabei sind in der gesamten Saison nur 14 Spieler für uns auf­ge­laufen. Wir haben fast immer in der­selben For­ma­tion gespielt. Das war das Erfolgs­ge­heimnis.

Das her­aus­ra­gende Spiel dieser Ära war das Vier­tel­fi­nale im Lan­des­meis­tercup 1965 gegen den FC Liver­pool, das nach drei aus­ge­gli­chenen Spielen – je 0:0 bei Heim- und Aus­wärts­spiel, die Ent­schei­dung auf neu­tralem Platz in Rot­terdam endete 2:2 – per Los­ent­scheid die Eng­länder zum Sieger machte.
Weber: Wir hatten es geschafft, mit zehn Mann eine euro­päi­sche Spit­zen­mann­schaft an den Rand einer Nie­der­lage zu bringen. Unser Beob­achter hatte die vorher etwas über­höht dar­ge­stellt, so dass wir zu viel Respekt hatten. Wir waren selbst­be­wusst, aber nicht genug, um Liver­pool zu schlagen.

Wolf­gang Weber zog sich einen Waden­bein­bruch zu und konnte kaum noch laufen.
Thielen: Dadurch wurden wir hin­terher plötz­lich als sym­pa­thi­sche Ver­lierer gesehen. Vorher waren wir immer die unsym­pa­thi­schen Gewinner gewesen. Als der Schieds­richter nach dem Abpfiff beim Ent­schei­dungs­spiel in Rot­terdam die Münze warf, war uns das natür­lich noch nicht bewusst.

Wo haben Sie den Los­ent­scheid erlebt, Wolf­gang Weber?
Weber: Ich saß unge­fähr auf der Höhe der Mit­tel­linie, und nichts pas­sierte. Ich habe gedacht: Hof­fent­lich springen die Weißen hoch! Mir ist erst später zuge­tragen worden, dass die Münze einmal im Morast ste­cken­ge­blieben war. Und auf einmal sprangen die Roten hoch. Das war der abso­lute Tief­punkt in meiner Fuß­bal­ler­kar­riere.

Hat diese tra­gi­sche Nie­der­lage das wei­tere Schicksal des FC beein­flusst?
Löhr: Dieses Spiel war ein Knick in der Ver­eins­ge­schichte. Das Los fällt, neigt sich etwas auf Weiß, aber es bleibt im Schlamm hängen. Der Schieds­richter nimmt es wieder hoch, schmeißt, und es fällt auf Rot. Wenn der Hans Schäfer Kapitän gewesen wäre, hätten wir gewonnen, aber Hansi Sturm war halt ein Pech­vogel.

Thielen: Das gilt ja auch für Trainer. Selbst gute Trainer brau­chen Glück.

Löhr: Wir haben durch dieses Spiel unfassbar an Sym­pa­thie gewonnen, wir waren so was wie Der Meister der Herzen“ … wenn ich so einen Driss schon höre!

Wie haben Sie das in den fol­genden Monaten wahr­ge­nommen?
Löhr: Ich war ent­täuscht, aber dadurch, dass alle gesagt haben: ›Toll gespielt!‹, habe ich es über­wunden. Aber es besteht immer die Gefahr, dass man in sol­chen Situa­tionen genügsam wird. Alle Zuschauer sagen: ›Ihr seid die Besten.‹ Das ist immer schlecht, denn man ver­liert den Kil­ler­instinkt.

Wurden Sie nach 1965 genüg­samer?
Löhr: Wir waren plötz­lich überall beliebt, und dann lässt man zwangs­läufig ein biss­chen nach. Und außerdem hatten wir keine gute Füh­rung und keinen guten Trainer mehr. Und in der Mann­schaft stimmte auch einiges nicht.

Warum ist es dem 1. FC Köln nicht gelungen, die her­aus­ra­gende Posi­tion zu kon­ser­vieren? 1968 waren Sie noch Pokal­sieger, im Jahr darauf wären Sie fast abge­stiegen. 
Weber: Meine Theorie ist, dass nach dem frühen Tod von Franz Kremer 1967 der Klub an der Spitze deut­lich weniger prä­gnant geführt wurde. Das hat uns zurück­ge­worfen.

Löhr: Nachdem Kremer gestorben war, hatten wir ein Vakuum, das nicht aus­ge­füllt wurde. Dem­entspre­chend strebte unser Verein nicht mehr nach dem Besten, son­dern hat eigent­lich nur noch über­lebt.

Thielen: Wir gehörten aber immer noch zu den ersten fünf.

Weber: Es wurde auf höchstem Niveau geklagt. Caj­kovski musste gehen, weil er das End­spiel um die Deut­sche Meis­ter­schaft nicht gewonnen hatte, Schorsch Knöpfle, weil er nur Zweiter in der Bun­des­liga geworden war.

Was stimmte Ende der sech­ziger Jahre in der Mann­schaft nicht?
Thielen: Wir hatten damals einen Tor­wart, der mal Welt­klasse gehalten hat und mal Kreis­klasse: Paul Heyeres. Einmal haben wir im Euro­pacup 2:0 gegen den FC Bar­ce­lona geführt. End­stand: 2:2 – weil er einen Ball von der Mit­tel­linie rein­ge­kriegt hat und einen von der Außen­linie. Wenn du keinen guten Tor­wart hast, bist du immer in Abstiegs­ge­fahr. Wir haben uns am Ende der Serie durch ein 3:0 gegen Nürn­berg gerettet, mit einem A‑Jugendlichen im Tor. Die­selbe Mann­schaft ist dann im nächsten Jahr Vierter geworden, weil wir einen anderen Tor­wart hatten: Man­fred Man­g­litz. Diese Per­so­nal­ent­schei­dungen hatte auch mit der Klub­füh­rung zu tun.

Löhr: Die Maxime von Franz Kremer war: ›Immer das Beste für den 1. FC Köln!‹

Heute wird immer wieder die Medi­en­si­tua­tion in Köln als Grund ange­führt, dass der Klub nicht zur Ruhe kommt. Wie sehr hatten Sie zur aktiven Zeit mit Schlag­zeilen zu kämpfen?
Löhr: Auch wir hatten den Druck, den die Tages­zei­tungen aus­übten. Und es kam noch etwas hinzu: Wenn wir schlecht spielten, kamen sofort 10 000 Zuschauer weniger ins Sta­dion. Du hast eine sofor­tige Reak­tion der Zuschauer auf die Leis­tung der Mann­schaft bemerkt. Und wenn du gewannst, kamen sie wieder. Gegen Ein­tracht Braun­schweig hatten wir mal zu Hause 19 000 Zuschauer. Franz Kremer meinte: Das ist das erste Mal unter 20 000.“ Und das nur, weil wir vorher zweimal hin­ter­ein­ander ver­loren hatten.

Weber: Wir haben uns damals im Geiß­bock­heim umge­zogen und sind im Trai­nings­anzug mit dem Bus zum Sta­dion gefahren. Auf der Fahrt gab es immer ein Omen, ob wir an dem Spieltag gewinnen würden, denn wir fuhren am Kran­ken­haus in Hohen­lind vorbei. Wenn da eine Nonne im Garten stand, haben wir gesagt: ›Heute kann nichts schief­gehen.‹

Inzwi­schen ist jeder Klub stolz auf seine Tra­di­tion. 1960 war der FC gerade einmal zwölf Jahre alt. Welche Rolle spielte damals Tra­di­tion im Fuß­ball?
Thielen: Eine große. Es wurde Franz Kremer zum Vor­wurf gemacht, dass er den Klub, der aus der Fusion von Sülz 07 und Kölner BC her­vor­ging, 1. FC Köln nannte. Andere Ver­eine wie der VfL 99 hatten mehr Tra­di­tion und waren größer. Das haben die Kölner nicht ver­gessen. Anfäng­lich kamen unsere Anhänger in der Mehr­zahl eher aus dem Umland als aus der Stadt selber. In der Stadt waren viele eifer­süchtig auf unseren Erfolg.

Löhr: Aber das legte sich, weil die Zuschauer eine Bin­dung zu uns Spie­lern auf­bauten. Wir waren ja alle­samt Eigen­ge­wächse und standen treu zum Verein. Ich glaube, diese Form von Iden­ti­fi­ka­tion gibt es heute nicht mehr.

Ihre Anhänger waren gefürchtet in der Liga.
Weber: Einmal gab es eine Platz­sperre, weil der Schieds­richter beim Match gegen Frank­furt von unseren Fans mit einem Knüppel bedroht worden war. Des­halb mussten wir in Wup­pertal spielen. Das Spiel gegen Braun­schweig dort war mit 28 000 Zuschauern aus­ver­kauft, davon 20 000 Kölner. Wenn es brannte, waren die immer da, denn der Kölner wird wach, wenn er sich unge­recht behan­delt fühlt.

Von Udo Lattek stammt der Fuß­ball­spruch des Jahres 2010: ›Im Kölner Sta­dion ist immer so eine super Stim­mung, da stört eigent­lich nur die Mann­schaft.‹
Löhr: Zu unserer Zeit war das leider anders. Aber wir haben die Fans natür­lich auch ver­wöhnt, des­halb waren sie viel kri­ti­scher. Für uns war eine Saison nicht erfolg­reich, wenn wir nicht Meister wurden.

Wie quit­tierten das die Anhänger?
Löhr: Als wir 1968 in Lud­wigs­hafen im Finale gegen Bochum den Pokal holten, fuhren wir nach dem Spiel mit dem Bus zurück und stiegen still und leise hier am Geiß­bock­heim aus. Wir zogen uns um und gingen nach Hause – da nie­mand auch nur dar­über nach­ge­dacht hatte, einen Emp­fang für uns zu ver­an­stalten.