Artur Wichniarek schoss Arminia Bielefeld in die Bundesliga und wurde im Berliner Olympiastadion ausgepfiffen. Im Interview spricht er über Dieter Hoeneß, seinen Spitznamen König Artur und wie die Schlagzeile „Witz-niarek“ einst zum Eklat führte.
Dieses Interview erschien erstmals 2019.
Artur Wichniarek, Sie sind zweimaliger Torschützenkönig der zweiten Bundesliga und werden in Bielefeld als König Artur verehrt. Warum sind Sie Fußballer geworden?
Bei der Weltmeisterschaft in Mexiko 1986 war ich neun Jahre alt und sah Diego Maradona im Fernsehen, der wie ein Künstler durch die gegnerischen Abwehrreihen dribbelte. In diesem Sommer habe ich mich in den Fußball verliebt und wollte unbedingt auch Fußballer werden. In den Jahren danach habe ich mich komplett darauf fokussiert. Ich habe meine Jugend für diesen Traum geopfert.
Sie sind in Polen in einer wohlhabenden Familie aufgewachsen. Ist es schwieriger den für die Profikarriere nötigen Biss zu entwickeln, wenn die Eltern reich sind?
Das sehe ich überhaupt nicht so. Diejenigen, die Fußball nur wegen des Geldes spielen, werden nie weit kommen. Nur wenn man dazu bereit ist, alles für den Fußball zu geben, hat man eine Chance. Und das geht nur, wenn man diesen Sport liebt. Deswegen ist es komplett egal, aus welchen sozialen Verhältnissen man kommt. Natürlich musste ich immer dagegen ankämpfen, dass mir die Leute in meinem Umfeld keine Profikarriere zugetraut haben. Aber diese Sprüche haben mich zusätzlich angespornt.
Inwiefern?
Ich habe viel mehr trainiert als alle anderen. Als mir meine Eltern einen Commodore 64 geschenkt haben, habe ich ihn nicht angerührt. Und das, obwohl der damals richtig teuer war. All meine Freunde kamen ins Haus meiner Eltern, um dieses Gerät mal auszuprobieren, aber ich war draußen und bin dem Ball hinterhergejagt. Ich habe mich nur auf Fußball konzentriert. In den trainingsfreien Tagen habe ich individuelles Training gemacht und während meine Teamkollegen Ferien hatten, bin ich mit ins Trainingslager der Leichtathleten gefahren. Ich wollte allen beweisen, dass der reiche Junge es schaffen kann.
Das haben Sie ja dann auch. Mit 22 Jahren wechselten Sie zu Arminia Bielefeld in die Bundesliga. Dabei fing ihre Bundesligakarriere nicht so an, wie sie es sich vorgestellt hatten.
Das stimmt. Es war die Hölle. Damals waren Spieler wie Bruno Labbadia, Jörg Böhme und Michael Sternkopf im Kader von Arminia. Das waren richtige Stars, die um den Klassenerhalt kämpften. Und ich als 22-jähriger Pole sollte der Messias sein, der die ganze Truppe rettet. Dazu war ich nicht in der Lage.
Wieso nicht?
Ich muss zugeben, dass ich nicht fit genug für die Bundesliga war. Das Training von Hermann Gerland war so hart, dass ich nach sechs Wochen nicht mal mehr wusste, wie ich heiße. Nach einem Training musste ich mich sogar übergeben. Deswegen bekam ich fast keine Spielpraxis. Außerdem konnte ich kein Wort Deutsch und hatte es dementsprechend schwer, Teil der Mannschaft zu werden. Das war eine harte Erfahrung als 22-jähriger. Wie mich der Trainer in dieser kurzen Zeit behandelt hat, war für mich nicht nachvollziehbar. Ich hatte keine Eingewöhnungszeit, keine Unterstützung und der Druck war unmenschlich. Ich konnte nicht mal mit dem Spielerbetreuer reden, weil der nur Türkisch und Deutsch sprach.
Sie schossen in dieser Saison kein einziges Tor.
In dem Jahr sind wir abgestiegen, ohne dass ich irgendeine Rolle gespielt habe. In der Sommerpause 2001 sagte mir Gerland, dass selbst sein Zeugwart näher an der Startelf wäre als ich. Er wollte mich so schnell wie möglich los werden. Der damalige Manager Heribert Bruchhagen hatte sogar schon einen Deal mit Wisła Krakau ausgehandelt. Doch eine Rückkehr nach Polen hätte für mich die größte Niederlage meines Lebens bedeutet. Also war ich trotzig und blieb.
Hat es sich gelohnt?
Erstmal nicht. Meine zweite Saison begann, wie die erste aufgehört hatte. Gerland machte mir klar, dass er nicht mit mir plante und der Verein fragte mich nicht mal, welche Trikotnummer ich haben möchte. Besser hätten sie mir nicht zeigen können, wie wertlos ich für die Mannschaft war. Sie haben mir dann einfach die Nummer 18 gegeben. Aber wissen Sie, wie viele Tore ich in der Saison geschossen habe?
Sagen Sie es uns.
18! (lacht.)
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