Artur Wichniarek schoss Arminia Bielefeld in die Bundesliga und wurde im Berliner Olympiastadion ausgepfiffen. Im Interview spricht er über Dieter Hoeneß, seinen Spitznamen König Artur und wie die Schlagzeile „Witz-niarek“ einst zum Eklat führte.
Wie haben Sie sich gefangen?
Am Anfang der Saison ist Hermann Gerland zum SSV Ulm gewechselt und Benno Möhlmann wurde neuer Bielefeld-Trainer. Er war meine Rettung. Ich war zwar nicht mal mehr im 18-Mann-Kader, konnte mich aber zumindest wieder im Training beweisen. Nach ein paar Wochen kam Möhlmann zu mir und sagte, dass er mich zwar nicht kenne, aber dass ich im Training der beste Spieler gewesen sei. Das war nach einem Jahr der erste schöne Moment, den ich in Bielefeld erlebte. Danach schenkte er mir das nötige Vertrauen, mich erst zurück in den Kader und schließlich in die Startelf zu holen. Er ist ein wunderbarer Trainer, dem ich viel zu verdanken habe. Das habe ich ihm dann mit 18 Saisontoren zurückgezahlt.
Danach wurden Sie zu König Artur.
Genau. Die Fans fingen 2002 an, mich so zu nennen. Damals bin ich zum zweiten Mal hintereinander Torschützenkönig geworden und wir sind in die Bundesliga aufstiegen. Der Spitzname hat mich gerührt. Gerade als ausländischer Spieler so einen Titel zu erhalten, ist sehr schön.
Wie kann man nach so einer Torquote nicht für die Polnische Nationalmannschaft nominiert werden?
Ich war immer ehrlich. Deswegen konnte ich ein ganz schönes Arschloch auf und neben dem Platz sein. Wenn ich jemanden im Training gesehen habe, der nicht einhundert Prozent gab, dann hat der von mir auf die Fresse bekommen. Logisch, dass nicht jeder Trainer damit umgehen kann. Ich war zwar Torschützenkönig in der zweiten Liga und gehörte zu den besten Stürmern Polens, aber der Coach sagte, dass die zweite Liga nicht zählen würde. Später ist Jacek Krzynówek mit Nürnberg abgestiegen und wurde sogar zum Kapitän benannt. Das mit der zweiten Liga war also nur ein Alibi, um mich nicht mitzunehmen.
In der nächsten Saison schossen Sie 12 Tore in der Bundesliga. 2003 lockte Sie Dieter Hoeneß zur Hertha. Warum hatten Sie so eine schlechte Zeit in Berlin?
Das Problem war, dass der damalige Trainer Huub Stevens mit Fredi Bobic und mir zwar zwei Stürmer hatte, aber nur mit einer Sturmspitze spielen wollte. Er entschied sich für Bobic und stellte mich auf die Außenbahn. Damit kam ich nicht zurecht. Ich habe totale Scheiße zusammengespielt. Ich habe einfach nicht zu meiner Form von Bielefeld zurückfinden können und war zwei Jahre lang grottenschlecht. In der dritten Saison war Falko Götz Trainer und es schien wieder bergauf zu gehen. Ich habe eine perfekte Vorbereitung gespielt und mich damit für die Stammelf qualifiziert. Im ersten Spiel traf ich direkt.
Sie waren Stammspieler? Daran kann sich in Berlin kaum wer erinnern.
Das liegt wohl daran, dass diese Phase nur zwei Spiele angehalten hat. Denn nach dem zweiten Spiel beorderte Dieter Hoeneß mich zu sich ins Büro. Er teilte mir in der letzten Woche der Transferphase mit, dass ich keine Minute mehr für Hertha spielen würde. Das hatte nicht der Trainer entschieden, sondern er. In der Sommerpause, in einem fairen Gespräch, hätte ich diese Entscheidung noch verstanden – ich hatte ja wirklich schlecht gespielt. Aber zu diesem Zeitpunkt war das eine Katastrophe für mich. Doch Hoeneß sagte nur, dass es ihn nicht interessiere, ob ich einen neuen Verein fände oder nicht.
Wie ging die Saison für Sie weiter?
So schnell konnte ich natürlich keinen neuen Verein finden. Ich saß also ein halbes Jahr auf der Tribune, bis ich mit Arminia Bielefeld einig wurde. Im Januar konnte ich dann endlich den Vertrag mit Hertha auflösen und hatte mein letztes Gespräch mit Hoeneß. Da sagte er allen Ernstes zu mir, dass ich nie wieder in der Bundesliga spielen würde. Er wusste nicht, dass ich schon am Nachmittag einen neuen Vertrag bei Bielefeld unterschreiben würde. Deswegen konnte ich mir später nicht verkneifen, ihn anzurufen. Ich musste das Handy meines Beraters benutzen, weil Hoeneß bei meiner Nummer nicht abgehoben hätte. (lacht.) Ich sagte ihm nur: „Ich habe einen Vertrag bei Bielefeld unterschrieben. Wir sehen uns in der Bundesliga.“
Waren Sie sehr enttäuscht?
Definitiv. Ich habe in den nächsten Jahren in fast jedem Aufeinandertreffen gegen die Hertha getroffen. Vor einem Spiel kam sogar Zecke Neuendorf im Spielertunnel zu mir, um mir von Hoeneß auszurichten, dass ich ein guter Stürmer sei und einfach nicht zur Hertha gepasst hätte. Er wollte wohl die Wogen glätten, aber das hat nichts gebracht: In dem Spiel habe ich wieder getroffen. Jetzt, nach so vielen Jahren, kann ich das locker erzählen. Aber damals war ich über diesen Umgang mit mir so schockiert, dass ich es nicht in Worte fassen konnte.
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