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Seite 2: Warum Bayerns Niederlagen so wichtig sind

Was natür­lich Schwach­sinn ist. Denn natür­lich beein­flusst es die Lebens­qua­lität nicht son­der­lich, wenn an einem Sams­tag­nach­mittag im Januar, wäh­rend Geschäfte geschlossen und Bewe­gungs­ra­dien gezogen werden, in einem leeren Sta­dion Köln gegen Augs­burg spielt. Was für einen Hoff­nungs­schimmer soll es da geben, wenn Schalke zum zwan­zigsten Mal ver­liert? Wes­halb auch Watzke kürz­lich im Kicker-Inter­view sagte: Mitt­ler­weile depri­miert mich die Atmo­sphäre von Monat zu Monat mehr. Es fehlt so viel von dem, was dich als Fuß­ballfan ja auch ein Stück weit süchtig macht.“

Ohne das Sta­di­on­er­lebnis, ohne die Zuschauer, wird den Men­schen Fuß­ball zuneh­mend egal. Wenn der Fuß­ball nichts zurück­gibt, exis­tiert er nur für sich selbst. Und dann wäre es bald auch egal, ob sie noch spielen oder, weil aktuell in Talk­shows über die Pflicht zur Heim­ar­beit gespro­chen wird, ein­fach mal pau­sieren. Gut also, dass es die Bayern gibt und dieses Spiel ges­tern in Kiel.

Alles eine Sache des Gehirns

Denn der Mensch ist ein seltsam ein­fa­ches Wesen. Es fällt ihm oft leichter, sich an den Miss­erfolgen anderer auf­zu­richten als sich durch fremde Erfolge zu moti­vieren. Weil sich dieses Ha, guck an, denen geht es noch viel beschis­sener, im ersten Moment eben besser anfühlt. Ges­tern Abend kam viel zusammen: Freude für den Außen­seiter, Über­ra­schungs­mo­mente, Spott für den schei­ternden Favo­riten.

Japa­ni­sche For­scher haben her­aus­ge­funden, dass Scha­den­freude die Akti­vität im zen­tralen Striatum sti­mu­liert. Ein Effekt, der nor­ma­ler­weise nur durch Kokain, Sex und Glücks­spiel her­vor­ge­rufen werden kann. Des­halb schauen wir so gerne Pan­nen­vi­deos. Beson­ders stark wirkt dieses Glücks­ge­fühl, wenn Men­schen eine beson­dere Abnei­gung gegen den Ver­lierer emp­finden. Und noch stärker wird es, wenn der Ver­lierer nor­ma­ler­weise über­legen ist.

Zwei Stunden keine Pan­demie

So gesehen haben die Bayern ges­tern ihren Dienst an der Gesell­schaft erfüllt. Wer spricht noch dar­über, dass diese Mann­schaft im Sommer die Cham­pions League und damit das Triple gewonnen hat? In dunklen Zeiten funk­tio­niert Häme besser als Mit­freude für den Gewinner. Und viel­leicht saßen ges­tern auch ein paar Pfleger/​innen, Polizisten/​innen, Men­schen, die den Laden gerade zusam­men­halten, vor dem Fern­seher. Mit zit­ternden Knien und gewa­schenen Händen im Gesicht, um mit­zu­fie­bern, wenn die Bayern ganz uner­wartet einen vor den Latz bekommen. Was ist dagegen schon Applaus von den Bal­konen?

Fans des FC Bayern werden nicht ver­stehen, warum die Miss­gunst, die ihnen ent­ge­gen­schlägt, so wichtig für uns, die anderen, ist. Ihre Gehirne haben sie ges­tern Abend auch nicht an Sex, Kokain und Glücks­spiel erin­nert. Alle anderen saßen für zwei Stunden vor dem Fern­seher, gemeinsam und jeder für sich allein, und ver­gaßen für einen Moment die Pan­demie. Und zum ersten Mal seit langer Zeit hat der Fuß­ball mal wieder seinen Zweck erfüllt.