Kein Freiburger hatte je zuvor von Eric Dansault gehört. Oder von Fredji Harchay. Oder Tony Chapron. Dansault, Harchay und Chapron sind Schiedsrichter. Und seid Donnerstagabend Teil der Freiburger Europapokal-Geschichte.
Im Heimspiel der Breisgauer gegen den FC Sevilla passierte in der 60. Minute nämlich folgendes: Assistent Eric Dansault konnte nicht mehr laufen. Er hatte sich an der Wade verletzt. Dansault gab Tony Chapron, dem Schiedsrichter, per Funk ein Zeichen und blieb stehen. Chapron eilte zu Dansault und so standen die beiden da, bald von Fußballern mit fragenden Blicken umstellt. Dansault hätte sich mit schmerzverzerrten Gesicht auf den Boden schmeißen können, so macht man das ja eigentlich auf dem Fußballplatz. Aber er blieb einfach auf einem Bein stehen und lächelte tapfer. Dann passierte einige Augenblicke nichts und kabel1-Kommentator Hansi Küpper brachte es auf den Punkt: „Da sieht man wieder, warum Schiedsrichter die ärmsten Hunde sind. Verletzt sich ein Spieler, sprintet gleich ein ganzer Tross zur Hilfe. Um den Schiedsrichter kümmert sich niemand.“
Die Zuschauer waren begeistert. Sie jubelten. Sie beklatschten den Unparteiischen.
Dann passierte doch was: Freiburgs Physiotherapeut Uwe Vetter hatte ein Einsehen, schnappte sich seinen Koffer und einen Helfer und eilte Dansault zur Hilfe. Spätestens da wurden sich die Freiburger Fans bewusst, das auf dem Platz etwas Besonderes geschah. Mit Fußballfans ist das ja so eine Sache. Sie können aggressiv, beschämend und ekelhaft sein, in den allermeisten Fällen sind sie aber die besten Unterhalter im Leistungssport. Statt die Zwangspause mit entrüsteten Schreien zu begleiten, fingen die Freiburger an zu lachen, zu schreien und zu klatschen. Bald klebten zwei Physiotherapeuten an des Linienrichters Unterschenkel, vier Sanitäter samt Trage warteten auf weitere Instruktionen. Schließlich gab Tony Chapron ein Zeichen: Sein Assistent konnte nicht mehr weiter assistieren. In solchen Fällen greift folgende Regel: Der vierte Offizielle tauscht seinen Platz mit dem verletzten Kollegen. Das war in diesem Fall Fredij Harchay. Der entledigte sich seiner Thermojacke, griff sich eine Fahne und sprintete auf die andere Seite des Platzes. Die Zuschauer waren begeistert. Sie jubelten. Sie beklatschten den Unparteiischen. Hatte man so was schon mal gesehen bzw. gehört? Und Harchay? Der hob in seinem Lauf die Hände und klatschte den Fans zurück wie ein Routinier, der nach einem Jahr Verletzungspause sein Comeback feiert.
Harchay und Dansault wechselten die Rollen. Aber damit war diese Geschichte noch längst nicht beendet. Dansault humpelte an der Kurve vorbei, holte sich die nächste Ladung warmen Applaus ab und verschwand dann in seiner Kabine um sich umzuziehen. Verständlich bei Temperaturen von minus 4 Grad. Und weil es so kalt war und weil er sich nicht richtig warm gemacht hatte, hetzte Ersatzmann Harchay nun vor der Tribüne auf und ab. Schnelle Sprints, die Knie bei jedem Schritt angezogen. Wer keine Ahnung von Fußball hat: Mit diesem Laufstil ist Otto Waalkes berühmt geworden. Diese Aufwärmübung sieht schon bei Fußballer behämmert aus, bei Schiedsrichtern hat es etwas clowneskes. Die Zuschauer schütteten sich vor Lachen beinahe ihr Bier über die Hose.
Szenen wie aus der Kreisliga
Wenig später kam Sevillas Trainer Unai Emery auf die Idee, einen seiner Spieler auszuwechseln. Die dafür nötige Anzeige mit der elektrischen Tafel nimmt normalerweise der vierte Offizielle vor. Der war allerdings noch immer in der Kabine. Also griff sich Emery selbst die Tafel und versuchte hilflos die richtigen Tasten zu bedienen. Was selbstverständlich nicht sofort gelang. Und selbstverständlich Freiburg-Trainer Christian Streich auf die Palme brachte. Herrliche Szenen, die man sonst nur in der Kreisliga beobachten kann, wenn die Linienrichter von untersetzten „Betreuern“ gedoubelt werden.
Dann ging das Spiel seinen gewohnten Gang. Freiburg verlor mit 0:2 und schied aus. Was sehr schade war. Aber immerhin hatten die Fans auf dem Heimweg eine Geschichte zu erzählen.