Vergangene Woche bestätigte der DFB die Schiedsrichter-Altersgrenze von 47 Jahren. Weshalb Manuel Gräfe nach der Saison aufhören muss. Er ist der beste Beweis dafür, dass die Regelung geändert werden sollte.
Der DFB macht mal wieder das, was er besonders gut kann – sich unbeliebt. Curtius vs. Keller, Steuerrazzien und Intransparenz sind nur ein kleiner Teil der Liste. Die in den letzten Tagen um das Thema Schiedsrichter erweitert wurde, genauer gesagt geht es um die Altersgrenze für diese. Denn: Sie liegt bei 47 Jahren und erwischt also dieses Jahr gleich drei Unparteiische. Neben Guido Winkmann und Markus Schmidt trifft es auch Manuel Gräfe, den wohl besten und beliebtesten Schiedsrichter der Bundesliga.
Regelmäßig wählen Spieler, Trainer und Leser*innen den Berliner im kicker-Ranking auf Platz eins oder zwei. Sein Notenschnitt ist in dieser Saison mit 2,1 der mit Abstand beste. Er wurde schon vor zehn Jahren als Schiedsrichter des Jahres ausgezeichnet und ließ in seinen Leistungen nicht nach. Nur drei Schiedsrichter pfiffen mehr Bundesligapartien als er. Spieler, Trainer, Fans – alle schätzen und respektieren ihn. Vergangene Woche wurde die DFB-Altersgrenze bestätigt, nur wenige Tage danach verfielen sowohl Freiburger als auch Hoffenheimer Spieler und Trainer in Loblieder auf Gräfe. Er dürfe nicht aufhören, meinte Oliver Baumann. „Bitte lasst ihn noch ein bisschen weitermachen“, bat Christian Günter. Dessen Trainer Christian Streich erklärte: „Natürlich würden wir es als Trainer und Spieler gut finden, wenn die guten und sehr guten Schiedsrichter, die viel Erfahrung haben, so lange pfeifen können, wie es körperlich geht.“ Gräfe selbst fühlt sich fit und bereit für weitere Saisons. Trotzdem soll er zur nächsten Saison aufhören? Das ergibt keinen Sinn.
Gerade jetzt, wo die Handspielregel immer aufgeregter diskutiert und quasi jährlich geändert wird, wo der Umgang mit dem VAR auch im vierten Jahr seit Einführung nicht reibungslos funktioniert und teilweise sogar willkürlich wirkt, wird klare und respektvolle Kommunikation auf dem Platz nur noch wichtiger. Wobei Erfahrung nun mal hilft. Manuel Gräfe gilt dabei als Vorbild, seit 2004 leitet er Bundesligapartien, 287 sind es mittlerweile. Unter den aktiven Schiedsrichtern kommt nur Dr. Felix Brych auf mehr, bei ihm sind es 297. Natürlich muss jüngeren Schiedsrichter*innen die Chance gegeben werden, Erfahrung auf hohem Niveau zu sammeln – was aber nicht automatisch heißen sollte oder muss, dass gute und erfahrene Leute gehen müssen, die eine Vorbildfunktion erfüllen.
Und wieso eigentlich 47? Wer hat sich das ausgedacht? Laut Gräfe selbst ist es eine „vor Jahrzehnten vom DFB festgelegte Altersgrenze“. Und allein deshalb vollkommener Quatsch. Die FIFA vermutete 1992 zwar, die älteren Schiedsrichter seien dem Spieltempo nicht mehr gewachsen und senkte ihre Altersgrenze von 50 Jahre auf 45. Doch die Unparteiischen und ihre Arbeit entwickelten sich seitdem genauso weiter wie die Spieler und das Spiel selbst. Schiedsrichter trainieren heute professioneller als vor 30 Jahren, sind medizinisch besser betreut. Das einzige, was sich nicht verändert hat: die Denke der Verbände. Dementsprechend überholt kommt die Altersgrenze mittlerweile daher.
Begründet wird sie unter anderem mit dem Argument der fehlenden Fitness im höheren Alter. Wenn die allerdings durch Leistungstests, an denen der DFB ja gleichzeitig festhält, unter Beweis gestellt wird, fällt dieses Argument weg. „Solange er die Leistungstests besteht, frage ich mich, warum man den Besten aufhören lassen sollte“, sagte zum Beispiel auch Christian Günter am Samstag. Zwar sind die Tests nicht ganz unumstritten – Gräfe selbst kritisierte sie vor zwei Jahren. Der Zeitpunkt Anfang Juli sei zu früh. „Viele Schiedsrichter, die bis in den Juni pfeifen, trainieren in der Sommerpause bis zum Test durch. Sie verwehren ihrem Körper die Erholungsphase“, sagte Gräfe damals. Außerdem forderte er mehr Individualität bei den Tests und der Vorbereitung. Bei aller berechtigten Kritik: Wenn sie nun mal als Anhaltspunkt dienen und bestanden werden, ist es ziemlich irrelevant, ob die Person 46 oder 47 Jahre alt ist. „Antiquiert und wenig sinnvoll“ nannte Gräfe die Leistungstest 2019. Das könnte man auch über die Altersgrenze sagen.
Anderswo ist das nicht der Fall. In der Premier League sind etwa mit Mike Dean und Martin Atkinson zwei Referees aktiv, die 52 beziehungsweise 50 Jahre alt sind. In der wohl schnellsten Liga der Welt dürfen die beiden ihren Job noch machen – in der Bundesliga dürften sie das nicht. Selbst die UEFA zeigt sich flexibler als der DFB. Björn Kuipers erhielt eine Sondergenehmigung, damit er auch mit 48 Jahren noch bei der EM 2021 antreten kann. International liegt die Altersgrenze normalerweise bei 45. Auch Dr. Felix Brych hat diese Grenze eigentlich schon überschritten, er ist 46, die nächste Bundesligasaison wird seine letzte sein.
Fakt ist, dass der DFB sich mit der Bestätigung der Altersgrenze vergangene Woche keinen Gefallen tut. Die Bundesliga wird ihren besten Schiedsrichter verlieren und mit ihm Qualität einbüßen. Um das vielleicht doch noch zu verhindern, startete ein Fan eine Petition. Bisher haben 714 Personen unterschrieben. Ob der DFB sich dem beugt?