Neuer Trainer, neues Geld, (noch) kein neues Stadion: Hertha BSC steht vor einer richtungsweisenden Saison. Sicher ist nur: Mit Verwaltungsfußball und einem Platz im Mittelfeld gibt man sich an der Spree nicht mehr zufrieden.
Rückblick
Das älteste Lied Berlins (neben „Bolle reiste jüngst zu Pfingsten“)? Herthas fast schon mysteriöse Rückrunden-Schwäche. Auch in der vergangenen Saison ging der Alten Dame nach der Winterpause die Puste aus. Anders als in den Jahren zuvor sorgten die teilweise blutleeren Auftritte im Frühjahr allerdings dafür, dass Pal Dardai nach viereinhalb Saisons seinen Job als Cheftrainer verlor. Weshalb Hertha vor einer richtungsweisenden Spielzeit steht. Denn, so viel ist seit dem Ende der Dardai-Ära klar: Ein Platz im Mittelmaß, fernab jeglicher Abstiegssorgen, reicht den Verantwortlichen nicht mehr.
Transfers
Zum ersten Mal seit mehr als einem Jahrzehnt macht es Hertha wie ein ungeschickter Shisha-Kellner – und nimmt richtig Kohle in die Hand. Was dazu führt, dass der Kader nicht nur punktuell und in der Breite verstärkt werden konnte, sondern auch in der Spitze. Neben U21-Nationalspieler Edouard Löwen, der für sieben Millionen Euro aus Nürnberg kommt, hat Hertha mit Dedryck Boyata einen belgischen Nationalspieler für die Innenverteidigung verpflichtet. Außerdem sicherte man sich für vergleichsweise wenig Geld die Dienste des erst 18-jährigen Stürmers Daishawn Redan, der bei Chelsea anscheinend keine Perspektive mehr für sich sah. Die beiden Königstransfers sind aber andere: Zum einen holt Hertha für die Rekordsumme von 20 Millionen Euro Dodi Lukebakio aus Watford. Zum anderen konnte Marko Grujic davon überzeugt werden, noch ein weiteres Jahr in Berlin zu bleiben. Wenn jetzt auch noch der Transfer von Maximilian Philipp klappen sollte, kann es eigentlich nicht mehr lange dauern, bis Dieter Hoeneß aus irgendeiner Torte springt. Dass Hertha das eigene Konto trotz der Ausgaben bisher nicht komplett überzogen hat, liegt nicht nur an der frischen Kohle von Neu-Investor Lars Windhorst (dazu gleich mehr), sondern vor allem am Verkauf von Valentino Lazaro, der für die stolze Summe von 22 Millionen Euro an Inter abgegeben wurde.
Boss-Level
Hertha hat einen neuen Trainer. Der trotz Stallgeruch und Berliner Herkunft zunächst kritisch beäugt wurde. Weil eigentlich alle (inklusive Michael Preetz) nach dem Aus von Dardai eher auf eine große Lösung und einen klareren Neuanfang spekuliert hatten. Die 1B-Lösung Ante Covic, zuletzt fünf Jahre Trainer der eigenen U23, klang dagegen zunächst nach einem Wischi-Waschi-Weiter-So. Und hat es trotzdem schon in der Vorbereitung geschafft, Aufbruchsstimmung zu erzeugen. Weil er eine klare Vorstellung davon hat, wie Hertha in Zukunft spielen soll: offensiv! Abseits des Trainers bleibt fast alles beim Alten. Der Lange (Geschäftsführer Sport und Medien Michael Preetz) plant zielsicher den Kader, der Blonde (Geschäftsführer Digitale Transformation Paul Keuter) zieht den Groll der Fans auf sich.
Umfeld
Hertha hat einen neuen Groß-Investor. Der trotz Investitionen im dreistelligen Millionenbereich zunächst kritisch beäugt wurde. Weil Hertha nicht das erste Millionenprojekt wäre, das er vor die Wand fährt. Sorgt Lars Windhorst mit seinen finanziellen „Sicherheiten“ allerdings dafür, dass die Profiabteilung noch ein paar weitere Stars dazu bekommt, dürften die Kritiker bald in der Minderheit sein. Meckern könnten alle gemeinsam dann immer noch auf die vollkommen vermaledeite Stadion-Situation.
Trikot
Blau-weiße Längsstreifen, Fahne pur, Berliner Bär im Nacken: Eigentlich hat Hertha mit dem neuen Trikot alles richtig gemacht. Eigentlich. Beziehungsweise: Tedi.
11FREUNDE-Prognose
Funktioniert Covic? Schlagen die neuen Stars ein? Machen die vielversprechenden Talente den nächsten Schritt? Oder wünscht man sich an der Spree spätestens nach dem traditionellen Rückrunden-Einbruch den soliden Dardai-Fußball zurück? Bei Hertha ist es wie mit Frauen über 18 und Lothar Matthäus: Alles kann passieren. Ein paar mehr Punkte als in der vergangenen Saison müssten aber eigentlich drin sein.