Vier Jahre nach der dunkelsten Stunde feierte River Plate im vergangenen Jahr den größten Triumph. Ein Rückblick auf die Copa Libertadores 2015.
Fußballfans sind im normalen Leben eigentlich sehr ausgeglichen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bevölkerungsgruppen haben sie am Wochenende 90 Minuten Zeit, all ihren aufgestauten Ärger rauszubrüllen in Richtung des Spielfelds oder des Fernsehers. Sie echauffieren sich herrlich über Fehlpässe und zu kurz geratene Eckbälle. Beim Fußball verlieren selbst Buddhisten die Nerven, verwandeln sich Stoiker in Choleriker. Bestes Beispiel dafür ist „Tano“ Pasman, ein älterer argentinischer Mann mit Halbglatze und milden Gesichtszügen.
Pasman ist Fan des Rekordmeisters River Plate und verfolgt die Spiele bevorzugt in seinem Ohrensessel knapp einen Meter vom Bildschirm entfernt. Wenn River spielt, eskaliert er. Das nahm derartige Ausmaße an, dass seine Familie eine Kamera im Fernsehraum aufstellte, um die Metamorphose ihres alten Herrn zu dokumentieren. Und das ausgerechnet während der entscheidenden Spiele im Juni 2011. River scheiterte damals in der Relegation, der Traditionsverein stieg zum ersten Mal in seiner Geschichte in die zweite Liga ab.
Pasman verfolgte die ersten Minuten des Spiels noch relativ zurückhaltend, bedachte einige Spieler mit der charmanten Titulierung „Du Vollkoffer“. Dann: „Oh Gott, lass uns nur drei Pässe hintereinander an den Mann bringen. Ich verlange nicht 28 hintereinander wie Barcelona, nur drei!“ In der Folge aber stieß er sämtliche, nicht zitierfähige Flüche unter der Sonne aus und wetterte dabei gegen alles und jeden, auch gegen sich selbst.
In einem siebenminütigen Zusammenschnitt sieht man, wie er sich durch den Raum kämpft, schreit, betet, Gegenstände wirft, erstarrt, zusammensackt, bis die Familie ihm Beruhigungsmittel bringt. Die nicht jugendfreie Schimpftirade verbreitete sich auf Youtube und ging um die Welt. Überall litten Fans mit dem Mann, der machtlos, aber nicht wortlos den Niedergang seines geliebten Klubs mitverfolgen musste. Abstieg ist ein scharfes Schwert.
„Das macht uns jetzt noch größer“
Doch so grausam 2011 für die heißblütigen Fans wie ihn war, so großartig verliefen die folgenden Jahre für sie. Der Verein stieg nicht nur direkt wieder auf, sondern gewann 2014 die argentinische Meisterschaft und die Copa Sudamericana, den zweitwichtigsten Vereinspokal in Südamerika.
Das stolze River und seine Anhänger standen sowieso nie im Verdacht, Selbstzweifel zu hegen oder mit Superlativen zu sparen. „Wir waren immer ein großer Klub, selbst als wir abstiegen“, sagt der argentinische Fotograf und River-Fan Ezequiel Suranyi. „Doch wie wir zurückgekommen sind, das macht uns jetzt noch größer.“