Am Samstag prügelten sich linke und rechte 96-Anhänger im Stadion. Für die Kampagne „Hannover Rechtsaußen“ sind die Schuldigen ausgemacht: Die Fanszene Hannover schütze Neonazis in den eigenen Reihen.
Bereits vor rund acht Jahren drängten Neonazis in die hannoverschen Fankreise, die diese seither niemals ganz losgeworden sind. Linke Fans der Ultra-Gruppierung „Brigade Nord“ verließen infolgedessen das Stadion. Ihnen wurde in diesem Zuge vorgeworfen, sich mit politisch gleichgesinnten Anhängern aus Bremen, Braunschweig und St. Pauli verbündet zu haben – deren Vereine in Hannover jeweils als Erzfeinde gelten.
Auch in den Folgejahren erhärteten sich die Fronten. Mehrmals kam es auch abseits des Stadions durch Teile der aktiven Fanszene zu Übergriffen auf Linke, für die wiederum selbst einige 96-Fans zunehmend zum politischen Gegenüber avancierten. Hannoversche Antifaschisten berichten, dass sie auch heute an Spieltagen die Teile der Stadt meiden, in denen sich der 96-Anhang aufhält. Der Konflikt, der einmal zwischen verschiedenen Lagern unter den Ultras begonnen hatte, ist schon längst um ein Vielfaches größer geworden.
Getroffene Hunde bellen?
Die aktive Fanszene der 96er selbst meldete sich Anfang November zu den Vorwürfen von „Hannover rechtsaußen“ zu Wort. In ihrem Spieltagsflyer „I‑Block“ erklärten die „Ultras Hannover“, sowohl auf „Teilnehmer von Nazidemos“ als auch auf „linksextreme Bewegungen“ verzichten zu können. Ein „externer Personenkreis“ versuche sich an der politischen Instrumentalisierung der hannoverschen Fanszene, schreiben sie in Bezug auf „Hannover rechtsaußen“. Demgegenüber gelte für die Ultras aber das Credo, „alles unserer Stadt und unserem Verein unterzuordnen“. Die Berichte über Neonazis, die auch gegenwärtig in der Fanszene aktiv sind, kommentierte die Gruppe nicht weiter.
Das gilt auch für ein Statement, das die Fanszene am Sonntagabend veröffentlichte. Darin wird die Schuld für die Eskalation vom Vortag der „Vorgehensweise der vermeintlichen Antifaschisten“ zugerechnet. Diese hätten lediglich „ihre Propaganda im Stadion verbreiten wollen“. Die von „Hannover rechtsaußen“ kritisierten Attacken beschreiben die Verfasser als „beherztes Vorgehen des Auffangbeckens Fußball bestehend aus allen erdenklichen sozialen Schichten gegen eine politische Extreme“. Unterzeichnet ist das Schreiben von knapp 30 aktiven Fan-Gruppen, darunter auch die „Hooligans Hannover“ sowie die von „Hannover rechtsaußen“ als politisch rechts eingestufte und für die Attacken vom Samstag als verantwortlich ausgemachte Ultra-Gruppe „West Hannover“.
Weihnachtswunder nicht in Sicht
Für Kim Grothe ist dieses Statement symptomatisch für den Status Quo unter den 96-Fans: „Es wird sich über ein ›erlogenes rechtes Bild der Szene‹ beschwert, jedoch nicht einmal auf die mit Fotos belegten Nazikontakte eingegangen. Gleichzeitig wird der Kampagne fälschlicherweise unterstellt, Ultras aus Bremen zu rekrutieren, um das Vorgehen auf einen Fußballkonflikt reduzieren zu können.“
Die Auseinandersetzung wird Hannover 96 also noch eine ganze Weile begleiten. Am Samstag hat sie einen vorläufig neuen Eskalationsgrad erreicht. Grothe wünscht sich „eine Positionierung des Vereins, der sich bisher noch gar nicht zu den Vorfällen geäußert hat“. Dass dieser allerdings damit die scheinbar unversöhnlichen Positionen annähern könnte, fällt mit großer Wahrscheinlichkeit in die Kategorie „Weihnachtswunder“. So bleibt für die hannoversche Fanszene zur Befriedung des Konflikts wohl doch nur die eigentlich naheliegendste Option: ein konsequenteres Vorgehen gegen die Rechtsaußen in den eigenen Reihen.