Schottlands Billy Gilmour wird positiv auf das Coronavirus getestet. Sein Verband beziffert die Zahl der Kontaktpersonen vorm heutigen Kroatien-Spiel mit: null. Woraufhin ein Mitspieler schnell ein Instagram-Video löscht.
Der Clip war schneller wieder verschwunden, als er hochgeladen worden war. Fast ein bisschen so wie bei Salomon Kalou und seinem Livestream vom Hertha-Trainingsgelände damals. Am Montagvormittag hatte Schottlands Verteidiger Andy Robertson (FC Liverpool) Bewegtbilder von einer Partie Tischtennis im Mannschaftshotel in seine Instagram-Story gestellt. Darin zu sehen: Robertson himself, John McGinn und Billy Gilmour, der offizielle „Man of the Match“ vom 0:0 gegen England. Blöd nur, dass kurz vor Veröffentlichung des Videos die Nachricht vom positiven Corona-Test Gilmours aufgepoppt war. Eiligst löschte Robertson das Bild- und Tondokument, das ihn und den Kollegen McGinn als Nahkontakt des Infizierten auswies.
Ungefähr zur selben Zeit erklärte der schottische Verband (SFA) gegenüber der britischen Zeitung Daily Mail treuherzig, Gilmour habe zwischen dem vorletzten (negativen) und dem letzten (positiven) Corona-Test keinerlei enge Kontakte gehabt. In Zahlen: null. Was natürlich Fragen aufwirft, denn wer die Übertragung der Partie zwischen Schottland und England verfolgte, sah kurz nach dem Schlusspfiff unter anderem folgende Bilder: Gilmour, wie er seinen Trainer Steve Clark herzt. Gilmour in inniger Umarmung mit seinen englischen Vereinskameraden Ben Chilwell und Mason Mount vom FC Chelsea (siehe Aufmacherbild). Gilmour Wange an Wange mit den Engländern Luke Shaw und Declan Rice. Ergibt – in Addition mit seinen Tischtennis-Kumpels – sieben enge Kontakte. Und das sind nur jene, die im Bild festgehalten wurden.
„Ich glaube nicht, dass die Spieler noch Warnungen unsererseits benötigen“, erklärte Englands Nationaltrainer Gareth Southgate am Montag in Bezug auf die jüngsten Umarmungs-Exzesse. „Aber trotzdem werden wir diese Warnungen weiterhin aussprechen. Wir befinden uns nach wie vor in einer besonderen Lage – und natürlich auch im Fokus der Öffentlichkeit.“ Schottland-Coach Clarke sah die Dinge derweil etwas, nun ja, pragmatischer. Das mit Corona sei „nicht meine Abteilung“, erklärte der 57-Jährige in einer turbulenten Pressekonferenz. „Ich will nicht hier sitzen und über Ursachen für Corona-Infektionen fabulieren. Ich will darüber sprechen, wie man gegen Kroatien spielen muss. Meine Zuständigkeit ist es, die Mannschaft auf dieses Spiel vorzubereiten. Ich hoffe, dass wir gegen Kroatien gewinnen, damit Billy Gilmours tolle Leistung gegen England nicht vergeblich war.“
Dass Clarke nicht über mögliche Ansteckungswege sprechen wollte, hat möglicherweise auch mit Schottlands Vorbereitung auf dieses Turnier zu tun. Zwischen dem Trainingslager in Spanien und der Ankunft der Mannschaft im EM-Quartier in Nord-England lagen 48 Stunden, in denen die Spieler ihre Freizeit selbständig gestalten durften. Familienbesuche waren ausdrücklich gestattet. Und wer keine Familie hat, traf sich womöglich mit Freunden. Oder mit wem auch immer.