Nach rauschhaften Jahren unter Jürgen Klopp und Thomas Tuchel ist Mainz zur grauen Maus der Liga geworden. Dabei machen sie Vieles richtig. Und vor allem: anders.
Vergeblich warnte Nürnbergs Trainer Michael Köllner in einer Pressekonferenz vor den „cleveren Neuzugängen“ und der „hohen individuellen Qualität der Mainzer“. Dass galt wohl insbesondere auch für den neuverpflichteten Verteidiger Aarón Martin. Obwohl Aarón als Linksverteidiger im 4 – 4‑2-System nicht so oft offensive Impulse setzen darf, wie er spielerisch dazu in der Lage wäre, zeigte er gegen Nürnberg, warum er – das muss man sich mal vorstellen! – zurecht für die U21-Nationalmannschaft Spaniens nominiert wurde. In einem Solo durch die bereits sortierte Hintermannschaft des Clubs düpierte er erst Valentini, dribbelte danach an Hanno Behrens vorbei in den Strafraum und nutzte schließlich Behrens unbeholfenes Foul, um den Elfmeter zum Führungstor rauszuholen.
Das zweite Tor stand im Zeichen des neuverpflichteten Sechsers Pierre Kunde. Wenn er den Ball im Mittelfeld erobert und sich das ganze Spielgeschehen vor ihm erstreckt, scheint für ihn die Zeitlupe einzusetzen. Mit der Übersicht eines Steinadlers wartet der 23-jährige geduldig darauf, dass sich die Abwehrreihen des Gegners verschieben und entdeckt mit schierer Leichtigkeit die Schnittstellen, die sich in den nächsten Zehntelsekunden auftun werden. Beim zweiten Tor gegen Nürnberg, das Schwarz anerkennend als „herausragenden Spielzug“ bezeichnete, sieht Kunde eine dieser Lücken in der Abwehr und spielt dem heran sprintenden Brosinski den Ball in den Fuß. Der muss den Ball nur noch in den Strafraum ablegen, wo sich Quaison und Mateta aussuchen dürfen, wer den Ball über die Linie schiebt.
Schwarz und Schröder versuchen die Euphorie auszubremsen
Der am Ende verdiente Sieg gegen mutige Nürnberger schraubte die Punktzahl von Mainz auf 29 Punkte. Dass Mainz in der Saison 2015/16 zum selben Zeitpunkt auch 29 Punkte hatte und damit letztendlich die Qualifikation für die Europa League erreichte, hilft Sandro Schwarz ganz und gar nicht dabei, das Umfeld des Vereins zu beruhigen. Am Samstag Abend wird wohl auch er insgeheim den Abstand zum sechsten Platz ausgerechnet haben, anstatt ängstlich auf den Relegationsplatz zu schielen. Trotzdem spricht er öffentlich immer noch besänftigend vom „Saisonziel Klassenerhalt“.
Auch Rouven Schröder mahnt die Spieler, beim jüngsten Erfolg nicht überzuschnappen. Das Spiel gegen Schlusslicht Nürnberg könne nicht als Gradmesser dienen, betont er. Wichtig sei es viel mehr gegen Vereine mit ähnlichem Budget zu punkten – Stuttgart, Augsburg und Freiburg also. Die Bilanz gegen diese drei Gegner lautet wie folgt: Vier Spiele, vier Siege. Am Samstag gibt es gegen Augsburg den nächsten dieser Gradmesser. Gewinnt Mainz wieder, ist der Kampf um die Europaplätze eröffnet. Vielleicht werfen Rouven Schröder und Sandro Schwarz dann bald schon ihre eigenen Schatten.