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Der Mainzer Sport­vor­stand Rouven Schröder steht neben seinem Trainer Sandro Schwarz am äußersten Rand der Coa­ching Zone. Trotz Minus­graden und frisch rasierter Glatze trägt er keine Mütze – wahr­schein­lich wäre ihm eine Kopf­be­de­ckung bei seinen ener­gi­schen Bewe­gungen an der Sei­ten­linie viel zu warm. Schröder ist kein gewöhn­li­cher Sport­vor­stand. Er ist bei­nahe so eng dran an den Spie­lern, wie der Trainer und ist tief invol­viert in dessen Pläne. Beide kamen erst nach der erfolg­rei­chen Europa-League-Qua­li­fi­ka­tion 2016 und haben bei Mainz also nur die beiden Abstiegs­kämpfe 2017 und 2018 mit­er­lebt.

Doch das ist nicht die ein­zige Gemein­sam­keit: Schröder will ebenso wenig, mit seinem Vor­gänger Chris­tian Heidel ver­gli­chen zu werden, wie Sandro Schwarz mit Jürgen Klopp oder Thomas Tuchel. Zu groß sind die Schatten, die von der vier­ma­ligen Euro­pacup-Qua­li­fi­ka­tion der letzten 15 Jahre, auf ihre Arbeit geworfen werden. Wir müssen raus aus dem Schwelgen in der Ver­gan­gen­heit“, sagt Schröder daher oft. Das Ziel seiner engen Zusam­men­ar­beit mit Sandro Schwarz ist es, den Fans das Schwelgen in der Gegen­wart zu ermög­li­chen.

Nach teuren Trans­fers im Sommer hat sich seine Mann­schaft ohne Auf­reger und ohne großes Kino ein kom­for­ta­bles Punk­te­polster zu den Abstiegs­rängen erspielt und ist auch ins neue Jahr mit zwei Siegen gestartet. Jetzt liegt Mainz ohne großes Auf­sehen, da im Wind­schatten der großen Ver­eine, nur noch einen Punkt hinter der sechst­plat­zierten TSG Hof­fen­heim. Der sport­liche Auf­schwung liegt laut Schröder vor allem am Trainer. Wir haben wieder einen Trainer gefunden, der unseren Fuß­ball wei­ter­ent­wi­ckeln will“. Und dafür bekommt Sandro Schwarz vom Verein das wich­tigste Ele­ment eines jeden Trai­ners: Geduld. 

Mainz hat die fünf­beste Abwehr der Bun­des­liga

Nach seiner ersten Saison bei Mainz, in der er nur knapp für den Klas­sen­er­halt sorgen konnte, hat Schwarz es dieses Jahr geschafft, die Mann­schaft spie­le­risch und defensiv auf ein neues Level zu heben: Mit nur 25 Gegen­toren stellt Mainz die fünf­beste Abwehr der Liga und zuhause fielen sogar noch weniger Gegen­tore als bei Dort­mund oder Bayern. 

Neben seinem Prunk­stück, der Abwehr, legt er großen Wert darauf, Par­tien gegen klei­nere Gegner spie­le­risch zu domi­nieren. Das ist nicht selbst­ver­ständ­lich für eine Mann­schaft wie Mainz. Auf dem ersten Blick wirkt der Hal­bi­ta­liener auf der Mainzer Trai­ner­bank gelassen, ja fast pro­fillos. Doch die tief-ste­hende M05-Kappe kann die Regungen in seinem bär­tigen Gesicht nicht gänz­lich ver­de­cken. Selbst Pässe, die an den Mann kommen, können bei ihm für ner­vöses Zucken sorgen. Es zeigt, wie detail­be­sessen und ener­gisch der gebür­tige Mainzer arbeitet. Im Kom­mentar zum Sieg gegen Nürn­berg legt er daher seinen Finger in eine Wunde, die nicht für jeden Zuschauer ersicht­lich war: Unsere Pässe im Spiel nach vorne waren zu langsam. So haben wir Nürn­berg zurück ins Spiel geholfen.“ 

Dass Schwarz für den spie­le­ri­schen Auf­schwung auch die rich­tigen Spieler auf­stellen kann, hat er den Trans­fer­glücks­griffen von Rouven Schröder zu ver­danken. Denn seit in Mainz nach viel Theater in der Füh­rungs­etage end­lich Ruhe ein­ge­kehrt ist und Schröder seinen Ver­trag bis 2022 ver­län­gern konnte, hat der Sport­vor­stand momentan viel Bereit­schaft für Risiko: Im Sommer tätigte er vier der fünf teu­ersten Trans­fers der Klub­ge­schichte und gab dabei 30 Mil­lionen Euro für eher unbe­kannte Namen aus dem Aus­land aus. Da die Gehalts­vor­stel­lungen von deut­schen Nach­wuchs­spie­lern zu hoch für Mainz sind, holt sich Schröder lieber die ver­hei­ßungs­vollen Talente aus den zweiten Reihen von Frank­reich und Spa­nien. 

Den Grund­stein für dieses Erfolg­reiche Kon­zept legte Schröder schon im Sommer 2017, als er mit Abdou Diallo den Reser­ve­ver­tei­diger Monacos und Kapitän der fran­zö­si­schen U21-Natio­nal­mann­schaft ver­pflich­tete. Dass sich ein so heißes Talent für den FSV Mainz als erste Sta­tion im Aus­land ent­schied, zahlte sich für beide Par­teien aus: Diallo war vom ersten Spiel an in der Mainzer Innen­ver­tei­di­gung gesetzt, gehörte zu den besten Ver­tei­di­gern der Bun­des­liga und wech­selte ein Jahr später für 28 Mil­lionen Euro prompt zu Borussia Dort­mund. Diesen Sommer ver­pflich­tete Schröder mit Diallos Trans­fer­erlös den 23-jäh­rigen Pierre Kundé (Atle­tico Madrid, 7,5 Mil­lionen Euro), Jean-Phil­ippe Mateta, 21 (Olym­pique Lyon, acht Mil­lionen), Moussa Nia­kathe, 22 (FC Metz, sechs Mil­lionen) und Aarón Martin, 21 (Espanyol Bar­ce­lona, sechs Mil­lionen Euro). 

Vier Voll­treffer

Alle vier haben sich, obwohl Mainz mit nur zwei Scouts die wenigsten Scouts aller Bun­des­li­gisten beschäf­tigt, als gold­rich­tige Trans­fers erwiesen und ver­an­lassen die Ent­scheider in Mainz sogar schon dazu, für die nächste Saison zu planen. Läuft die Rück­runde gut, soll die Mann­schaft, die mit 24,6 Jahren im Durch­schnitt der jüngsten Kader der Bun­des­liga ist, auch über den Sommer hinaus defi­nitiv zusammen bleiben. Wäh­rend Mainz für junge Spieler lange als gute erste Sta­tion im Aus­land gesehen wurde, bevor man den nächsten Schritt wagt, klingt Schröder jetzt deut­lich selbst­be­wusster: Wir sind natür­lich wei­terhin ein Wei­ter­bil­dungs­verein. Aber wir haben uns finan­ziell ent­wi­ckelt. Wir werden für Mateta die Situa­tion so auf­bauen, dass es für ihn auch finan­ziell attraktiv ist, bei uns zu bleiben“. 

Mainz hat diesen Winter zum ersten Mal seit 13 Jahren keinen ein­zigen Win­ter­transfer getä­tigt. Brauchten sie auch gar nicht. Denn obwohl sich der Kader nicht – wie bei den anderen direkten Kon­kur­renten – im Winter noch mal ver­grö­ßert hat, muss sich Sandro Schwarz vor jedem Spiel den Kopf dar­über zer­bre­chen, wel­chen Mil­lio­nen­transfer er auf die Bank setzen wird. Um all seine Hoch­ka­räter auf den Platz zu bringen, müsste er mit sechs Defensiv- und acht Offen­siv­ak­teuren spielen. Des­wegen durfte der Sechs-Mil­lionen-Tranfer Moussa Nia­kathe trotz guter Leis­tung in beiden Rück­run­den­spielen nur auf der Bank sitzen.

Ver­geb­lich warnte Nürn­bergs Trainer Michael Köllner in einer Pres­se­kon­fe­renz vor den cle­veren Neu­zu­gängen“ und der hohen indi­vi­du­ellen Qua­lität der Mainzer“. Dass galt wohl ins­be­son­dere auch für den neu­ver­pflich­teten Ver­tei­diger Aarón Martin. Obwohl Aarón als Links­ver­tei­diger im 4 – 4‑2-System nicht so oft offen­sive Impulse setzen darf, wie er spie­le­risch dazu in der Lage wäre, zeigte er gegen Nürn­berg, warum er – das muss man sich mal vor­stellen! – zurecht für die U21-Natio­nal­mann­schaft Spa­niens nomi­niert wurde. In einem Solo durch die bereits sor­tierte Hin­ter­mann­schaft des Clubs düpierte er erst Valen­tini, drib­belte danach an Hanno Beh­rens vorbei in den Straf­raum und nutzte schließ­lich Beh­rens unbe­hol­fenes Foul, um den Elf­meter zum Füh­rungstor raus­zu­holen. 

Das zweite Tor stand im Zei­chen des neu­ver­pflich­teten Sechsers Pierre Kunde. Wenn er den Ball im Mit­tel­feld erobert und sich das ganze Spiel­ge­schehen vor ihm erstreckt, scheint für ihn die Zeit­lupe ein­zu­setzen. Mit der Über­sicht eines Stein­ad­lers wartet der 23-jäh­rige geduldig darauf, dass sich die Abwehr­reihen des Geg­ners ver­schieben und ent­deckt mit schierer Leich­tig­keit die Schnitt­stellen, die sich in den nächsten Zehn­tel­se­kunden auftun werden. Beim zweiten Tor gegen Nürn­berg, das Schwarz aner­ken­nend als her­aus­ra­genden Spielzug“ bezeich­nete, sieht Kunde eine dieser Lücken in der Abwehr und spielt dem heran sprin­tenden Bro­sinski den Ball in den Fuß. Der muss den Ball nur noch in den Straf­raum ablegen, wo sich Quaison und Mateta aus­su­chen dürfen, wer den Ball über die Linie schiebt. 

Schwarz und Schröder ver­su­chen die Euphorie aus­zu­bremsen

Der am Ende ver­diente Sieg gegen mutige Nürn­berger schraubte die Punkt­zahl von Mainz auf 29 Punkte. Dass Mainz in der Saison 2015/16 zum selben Zeit­punkt auch 29 Punkte hatte und damit letzt­end­lich die Qua­li­fi­ka­tion für die Europa League erreichte, hilft Sandro Schwarz ganz und gar nicht dabei, das Umfeld des Ver­eins zu beru­higen. Am Samstag Abend wird wohl auch er ins­ge­heim den Abstand zum sechsten Platz aus­ge­rechnet haben, anstatt ängst­lich auf den Rele­ga­ti­ons­platz zu schielen. Trotzdem spricht er öffent­lich immer noch besänf­ti­gend vom Sai­son­ziel Klas­sen­er­halt“. 

Auch Rouven Schröder mahnt die Spieler, beim jüngsten Erfolg nicht über­zu­schnappen. Das Spiel gegen Schluss­licht Nürn­berg könne nicht als Grad­messer dienen, betont er. Wichtig sei es viel mehr gegen Ver­eine mit ähn­li­chem Budget zu punkten – Stutt­gart, Augs­burg und Frei­burg also. Die Bilanz gegen diese drei Gegner lautet wie folgt: Vier Spiele, vier Siege. Am Samstag gibt es gegen Augs­burg den nächsten dieser Grad­messer. Gewinnt Mainz wieder, ist der Kampf um die Euro­pa­plätze eröffnet. Viel­leicht werfen Rouven Schröder und Sandro Schwarz dann bald schon ihre eigenen Schatten.