„Was tun, um Chancen bei russischen Frauen zu haben“, lautet ein Abschnitt im WM-Ratgeber des Argentinischen Verbands an seine Nationalspieler. Das Skript wimmelt nur so vor Sex-Klischees – und lässt tief blicken.
So wirklich feinfühlig waren sie in Argentinien noch nie, wenn es darum ging, vor einer Fußball-Weltmeisterschaft die Koffer zu packen – und zu überlegen, was sich sittentechnisch gehört und was nicht. Fernando Redondo, seinerzeit einer der besten Mittelfeldregisseure der Welt und frischgebackener Champions-League-Sieger mit Real Madrid, durfte bei der WM in Frankreich 1998 nur zuschauen. Der Grund: Redondo, ein Pionier der Dünnes-Haarband-auf-Mittelscheitel-Fraktion, weigerte sich partout, der Aufforderung von Nationaltrainer Daniel Passarella zu folgen und sich die Haare zu schneiden. „Ich war in einer großartigen Form“, sollte der filigrane Techniker später völlig zu Recht sagen, „aber der Trainer hatte spezielle Vorstellungen von Disziplin“. Passarellas offizielle Begründung, wonach Redondo sich gesträubt haben soll, auf der linken Mittelfeldseite statt in der Zentrale zu spielen, konnte sich nie durchsetzen.
Carlos Bilardo, Argentiniens Weltmeister-Coach von 1986, machte vor dem Weltturnier in Südafrika 2010 wieder auf sich aufmerksam – als Assistent seines einstigen Schützlings Diego Maradona und als, nun ja, ausgewiesener Sexperte. „Um Verletzungen zu vermeiden, sollten die Spieler die Frauen arbeiten lassen. Die Jungs sollen lieber unten liegen – und die Frauen auf ihnen sitzen. Das sollten sie aber nicht einen Tag vorm Spiel machen“, stellte der ausgebildete Gynäkologe richtig.
„Was tun, um Chancen bei russischen Frauen zu haben“
Immerhin: Der Prüderie um mögliche sexuelle Aktivitäten von Fußballprofis, die hierzulande zu Berti-Vogts-Zeiten regelmäßig Stoff für die Klatschspalten der Republik war, konnte Bilardo nichts abgewinnen. Auch nicht für den Fall, dass die Leistungssportler selbst Hand anlegen. „Dagegen habe ich nichts. 80 Prozent der Spieler tun das ohnehin, während sie sich duschen“, kommentierte der damals 71-Jährige das Thema Masturbation, bevor er ein Versprechen zum Besten gab, das die 0:4‑Viertelfinalklatsche der „Albiceleste“ gegen das DFB-Team miterklären könnte: „Wer im Finale das Siegtor schießt, darf mich von hinten nehmen.“ Was der als Stürmer naturgemäß hochgradig torgefährdete Carlos Tevez wie folgt kommentierte: „Wenn ich treffe, soll er mir fernbleiben.“
Insofern könnte man jetzt, da die Asociación del Fútbol Argentino (AFA) ein Handbuch mit dem an und für sich harmlosen Titel „Sprache und Kultur in Russland“ unter Spielern, Teammitgliedern, Funktionären und zur WM mitreisenden Journalisten verteilt hat, lässig mit der Schulter zucken – wenn, ja wenn ein Kapitel dieser Broschüre nicht so unsäglich traurig wäre. „Was tun, um Chancen bei russischen Frauen zu haben“, lautet die Überschrift des zweiseitigen Abschnitts, der sogleich die Antworten liefert.