Chile? Belgien? Für viele Experten ist die Schweiz einer der Geheimfavoriten der WM. Wie sieht es der ehemalige Nationalspieler Ciriaco Sforza?
Ciriaco Sforza, ein Blick auf den Kader lässt Experten schwärmen. Hat die Schweiz derzeit eine „Goldene Generation“ beisammen?
Wir haben viele junge, gute Spieler, die im Ausland ihre Erfahrungen sammeln. Aber die meisten Spieler haben noch nichts erreicht und sind auch bei ihren Klubs noch nicht zu Führungsspielern gereift. Sie stehen erst noch vor dem nächsten Schritt. Deswegen ist der Begriff „Goldene Generation“ noch zu hoch gegriffen.
Ein Blick auf die Gruppe lässt zumindest vom Erreichen der K.o.-Runde träumen. Wie weit kann die Schweiz kommen?
Frankreich ist ganz klar Favorit in dieser Gruppe. Und mit Ecuador und Honduras hat man zwei echte Wundertüten zugelost bekommen. Ich denke, die wenigsten wissen überhaupt etwas über diese Mannschaften. Deswegen ist vom Weiterkommen bis zum Ausscheiden alles drin.
Dabei wollten wir gerade fragen, ob die Schweiz am Ende sogar Geheimfavorit auf den Titel ist?
Lassen wir mal lieber die Kirche im Dorf. An guten Tagen kann diese Mannschaft viel erreichen. Aber um bei einer WM überhaupt die Vorrunde zu überstehen, muss schon alles stimmen. Wenn nur ein zentraler Spieler ausfällt, hat Ottmar Hitzfeld kaum gleichwertige Alternativen.
Wer sind denn die Leader in der Mannschaft?
Es gibt mit Gökhan Inler, Valon Behrami und Xherdan Shaqiri außergewöhnliche Spieler, die die Mannschaft mitreißen könne. Aber der Erfolg kann beim Schweizer Team nur über das Kollektiv kommen.
Was fehlt der Mannschaft zum ganz großen Wurf?
Internationale Erfahrung und echte Alternativen von der Bank. Deswegen warne ich vor zu viel Euphorie.
Viele Spieler aus der Mannschaft kennen wir aus der Bundesliga. Auf welchen Spieler können wir uns ihrer Meinung nach ganz besonders freuen? Wer ist der Geheimtipp?
Das ist ja das Problem. Die talentiertesten Jungs sind längst bei internationalen Klubs unter Vertrag. Ein Josip Drmic stand bei mir auf der Liste, aber auch er hat beim 1. FC Nürnberg bereits sein Talent unter Beweis gestellt. Einen Neuling, der bei diesem Turnier alles auf links drehen wird, werden sie im Schweizer Kader nicht finden.
Sie selbst haben 1994 an einer Weltmeisterschaft teilgenommen. Was kann man als junger Spieler bei so einem Turnier lernen?
Das Medienaufkommen, die Aufmerksamkeit der Fans, die Sicherheitsvorkehrungen, dieses ganze Drumherum ist gigantisch. Aber unsere Mannschaft hat zum Großteil schon bei einer WM gespielt, also wird sie das kaum überrumpeln. Auf dem Rasen selbst gibt es kaum Unterschiede zum Alltag. Es gibt einen Gegner, einen Ball und neunzig Minuten Zeit. Los geht’s.
Ottmar Hitzfeld tritt nach dem Turnier als Nationaltrainer ab. Was wäre für ihn, der alles gewonnen hat, ein Erfolg bei diesem Turnier?
Ottmar ist ein Winner-Typ, der am liebsten Weltmeister werden möchte. Aber er ist realistisch genug, um zu wissen, dass mit dieser Mannschaft bereits das Erreichen des Viertelfinales eine Riesenleistung wäre.
Sie kennen ihn als Trainer und Menschen. Wie bereitet er sich auf dieses Turnier vor?
Er arbeitet jeden Tag für den Erfolg und lässt keine Ausreden zu. Diese Einstellung hat ihn zu einem der erfolgreichsten Trainer aller Zeiten gemacht. Er wird mit seinem Stab die Gegner analysieren und das Training genau auf deren Stärken und Schwächen abstimmen.
Hitzfeld wirkt immer sehr angespannt. Kann er so eine WM in Brasilien überhaupt genießen?
Ottmar kann natürlich genießen. Aber für ihn steht der Erfolg an oberster Stelle.
Wir werden ihn also nicht in Badehose an der Copacabana tanzen sehen?
Ich kann ihnen versprechen: Selbst wenn die Schweiz Weltmeister wird, werden wir das nicht erleben.