Neuer Gegenwind für Martin Kind bei Hannover 96: der Stammverein hat dem langjährigen Geschäftsführer und seinem auserkorenen Nachfolger Robert Schäfer Weisungen erteilt – und damit Kinds Pläne durchkreuzt.
Doch warum hat Kind ausgerechnet Schäfer als seinen Nachfolger auserkoren? Vor der Corona-Pandemie war Schäfer ein Befürworter der 50+1‑Regel und damit Gegner von Kind. Schäfer warf Kind sogar mal „private, wertsteigende Motivation“ für sein 96-Engagement vor. Mittlerweile hat Schäfer seine Meinung geändert: Es sei unbillig, wenn der Staat Profifußball finanziere und es Ausnahmen von 50+1 gebe, die den sportlichen Wettbewerb verzerrten. Aus der Sicht von Kind qualifizierte sich Schäfer somit für seine Nachfolge, nicht aber aus Sicht der Vertreter aus dem Stammverein.
Dieser machte von seinen in der Satzung festgehaltenen Rechten Gebrauch und nahm Schäfer und Kind mit Weisungen an die kurze Leine. Schäfer darf keine Tätigkeiten für die Profiabteilung ausüben und 96 nicht auf Veranstaltungen von Verbänden wie der DFL vertreten. Somit wäre der 45-Jährige in seinem Posten als Geschäftsführer der Profiabteilung handlungsunfähig. Kind benötigt für die Aushandlung und Beendigung von Verträgen nun die Zustimmung der Gesellschafterversammlung der Hannover 96 Management GmbH. Das gilt auch für Verträge mit Arbeitnehmer:innen, die ein jährliches Grundgehalt von über 100.000 Euro beziehen. Somit kann Kind zum Beispiel Sportdirektor Zuber momentan nicht ohne Zustimmung des Stammvereins entlassen.
Inwieweit sich Kind den Weisungen fügt, ist noch nicht absehbar. Gegenüber dem Sportbuzzer ließ Kind allerdings verlauten: „Wir haben entschieden, dazu nichts zu sagen. Wir machen gar nichts.“ Zustimmung erhielt der Stammverein um Präsident Kramer von der Fangruppierung Rote Kurve: „Personen wie Robert Schäfer, die öffentlich Lizenzbedingungen des DFB und der DFL, wie die Geltung und Notwendigkeit der 50+1 Regel in Frage stellen, dürfen in einem Traditionsverein wie Hannover 96 keinerlei Aufgaben und Verantwortung übernehmen. Wir hoffen sehr, dass Martin Kind einlenkt und sich den Weisungen unterordnet, da er sonst die Lizenz des Profifußballs von Hannover 96 gefährden würde“, heißt es in einer Stellungnahme. In der Tat wurde auch die DFL vom Stammverein über die Weisungen informiert. Sollte tatsächlich gegen die 50+1‑Regel verstoßen werden, droht im schlimmsten Fall der Lizenz-Entzug.
Kind befindet sich damit in einer kniffligen Situation. Der Unternehmer möchte sich eigentlich zeitnah als hauptverantwortlicher Entscheidungsträger bei 96 zurückziehen, doch nicht ohne vorher einen aus seiner Sicht geeigneten Nachfolger zu präsentieren. Kind ist weiterhin Kritiker der 50+1‑Regel. Das Bundeskartellamt hatte die Regelung kürzlich als vereinbar mit dem aktuellen Kartellrecht eingestuft, allerdings die Ausnahmeregelungen moniert. Kind schloss daraus die Folgerung: „Die Logik daraus ist dann, dass man das abschaffen muss, um die Wettbewerbsgleichheit herzustellen.“ Diese Grundhaltung macht es schwierig, gemeinsam mit den Vertretern des Stammvereins einen Nachfolger für Kind zu finden.
Und nun? Gibt es einen Weg aus dem Dilemma? Der Stammverein hat seine Haltung gegenüber Kind klargemacht. Der neue Geschäftsführer der Profiabteilung muss Position für die 50+1‑Regel beziehen. Schäfer erfüllt dieses zentrale Kriterium nicht und kommt somit nicht als neuer Geschäftsführer in Frage. Kinds Plan, dass sich Schäfer über gute Arbeit in der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG für den Posten des Geschäftsführers qualifiziert, schob der Stammverein frühzeitig den Riegel vor. Somit müsste die Suche von vorne beginnen. Am 18. Juni tagt der Aufsichtsrat der zuständigen Hannover 96 Management GmbH erneut zur Wahl des neuen Profi-Geschäftsführers. 96-Präsident Kramer kam Kind in der BILD bereits entgegen: „Wir werden auf Martin Kind zugehen, um gemeinsam den bestmöglichen Nachfolger für ihn zu finden. Die Parteien sollen sich wieder an einen Tisch setzen. Wir wollen es professionell machen. Und professionell heißt gemeinsam.“
Kinds Alleingang bei der Berufung eines neuen Geschäftsführers hat allerdings deutlich gemacht, dass er die Zukunft von Hannover 96 auch nach seinem Rückzug nicht seinen Gegnern und Kritikern überlassen möchte. In den fast 25 Jahren, die Kind bei Hannover 96 tätig ist, hat er überwiegend alleine die Entscheidungen gefällt. Das Teilen von Macht und Kompetenzen zählte nie zu seinen Stärken. Der Triumph der Opposition auf der Jahreshauptversammlung vor zwei Jahren hat die Machtverhältnisse aber verschoben. Kind muss nun eigentlich kooperieren, vorerst scheint seine Lösung des Problems aber eine andere zu sein. „Ich werde noch ein bisschen länger weitermachen müssen. Ich werde aber alles regeln, bevor ich aufhöre“, ließ Kind über den Sportbuzzer ausrichten. Solange wird Schäfer sich wohl im Hintergrund halten und lediglich seine Aufgaben als Geschäftsführer der Hannover 96 Sales & Service GmbH & Co. KG wahrnehmen.
Eins steht jedenfalls fest: Das letzte Wort bei der Suche nach einem Nachfolger für Kind ist noch nicht gesprochen. Die bisherigen Ereignisse deuten aber auf weitere ungemütliche Wochen in Hannover hin. Ausgang ungewiss.