Bernhard Felmberg ist seit 2006 als Seelsorger in der Kapelle des Berliner Olympiastadions tätig. Im Interview spricht er über Nächstenliebe im Stadion, Ökumene in der Kapelle, David und Goliath bei der Predigt und einen besonderen Moment mit Otto Rehagel.
Bernhard Felmberg, in Kürze wird Hertha BSC den großen FC Bayern München empfangen. Was werden Sie Ihrer Gemeinde beim Gottesdienst erzählen? Die Geschichte von David und Goliath?
Warum nicht. Wir versuchen bei den Predigten, biblische Inhalte mit einem Bezug zum Sport und der aktuellen Situation zu verknüpfen. Die Geschichte des Außenseiters, der mit viel Mut, Glaube an Gott und einer guten Taktik einen übermächtigen Gegner bezwingt, würde gut zur Partie passen. Zum Glück verlässt sich Hertha BSC nicht nur auf die eigene mentale Stärke, sondern bereitet sich gerade intensiv auf die Rückrunde vor.
Es sind nicht alle Spieler mit ins Trainingslager mitgeflogen, der Kader wird gerade kräftig ausgedünnt. Mit christlicher Nächstenliebe hat das nichts zu tun.
Im Profifußball geht es in erster Linie um Leistung und Erfolg. Wir sind nicht so naiv, nicht zu wissen, wie die Regeln sind im Fußball, die man akzeptieren muss: Dazu gehören auch Veränderungen im Kader eines Bundesligateams. Die Frage ist, wie mit den Spielern umgegangen wird, die gehen müssen. Wenn wir da das Gefühl hätten, es ginge ruppig oder unfair zu, dann könnten wir das ansprechen. Ich hatte aber das Gefühl, man hat sich korrekt verhalten.
Trotzdem gibt es kaum einen Ort, wo die christlichen Grundwerte regelmäßig eine so untergeordnete Rolle spielen wie in einem aufgeheizten Fußballstadion. Es muss für Sie ein innerer Balanceakt sein.
Ich mag die Stimmung in einem Fußballstadion grundsätzlich sehr, aber natürlich werden auch Grenzen überschritten, beispielsweise beim Stadtderby zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC, wo sich einige Fans mit Pyrotechnik beschossen. Das ist für viele Mitglieder der Vereine eine schwierige Situation und darüber sprechen wir auch. Wir haben dies im Gottesdienst nach diesem Spiel zum Thema gemacht, was erlaubt ist und was nicht. Was dient dem Fußball, wie sollte das Miteinander der Menschen aussehen.
Wie oft gibt es Andachten im Stadion und welche Rolle spielt die Ökumene in einer gemeinsamen Kapelle?
Man kann Gottesdienste anmelden. Zum festen Programm gehört die rund 25-minütige Andacht vor den 17 Bundesliga-Heimspielen pro Saison, die mein katholischer Kollege und ich ökumenisch abhalten, wenn wir beide können. Immer klappt das leider nicht, wir machen das ehrenamtlich. Vor dem Anpfiff stehen wir beide im Spielertunnel und geben jedem Spieler die Hand. An den Spieltagen ist die Bude voll, wir müssen meistens Stühle dazustellen.
„Lustenberger hat sogar sein Kind hier taufen lassen“
Also auch eine gute Bühne für die Kirche.
Ja, in jedem Fall. Wir können die Kirche hier an einem besonderen Ort vertreten und eine ganz andere Zielgruppe ansprechen. Viele der jährlich rund 200 000 Besucher haben eine Begegnung mit einem geistlichen Raum, den sie sonst nicht gehabt hätten. Es besuchen uns viele Gruppen aus Berlin und Brandenburg, aber auch von sehr viel weiter her – die Reaktion ist meistens Erstaunen, dass wir hier eine Kapelle haben.
Kann jeder am Gottesdienst teilnehmen?
Ja. Es kann jeder kommen und es ist auch ein unglaublich bunter Mix vertreten, es kommen genauso Leute aus der Ostkurve wie Präsidiumsmitglieder und Gästefans. Es ist der Ort im Stadion, an dem sich alle begegnen, so wie es unser christlicher Ansatz ist. Das wir an so einem sensiblen Bereich unmittelbar am Spielertunnel an den Spieltagen geöffnet haben, ist übrigens einmalig in der Bundesliga.
Und dann stellen Sie sich im Hertha-Trikot vor die Fans und heizen kräftig ein?
Nein. Nie im Trikot, sondern im Talar und ich trage auch keinen Hertha-Schal darüber. Wir wollen uns nicht anbiedern und der Unterschied zwischen Verein und Kirche soll auch deutlich sichtbar bleiben. Aber wir bringen die Fans schon in Stimmung, keine Sorge, wir entlassen sie mit gut geölten Stimmen ins Stadion.