Mit einem Heimspiel gegen Lille startet Ajax Amsterdam heute in die Champions League, beste Atmosphäre garantiert. Zum Auswärtsspiel bei Chelsea könnte das jedoch anders aussehen: Nur ein kleiner Teil der Ajax-Fans darf in London ins Stadion.
Wenn am 5. November, dem vierten Spieltag der Champions-League-Gruppenphase, der FC Chelsea Ajax Amsterdam empfängt, dann stellt man sich das wahrscheinlich so vor: Herbstliche Temperaturen, Londoner Regen, beim Ausatmen wird der Atem sichtbar. Die altehrwürdige Stamford Bridge, eröffnet 1877, ist bis auf den letzten Platz gefüllt. 3.000 mitgereiste Fans aus den Niederlanden unterstützen ihr Team frenetisch, 37.000 Briten halten dagegen. Der Europa-League-Sieger empfängt den Champions-League-Halbfinalisten zum sportlichen Duell auf Augenhöhe, abgerundet wird das ganze mit einer Atmosphäre, die das Wort Königsklasse verdient hat.
So wird es aber nicht kommen, denn, das hat Ajax bestätigt, gerade einmal 833 Gästefans wird der Zutritt ins Stadion gewährt. Das sind weniger Tickets als Ajax eigentlich zustehen: Es gibt eine Richtlinie der UEFA, die besagt, dass mindestens fünf Prozent der Stadionkapazität an Gästefans zugeteilt werden müssen. Im Falle der Stamford Bridge wären das mindestens 2.000 Plätze. Begibt man sich jedoch auf Spurensuche in London, erfährt man, was es mit der Entscheidung auf sich hat.
Frisches Kölsch als Importware
Dass drei oder mitunter vier Vereine Londons international spielen, ist mehr Regel als Ausnahme. Insofern hat man in London schon vieles gesehen. Beispielsweise die Fans des 1. FC Kölns, die singend durch die Straßen der Stadt zogen. Bis zu 20.000 Kölnerinnen und Kölner überquerten 2017 den Ärmelkanal, kamen mit dem Flugzeug, per Fähre oder mit dem Zug. Eigens dafür ließen sich ortsansässige Gastronomen Kölsch importieren, um die angereisten Jecken zufriedenzustellen.
Doch dass es auch anders geht, erfuhr man in London Ende April diesen Jahres, als Ajax Amsterdam zum Halbfinale der Champions League bei den Tottenham Hotspurs gastierte. Die Fans des niederländischen Rekordmeisters gelten als besonders reisefreudig. In Madrid kaperten Anhänger die Plaza Mayor, in München den Marienplatz. In London musste der Leicester Square zum Vorsingen und Vorglühen herhalten. Von dort zog der Fantross weiter gen Stadion.
Auf Höhe des Stadions lieferten sich dann einige Anhänger von Ajax eine handfeste Auseinandersetzung mit Fans der Heimmanschaft. Steine und Böller flogen durch die Luft, die Polizei ging mit berittenen Einheiten dagegen vor. Die Bilanz: Drei verletzte Polizeibeamte und insgesamt neun Fans, die in Gewahrsam genommen wurden.
Zu den Vorkommnissen sagte der für das Spiel zuständige Polizist Louis Smith: „Dieses Verhalten ist komplett inakzeptabel. Wir werden mit aller Härte gegen die Verantwortlichen vorgehen.“ Kurze Zeit später wurden vier niederländische Fans zu einer 20-wöchigen Gefängnisstrafe und einem sechsjährigen Stadionverbot verurteilt.
Die Stadt schlägt zurück
Die damaligen Verfehlungen seiner Anhänger bekommt Ajax nun zu spüren. Wie der Verein mitteilte, wird nur 833 Zuschauern der Zutritt zur Stamford Bridge gestattet. Das sei so von der Stadt London beschlossen und dem Verein mitgeteilt worden. Als Grund wurden „die von Ajax-Anhängern ausgelösten Unruhen in Europa im Allgemeinen und in Großbritannien im Besonderen“ genannt. Ein Statement der Stadt London, die es leid ist, als Schauplatz von Randalen und Szenekämpfen zu dienen.
Auf Twitter reagieren die meisten, die zu Ajax halten, mit Unverständnis. Herjan Pullen, aktiv in der Supportersvereniging Ajax und im Football-Supporters-Europe-Committee, twitterte in Richtung Stadt und Polizei London: „Am 5. November spielt mein Lieblingsklub in London. Leider können einige meiner Freunde keine Karte für das Stadion bekommen. Habt ihr einen Vorschlag, wo ich mit 4.000 anderen Freunden Fußball schauen kann?“ Viele Anhänger hätten schon Flugtickets und Hotelunterkünfte gebucht, werden also trotzdem in der Stadt sein – und aufgrund der mangelnden Tickets sicher nicht besser gelaunt sein als im April.
Auch in London selbst wird die Entscheidung kritisch betrachtet. Der von Chelsea-Fans betreute Blog chelsea-news.co kommentierte die Beschränkung der Tickets als „lächerliches Kontingent“. Weiter positioniert man sich gegen Kollateralstrafen: „Wir verstehen die Beschränkungen, die dem Klub auferlegt werden. Aber es ist traurig zu sehen, dass ein Großteil für die Verfehlungen Weniger verantwortlich gemacht wird. Wir hätten gerne Tausende gesehen, die von Amsterdam nach London reisen.“
Das wäre dann der Rahmen, den das Spiel verdient hätte.