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In Haß­loch geht es in der Regel recht ruhig zu. Doch aktuell ist es noch ruhiger als ohnehin schon in der beschau­li­chen Vor­der­pfalz. Das süd­liche Ende des größten Dorfs Deutsch­lands mit seinen 20.000 Ein­woh­nern ist die Heimat des VfB Haß­loch. Zwei Fuß­ball­plätze betten sich an die ersten Bäume des Haß­lo­cher Waldes. Die Wegen um das Ver­eins­ge­lände sind als Trimm-Dich-Pfad aus­ge­baut, Jogger drehen ihre Runden. Wenn im Früh­ling die Tem­pe­ra­turen steigen und die Sonne wieder über der Pfalz lacht, erwacht auch der Fuß­ball­verein wieder zum Leben. Man sitzt zusammen auf der Ter­rasse der Ver­eins­gast­stätte, trinkt die ein oder andere Wein­schorle und genießt die Zeit. Das übliche Geschrei auf dem Spiel­feld sorgt für die klas­si­sche Fuß­ball­at­mo­sphäre. Gele­gent­lich, wenn die Schwarz-Gelben treffen, huscht ein Tor­jubel über die Anlage. Rentner, die irgendwie zum Inventar des Ver­eins gehören, geben wohl gemeinte Rat­schläge an die Spieler oder weisen den Schieds­richter darauf hin, wie er zu pfeifen hat. Ein Raunen geht durch das Sta­dion am Eichel­garten, fliegt wieder ein Tor­schuss über den eigent­lich aus­rei­chend hohen Fang­zaun in die Tiefen des Waldes oder in den angren­zenden Reh­bach. Übliche Szenen für Ende März.

Das gilt leider nicht für diesen März. Wie überall in Deutsch­land ruht auch der Spiel­be­trieb in der Bezirks­liga Vor­der­pfalz. Bezirks­liga Vor­der­pfalz, das bedeutet achte Liga, viele Derbys, viele Fehl­pässe, Fuß­ball­ro­mantik pur. Am Sonntag sollte das Sai­son­high­light gegen den 1. FC 08 Haß­loch steigen. Doch die große Frage, wer denn die Nummer eins im Groß­dorf ist, bleibt auf unbe­stimmte Zeit unbe­ant­wortet. Das Ver­eins­ge­lände ist abge­rie­gelt, die Spiele fallen aus, der Trai­nings­be­trieb ruht. Nur der Platz­wart dreht für ein paar Stunden in der Woche seine Runden auf dem Rasen­platz. Ist seine Arbeit getan und der Motor des Rasen­mä­hers ver­stummt, kehrt sie wieder ein, diese gespens­ti­sche Stille. Für den ersten Vor­sit­zenden Mat­thias Gil­lich eine unwirk­liche Sze­nerie: Es ist schon befremd­lich, das Gelände so aus­ge­storben zu sehen. Wir haben rund 780 Mit­glieder. Nor­ma­ler­weise ist hier immer etwas los, wenn Jung und Alt zusam­men­kommen.“

Jeder zehnte Verein wird exis­ten­zi­elle Pro­bleme bekommen

Das Leben steht still auf Deutsch­lands Fuß­ball­plätzen. Obwohl der Fuß­ball in dieser Kri­sen­zeit zur Neben­sache wird, machen sich die Ver­eins­funk­tio­näre Gedanken, wie sie ihren Klub durch die Krise bringen. Für viele wirken die Folgen des ein­ge­schränkten Lebens schwer. Abge­sagte Spiel­tage bedeuten zunächst ein Ver­lust­ge­schäft für die rund 25.000 Ver­eine, die sich mit ihren ins­ge­samt sieben Mil­lionen Mit­glie­dern im Deut­schen Fuß­ball­bund orga­ni­sieren. Sportöko­nomen warnen nun vor einem Ver­eins­sterben. Chris­toph Breuer lehrt an der Deut­schen Sport­hoch­schule Köln und beschäf­tigt sich seit Jahren mit Ama­teur­sport­ver­einen. Wir müssen davon aus­gehen, dass über 10 Pro­zent der Fuß­ball­ver­eine exis­ten­zi­elle Pro­bleme haben werden“. Dabei könne ein Ver­einstyp von den Pro­blemen größ­ten­teils ver­schont bleiben. Wir nennen ihn den Ide­al­verein. Der ist relativ immun gegen die finan­zi­ellen Aus­wir­kungen, da er aus­schließ­lich ehren­amt­lich orga­ni­siert und nicht kom­mer­zia­li­siert ist.“ Das ehren­amt­liche Enga­ge­ment wirke wie ein Schutz­puffer gegen die Krise. Leider gebe es diesen Ver­eins­typus nicht mehr so häufig, meint Breuer. Heut­zu­tage sehen wir Ver­eine, die bis in die sechste oder siebte Liga Spieler bezahlen. Für die wird es schwie­riger, die finan­zi­ellen Aus­wir­kungen auf­zu­fangen.“

Feh­lende Ticket­ein­nahmen und lau­fende Kosten

Die Ein­nah­me­quellen der Ama­teur­ver­eine sind recht unter­schied­lich. Um die Folgen der Krise ein­zu­ordnen, unter­scheidet Breuer in unmit­tel­bare und mit­tel­bare Aus­wir­kungen. Unmit­telbar fehlen den Klubs die Ein­nahmen, die sie an den Spiel­tagen gene­rieren. Ein­tritts­gelder und der Umsatz an der Würst­chen­bude und am Bier­stand bei­spiels­weise. VfB-Vor­stand Gil­lich hadert mit der Situa­tion: Das schlimmste ist die Unge­wiss­heit. Keiner weiß, wann es wei­ter­geht. 180 Zuschauer kommen durch­schnitt­lich zu den Spielen unserer ersten Mann­schaft. Da die Spiele bis auf Wei­teres aus­fallen, müssen wir natür­lich finan­zi­elle Ein­bußen hin­nehmen. Woche für Woche fehlen wich­tige Ein­nahmen in der Ver­eins­kasse.“

Pro­bleme, die auch einige Ligen höher eine immense Rolle spielen. René Jacobi, Pres­se­spre­cher des Regio­nal­li­gisten BSG Chemie Leipzig, rechnet aller­dings in anderen Dimen­sionen. Der säch­si­sche Tra­di­ti­ons­verein bestreitet seine Heim­spiele im Schnitt vor 2.500 bis 3.000 Zuschauern. Bis Sai­son­ende erwarten wir einen Ein­nah­me­ver­lust von 80.000 Euro. Das ist ziem­lich happig. Obwohl wir in der Regio­nal­liga spielen, sind wir ein reiner Ama­teur­verein und wir finan­zieren uns größ­ten­teils durch die Heim­spiele,“ berichtet Jacobi. Die Kon­se­quenz: Der Verein musste Kurz­ar­beit für die wenigen fest­an­ge­stellten Spieler, Mit­ar­beiter der Geschäfts­stelle und die Green­keeper bean­tragen. Bei BSG wird nicht das große Geld gemacht und wir haben keine Gewinn­ab­sichten. Wir wollen ein­fach nur Fuß­ball­spielen.“ Und das am liebsten vor den treuen Anhän­gern. Wenn wir uns zwi­schen 20.000 Euro und den Fans ent­scheiden müssten, würden wir uns für unsere Anhänger ent­scheiden,“ sagt Jacobi. Auch im Hin­blick auf mög­liche Spiele vor leeren Rängen im Alfred-Kunze-Sport­park hat der Chemie Leipzig eine klare Mei­nung: Wir möchten die Spiele vor unseren Fans aus­tragen. Das ist unser sehn­lichster Wunsch.“

Ein Drittel von Gas­tro­nomie abhängig

Wie wichtig ein gutes Ver­hältnis zwi­schen Fans, Mit­glie­dern und dem Verein ist, zeigt sich nicht nur in den Top-Ligen, wo Tau­sende auf den Rängen ihren Verein laut­stark unter­stützen. Auch in den unteren Spiel­klassen haben Mit­glieder und Anhänger eine tra­gende Rolle zum Fort­be­stehen der Klubs. Für Sportökonom Chris­toph Breuer hat die Krise auch auf dieses Ver­hältnis Aus­wir­kungen. Lang­fristig könnte es sein, dass die Ver­eine Mit­glieder ver­lieren, je länger der Betrieb still­steht.“ Ein Effekt, der Stand heute aber noch nicht genau pro­gnos­ti­zierbar sei. Direkt bemerkbar macht sich hin­gegen der Ver­lust des Fuß­ball­ver­eins als Anlauf­stelle und Treff­punkt – bei­spiels­weise in Ver­eins­gast­stätten. Die Gast­stätte sym­bo­li­siert nicht nur finan­zi­elle, son­dern auch soziale Pro­bleme, die mit der Spiel­pause ein­her­gehen. Die Gemein­schafts­bil­dung in den Ver­einen findet schlichtweg nicht mehr statt“, sagt Breuer.

Rund ein Drittel der Ama­teur­ver­eine sichert sich mit einer ver­eins­ei­genen Gas­tro­nomie die Exis­tenz. Auch der VfB Haß­loch kann auf diese Ein­nah­me­quelle bauen. Die Gast­stätte des Bezirks­li­gisten ist ver­pachtet, der Verein gene­riert so wich­tige Ein­nahmen und die Ver­eins­mit­glieder genießen den bewir­teten Treff­punkt zum sozialen Aus­tausch. Natür­lich trifft die Krise auch unseren Pächter hart. Ohne Publi­kums­ver­kehr steht auch er vor exis­ten­zi­ellen Pro­blemen. Wir sind ihm finan­ziell ent­ge­gen­ge­kommen, damit wir diese schwie­rige Zeit gemeinsam meis­tern. Wenn es uns schlecht geht, geht es ihm schlecht und umge­kehrt. Wir sitzen alle in einem Boot und müssen zusam­men­halten“, sagt der VfB-Vor­stand.