Gestern Abend scheiterte Chile in der WM-Qualifikation. Doch wer auf ein Urteil aus dem vergangenen Jahr blickt, weiß: das Ticket wurde schon viel früher verspielt. Im Gerichtssaal.
Es waren noch 13 Minuten zu spielen am siebten Spieltag der WM-Qualifikation Südamerikas. Und, wie meistens, war Bolivien zu diesem Zeitpunkt des Wettbewerbs schon chancenlos am Tabellenende angelangt. Aber heute gegen Chile hatte das ärmste Land des Kontinents die Chance auf einen Punkt noch nicht verspielt. 0:0 gegen den amtierenden Copa-America-Sieger. Also wechselte Boliviens Nationaltrainer Ángel Hoyos noch einmal, brachte Innenverteidiger Nelson Cabrera und schickte damit Chile ins Verderben.
Es wurde zu einer erfolgreichen Länderspielwoche für Bolivien im September 2016. Die 13 Minuten in Chile blieben ohne Gegentor, gegen Peru gewannen „die Grünen“ sogar 2:0. Diesmal wurde Cabrera in der 82. Minute eingewechselt. Vielleicht um die Abwehr zu stärken, vielleicht um Zeit von der Uhr zu nehmen, vielleicht auch nur damit Cabrera ein paar Einsatzminuten erhielt. Stattdessen sorgte er endgültig für das WM-Aus Chiles.
Urteil der Fifa
Denn Nelson Cabrera, geboren im paraguayischen Itauguá, war für Bolivien gar nicht spielberechtigt. Beziehungsweise: noch nicht. Denn der siebte Artikel der FIFA zu den Ausführungsbestimmungen der Statuten besagt: Will ein Spieler eine neue Nationalität annehmen, muss entweder er selbst, seine Eltern oder seine Großeltern dort geboren sein. Falls nicht, muss er zumindest fünf Jahre in diesem Land gelebt haben.
Cabrera tat das nicht. Er hatte zum Zeitpunkt erst drei Jahre und zehn Monate auf dem Kerbholz. Also legte Chile Einspruch ein. Und die Fifa urteilte.
Dem chilenischen Verband wurde einen 3:0‑Sieg zugesprochen. Zwei weitere Punkte, nach dem eigentlichen 0:0, bedeutete das am grünen Tisch. Damit zog Chile erst einmal an Argentinien vorbei. Wichtige Punkte auf dem Weg zur Weltmeisterschaft. Was damals im Land noch keinen interessierte: die Fifa urteilte zeitgleich auch den 2:0‑Sieg Boliviens gegen Peru ab, sprach Peru ebenfalls ein 3:0 zu, das dadurch sogar drei Punkte hinzugewann und nun – ein Jahr später – mit dem besseren Torverhältnis vor Chile steht.
Rücktritt von Vidal?
Denn gestern Abend verpasste Chile erst im letzten Moment die Qualifikation zur Weltmeisterschaft. Ausgerechnet. War die Mannschaft um Alexis Sanchez und Arturo Vidal nach der WM 2014, dem überzeugenden Confederations Cup und zwei Copa-America-Siegen in Folge doch zum erweiterten Favoritenkreis gezählt worden. Jetzt scheiterte Chile am schlechteren Torverhältnis gegenüber Peru, das in die Play-Offs gegen Neuseeland einzog. Paolo Guerrero hatte mit einem Freistoß gegen Kolumbien das Unentschieden und den benötigen Punkt perfekt gemacht.
Chiles Trainer Juan Antonio Pizzi deutete gestern Abend bereits seinen Rücktritt an. Auch Arturo Vidal soll an ein Ende seiner Nationalmannschaftskarriere denken. Die goldene Generation Chiles nimmt im Sommer jedenfalls nicht an der Weltmeisterschaft teil. Und das allein, weil Boliviens Nelson Cabrera unbedingt noch ein paar Spielminuten erhalten sollte.