Wer wurde 1922 Meister in Oberschlesien? Wie endete Carl Zeiss Jenas erstes Ligaspiel? Nicht im DFB-Archiv stehen die Antworten, sondern im Hobbyraum dieses Mannes.
Kommt mit uns auf eine wilde Fahrt durch 20 Jahre Fußballkultur: Am 23. März erschien„DAS GROSSE 11FREUNDE BUCH“ mit den besten Geschichten, den eindrucksvollsten Bildern und skurrilsten Anekdoten aus zwei Jahrzehnten 11FREUNDE. In unserem Jubiläumsband erwarten euch eine opulente Werkschau mit unzähligen unveröffentlichten Fotos, humorvollen Essays, Interviews und Backstages-Stories aus der Redaktion. Besonderes Leckerli für unsere Dauerkarteninhaber: Wenn ihr das Buch bei uns im 11FREUNDE SHOP bestellt, gibt’s ein 11FREUNDE Notizbuch obendrauf. Hier könnt ihr das Buch bestellen. Außerdem präsentieren wir euch an dieser Stelle in den kommenden Wochen weitere spektakuläre Reportagen, Interviews und Bilderserien. Heute: Ein Porträt über einen Statistiksammler.
Die Geschichte des organisierten Fußballs in Deutschland schlummert in einem Haus in Kleinrinderfeld, wenige Kilometer südwestlich von Würzburg.
Hier, in einem knapp zwanzig Quadratmeter großen Zimmer, reiht sich Aktenordner an Aktenordner, die Beschriftungen lauten: „Verband Süd-Deutscher-Fußball-Vereine. Süddeutsche Meisterschaft 1899 – 1910“. Oder: „Baltischer Rasen- und Wintersportverband. Gründungen. Jubiläen. Fusionen. Sportplatz Neu“. Insgesamt sind es weit über 200 Ordner. In der Mitte des Zimmers stehen zwei Tische mit Computer, Drucker, Scanner. Alte Zeitschriften liegen herum.
Hier ist er also bewahrt, der Ursprung des deutschen Ligafußballs. Nicht in einem Archiv des DFB oder in der Sportsektion der Deutschen Nationalbibliothek, sondern hier: in Kleinrinderfeld, im Hobbyraum von Udo Luy, einem 72 Jahre alten, ehemaligen Großhandelskaufmann aus Nürnberg, der ein bisschen aussieht wie der frühere Club-Präsident Michael Roth.
Was Luy in seinem kleinbürgerlichen Refugium macht, ist genauso bescheiden wie größenwahnsinnig. Er recherchiert Ergebnisse und Tabellen des amtlich ausgetragenen Fußballs in Deutschland. Das klingt in Zeiten, in denen jede Grashalmkrümmung statistisch erfasst ist, erstmal unspektakulär. Doch Udo Luy ist einer, der Ordnung mag. Und wer Ordnung mag, beginnt mit der Recherche da, wo man nun mal beginnt: am Anfang.
Fußballvereine in Deutschland begannen um das Jahr 1900, sich in Verbänden zu organisieren und Meisterschaften auszutragen. Luy hat bisher elf Bände mit Kreuz- und Endtabellen sämtlicher Ligen im Eigenverlag herausgegeben. Sie umfassen die Ergebnisse aller von den Regionalverbänden ausgetragenen Spiele – vom jeweiligen Gründungsjahr bis 1914. Die Werke sind nichts für Ästheten, seine Tabellen erstellt er in Word und druckt sie anschließend aus. Doch Luy geht es nicht ums Aussehen. Er will korrekte Ergebnisse. Und er will sie möglichst alle. Die Anfangsjahre zweier Verbände fehlen ihm noch: Berlin und Westdeutschland. Dann ist er – nach knapp zwanzig Jahren Recherche – fertig. Zumindest vorerst. Sein ursprüngliches Ziel, alle offiziellen Ligaspiele und Tabellen bis 1933 zusammenzutragen, hat er zwar aufgegeben. „Die Kriegsjahre 1914 bis 1918 möchte ich aber noch machen“, sagt er.
In den Aktenordnern sammelt Luy das, was er für seine Arbeit braucht, seine „Munition“ wie er sagt. Er hat alle Sportzeitschriften, die er aus jener Zeit zu fassen gekriegt hat, gescannt und kopiert. Vier, fünf Mal sei er in der Sporthochschule Köln gewesen und habe deren Zeitschriftenarchiv quasi dupliziert. Weitere Munition kommt von der Deutschen Nationalbibliothek und der Universität Leipzig.